Ich hatte es gleich zu Anfang entdeckt. Jedes Mal, wenn ich die Treppe hochstieg, sah ich es auf dem Kühlschrank stehen. "Funktioniert das Telefon?" "Du kannst nicht telefonieren, das ist die Zentrale vom Stabsquartier des Chefs." "Aber wenn ich meine Eltern anrufen könnte, nur für fünf Minuten ..." "Nein, deine Eltern werden abgehört, und der Chef würde es erfahren. Dann bringt er dich um." Bei der nächsten Gelegenheit fing ich wieder an: "Nur zwei Minuten, nicht mal fünf ... nur zwei Minuten!" "Nein! Der Chef oder jemand von der Gang würde wissen, dass du nicht tot bist, und dann wird's was geben!" Je öfter er nein sagte, desto mehr verbiss ich mich in die Idee, meine Eltern anzurufen.
Dieses Telefon führte angeblich zur Zentrale des Chefs, der mich umbringen wollte. Doch einmal habe ich trotzdem versucht zu telefonieren. Er war oben beschäftigt. Es war ein hoher Kühlschrank, ich war zu klein. Als ich verzweifelt nach einem Weg suchte, um an den verdammten Apparat heranzukommen, erschien er auf der Treppe.
Ich weiß nicht mehr, ob ich es war, die gebeten hatte, an meine Eltern schreiben zu dürfen, oder ob er es um des lieben Friedens willen vorgeschlagen hat. Am 13. Juni fing ich an, meinen ersten Brief zu schreiben. Ich wollte, dass meine Eltern wussten, in welcher Lage ich mich befand.
Leider ist dieser Brief verschwunden, während "er", ohne dass ich das wissen konnte, die drei letzten aufbewahrt hat, die dann später gefunden wurden. Aber ich erinnere mich noch ungefähr, was ich meinen Eltern geschrieben habe: vor allem, dass ich mich bestraft fühlte, hier zu sein, und dass ich nicht hier bleiben wollte. Ich habe mich nach Einzelheiten ihres Lebens zu Hause erkundigt, ob sie glaubten, das Lösegeld zahlen zu können. Ich habe von den "Sachen" des "Manns, der mich bewacht", erzählt.
Ich bekam keine Antwort auf meinen Brief, außer durch ihn natürlich. "Hör zu, deine Eltern haben deinen Brief bekommen, ein Kumpel von mir hat ihn deiner Mutter ausgehändigt. Sie sagt, du solltest ordentlich essen, dass du dich nicht genug wäschst, und auch, dass dir der Sex gefallen soll. Und da sie nicht zahlen können, bleibst du hier. Sie haben sich damit abgefunden. Genau das solltest du auch tun. Jetzt fängt ein neues Leben an, und du bist meine neue Frau."
Was er nicht alles erfunden hat, damit ich irgendwann einsehen musste, dass ich seinen Monsterklauen ausgeliefert war. Einmal hat er mir sogar erzählt, meine Eltern hätten all meine Sachen in Kartons gepackt. Das war eine unglaubliche Grausamkeit. Ich stellte mir all meine Sachen in Kartons verpackt vor, man organisierte meinen Umzug ins Vergessen. Ich besaß keine Existenz mehr.
Die Art, wie mich dieses "Schwein" manipuliert hat, verwischte jedes logische Denken. Ich hoffte trotzdem, Tag für Tag. Ich hielt durch - ich musste durchhalten, ich hatte keine andere Wahl. Jeder Tag, der verging, war ein Tag gewonnenen Lebens.
Er wollte mich sicher beeindrucken, als er mir seine Waffe zeigte. Eines Tages hat er sie oben aus einem Wäschekorb gezogen. Später habe ich erfahren, dass man bei einer Hausdurchsuchung eine zweite Waffe in seinem Kabuff gefunden hat.
Wenn er fort war, herrschte totale Stille. Ich stürzte mich auf meine Schulbücher, ich schrieb, ich zeichnete, ich hatte Angst, bald nichts mehr zu lesen zu haben. Ich hörte auch Musik, doch sie erinnerte mich oft an mein Leben davor, und dann brach ich in Tränen aus. Dieses scheußliche Gelb der Wände in meinem Kellerloch machte mich ganz krank, der Schaumgummi meiner Matratze löste sich auf, mal war mir zu kalt, mal zu heiß in diesem feuchten Keller. Manchmal machte ich auch gar nichts; ich stellte mir immer wieder Fragen zu diesem permanenten Widerspruch: "Er behauptet, mein Retter zu sein, tut mir aber Böses an."
Plötzlich ist es stockfinster! Kein Licht, kein Ventilator. Ich hockte da in totaler Dunkelheit, wie in einem Grab. Ich hörte den Ventilator nicht surren, die einzige Luftzufuhr. Es war also ein Stromausfall, und ich würde ohne Luft ersticken, ich erstickte schon vor Angst. Ich brüllte und rief nach ihm. "Ich bin im Dunkeln! Es gibt keinen Strom! Kommen Sie runter!" Als ich merkte, dass niemand kam, habe ich mich langsam beruhigt. Zum Glück hatte ich bald wieder Strom. Ich hatte die Nase voll von diesem Rattenloch und sagte mir: "Ich haue ab!"
Ich habe mich mit dem Rücken an die Betontür gestellt und mich dagegengestemmt. Mit der Kraft meiner dreißig Kilo habe ich gedrückt. Ich konnte die Tür ein paar Zentimeter öffnen, aber ich war völlig erschöpft.
Ich habe Wasser getrunken, um wieder zu Kräften zu kommen. Dann habe ich noch einmal versucht, die zweihundert Kilo Beton zu bewegen. Fünf Minuten hatte ich Hoffnung haben können. Jetzt konnte ich die Tür weder schließen noch weiter öffnen. Ich konnte nicht einmal so tun, als hätte ich nichts angerührt! Ich versuchte, mich innerlich zu wappnen, mich auf eine Strafe gefasst zu machen. Ich dachte: "Er wird mich lynchen." Dann hörte ich Geräusche auf der Treppe. Ich habe mich unter die Decke verkrochen.
Er hat gebrüllt. "Bist du wahnsinnig! Und wenn jetzt der Chef gekommen wäre! Weißt du, was er mit dir gemacht hätte! Er hat kein Problem damit, Leute umzubringen! Und vorher hätte er Dinge mit dir gemacht, die du dir nicht mal vorstellen kannst!"
Ich war auf Schläge gefasst, doch er bombardierte mich nur mit der Androhung verschiedenster sadomasochistischer Foltermethoden, von denen ich in meinem Alter in der Tat keine Vorstellung hatte.
Er hat mich nicht geschlagen, das hat er nie gemacht. Ich sah die Brutalität in seinen Augen, in seinem zornverzerrten Gesicht. Das genügte schon. Dieses Monster wollte letztlich nur eines: seine perversen Gelüste an Kindern befriedigen, die ihm total ausgeliefert waren und die er nur so lange leben ließ, wie es ihm passte.Ich war nicht weit vom Tod entfernt. Und das ist ein Gefühl, das sich ganz tief und für immer in mich eingegraben hat.
Sonntag, 14. Juli 1996
"Ihr Lieben, Maman, Papa, Großmama, Nanny, Sophie, Sébastien, Sam, Tifi und alle anderen! Ich habe den Mann, der mich bewacht, gebeten, an euch schreiben zu dürfen, denn eure Geburtstage, Maman, Sophie und auch Sam, nahen in Riesenschritten. Ich bin soooo traurig, dass ich euch keinen fröhlichen Geburtstag wünschen und keinen dicken Kuss geben kann und auch kein Geschenk für euch habe!! Ich hatte mir vorgenommen, Dir, Maman, einen großen Freesienstrauß mit ein paar Rosen zu überreichen. Hätte ich genügend Geld gehabt, wollte ich dir, Sophie, einen Füller schenken. Sam, du solltest ein ,kleines" Spielzeug oder eine Packung Hundekuchen bekommen! Dafür müsste ich aber Geld haben und vor allem... BEI EUCH SEIN, und das ist mein allergrößter Wunsch...
Es geht aber leider nicht. Wenn ich nach Hause käme, würden sie uns ALLE umbringen, und deswegen will ich es auch gar nicht!! Lieber schreibe ich euch und bleibe hier, als tot zu sein. Ich habe euch furchtbar lieb, denke sehr oft an euch und weine vor Sehnsucht nach euch, aber LEIDER glaube ich, dass ihr mich nie wiedersehen werdet. Hoffentlich denkt ihr auch oft an mich.
Ich hoffe so sehr, dass ihr euch amüsiert und gut esst (auf jeden Fall besser als ich hier!). Wenn ihr zum Abendessen oder als Nachtisch etwas esst, was ich besonders gern mochte, oder auch Kekse oder Bonbons oder sonst irgend etwas, denkt dabei an mich, denn ich bekomme eine Leckerei immer nur dann, wenn ich gemacht habe, was er wollte, wenn ihr versteht, was ich meine.
Ich überlege, was draußen wohl für ein Wetter ist, denn ich kann nur aus einem Fenster schauen und auch das nur, wenn ich mit ihm oben bin, außerdem ist das nur ein Fenster in der Decke, bei allen anderen Fenstern sind die Vorhänge oder Läden geschlossen. Leider kann ich nicht nach draußen gehen und spielen ...
Aber es gibt auch noch ein anderes großes Problem ..." In diesem Teil meines Briefes beschreibe ich Misshandlungen, die ich hier nicht wiedergeben möchte. "... Wisst ihr, wie sehr ihr mir fehlt? Es ist so schrecklich, dass ich nicht mehr bei euch zu Hause sein kein. In den letzten Tagen ,belästigt" er mich fast ständig, aber ich muss tun, was er will. Manchmal kann ich fernsehen, aber ..."
Hier lasse ich einige Einzelheiten weg. "...das ist wirklich nicht lustig. Fast alles, was er mir gibt, ist schon abgelaufen. Er behauptet aber, das Datum auf der Verpackung sei das Verkaufsdatum! Er hat mir Schokolade gegeben, auf der als Verfallsdatum 1993 stand!
Maman, gib Großmama jedes Mal, wenn du sie siehst, einen dicken Kuss von mir (oder auch mehrere), und bevor du schlafen gehst, küsse SAM aufs Ohr. Und ihr anderen, stellt euch vor, dass ich euch morgens und abends oder sonst irgendwann einen Kuss gebe. Ich warte UNGEDULDIG auf Nachricht von euch!!! Ich habe euch alle sehr lieb Ich schicke euch tausend Küsse FÜR IMMER PS: Hoffentlich gefallen euch die Zeichnungen. Achtet nicht auf meine Schrift und die Rechtschreibfehler. Von dem Mann, der mich bewacht, habe ich auch erfahren, Papa habe Ärger mit dem Chef gehabt, als er noch Gendarm war, und dass der Chef deshalb mich ausgesucht hat, um euch etwas anzutun! (Vielleicht ist es aber auch aus einem anderen Grund.)
Es wäre so schön, wenn ihr dem Chef das Geld geben könntet, um mich zurückzubekommen", ihr müsstet irgend jemanden darum bitten. Aber das wäre sicher viel zu viel Geld!!!
Ich hoffe, dass ich euch wieder einmal schreiben kann, und falls es länger nicht geht, wünsche ich euch schon jetzt das Beste (zum GeburtstagÉ etc). Und hoffentlich denkt ihr an mich! Ich habe euch lieb Sabine"
Ich schrieb immer mehrere Tage an einem Brief, damit ich möglichst viel erzählen konnte. Dieser war vom 14. Juli, in meinem Kalender habe ich vor dieses Datum "Brief" geschrieben. Vom 16. Juli bis 23. Juli (jeweils Dienstag) habe ich "weggefahren" geschrieben, das heißt, das Ungeheuer war auf einer "Dienstreise", und ich war allein im Versteck.
Aus allen Briefen kann man meine Schuldgefühle herauslesen. Ich glaubte, ich würde für alles bestraft, was meine Eltern mir je vorgeworfen haben: nicht genügend zu lernen, im Haushalt zu wenig zu helfen É Ich hatte geschrieben "wenn ich zurückkomme, werde ich nicht mehr so egoistisch sein", dabei glaube ich gar nicht, dass ich sehr egoistisch war. Inzwischen bin ich es, weil es nötig ist, weil ich es brauche.
Dienstag, 23. Juli 1996
Diesen Tag habe ich in meinem Kalender mit einem roten Stern markiert, das bedeutete "sehr, sehr schlimm". Er kam von einer "Dienstreise" zurück, holte mich aus meinem Versteck, und als ich sehr viel später, am Ende meiner Kräfte, wieder in den Schutz dieser schmutzigen Gruft zurückkehrte, habe ich speziell an Maman einen Brief geschrieben. Beamte haben ihn - noch zugeklebt - unter der Fußmatte dieses Mistkerls gefunden. Erst der Untersuchungsrichter hat ihn geöffnet.
Meine Mutter hat ihn übrigens nie gelesen. Ich habe es nicht erlaubt. Es reichte, dass ich so gelitten hatte. Ich habe zugestimmt, dass meine Briefe während des Prozesses in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgelesen wurden.
Ich habe mich im Interesse der Wahrheit dafür entschieden, damit deutlich wird, wie weit der sadistische Wahn eines Machtbesessenen gehen kann, der eine Zwölfjährige manipuliert. Die Geschworenen konnten sich ihr Bild machen. Meine Eltern nahmen an dieser Verhandlung nicht teil, ich wollte das nicht. "Maman, ... Wenn du wüsstest, was er zu mir sagt und was ich hier ertragen muss! Er sagt, ich müsse mit ihm ,Liebe machen" ..." Er hat mich "davor" mit einem Gleitmittel eingeschmiert: "Wir machen das jetzt so, dann ist Ruhe." "Danach" hat er gesagt: "Hör auf zu heulen, das tut doch gar nicht so weh! Alle Mädchen machen das! Beim ersten Mal tut es eben weh."
Die neue Gefangene
Zwischen diesem und dem letzten Brief, der gefunden wurde, mit Datum vom 8. August, war meine körperliche Gesundheit auf einem Tiefpunkt angelangt. Ich litt an einer starken Blutung und schrecklichen Schmerzen. Mir tat die Seite weh, der Rücken, und auch, wenn ich mich auf den Bauch legte, tat alles weh. Das Gefühl völliger Verlassenheit machte mich gleichzeitig aggressiv und mutlos. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. Die Augen gerötet, die Haare verdreckt und verfilzt, Tränen, die durch den Schmutz Spuren auf meinen Wangen hinterlassen hatten. Das Foto in meinem Schülerausweis hatte mit der Person, die ich geworden war, nichts mehr zu tun. Ich ekelte mich vor mir selbst.
Eingesperrt, einsam, mit diesem Schwein, das mich den ganzen Tag lang die schlimmsten Schrecken ertragen ließ, verlor ich allmählich jeden Halt. Ich hatte keine Beschäftigung. Mich interessierte nichts mehr. Ich hatte alle Bücher gelesen, und auch das Lesen ging mir auf die Nerven, ich las, ohne den Sinn des Gelesenen zu be- greifen. Ein richtiges Gespräch war mit ihm nicht möglich. Es kam immer das Gleiche heraus. "Das Essen ist ekelhaft." "Hör auf zu meckern und iss." "Ich will meine Eltern sehen!" "Das geht nicht!" "Ich will nicht nach oben! Ich mag das nicht!" "Pech für dich." Zweieinhalb Monate lang hat mich das Fehlen einer Unterhaltung fast zum Wahnsinn getrieben. Schließlich war ich auf diese verrückte Idee gekommen. "Ich will eine Freundin!" "Das geht nicht!" Ich war an die äußerste Grenze meiner Überlebensfähigkeit in dieser Hölle gekommen. "Ich kann mit niemandem reden, ich habe die Schnauze voll! Zu Hause hatte ich jede Menge Freundinnen! Ich möchte eine hier haben!" "Das geht nicht! Du brauchst keine Freundin!"
Mir war die Tragweite meines Wunsches nicht bewusst. Ich weinte: "Ich bin nicht daran gewöhnt, so eingesperrt zu sein. Im Sommer bin ich immer draußen, in meiner Hütte, in meinem Plantschbecken! Ich bin mit meinen Freundinnen zusammen!"
Da hatte er die Idee, mich "bräunen" zu lassen, indem er mir befahl, mich nackt auf zwei Stühlen unter das Dachfenster zu legen. Doch bevor er wieder einmal wegfuhr, kündigte er an: "Ich bringe dir eine Freundin mit ..." Ich glaubte es nicht. Wenn er gesagt hätte: "Öffne die Türe und gehe nach Hause", hätte ich es eher für wahr gehalten.
Abends am 8. August kam er zurück. Den Tag habe ich wieder mit einem roten Kreuz im Kalender markiert. Am 9. sah ich ihn nicht. Am 10. August holte er mich. Beim Hochgehen verkündete er: "Deine Freundin ist da." Ich war verblüfft! Natürlich wollte ich sie sofort sehen! "Nein, nein, du gehst erst ,sonnenbaden", und danach wirst du sie sehen.
Dieses dumme Ritual machte mich fertig, in diesem Moment mehr als sonst. Schließlich sah ich das andere Mädchen: ans Bett gefesselt, offenbar nackt, unter einer Decke É Er versuchte es zu wecken, damit es mich sehen konnte. "Hier stelle ich dir deine Freundin vor!" Ich war etwas ratlos: "Wer ist das? Wie heißt sie?"
77 Tage
Dann wurde mir die Realität dieses Bildes klar. Das Bett, die Kette um den Hals ... Langsam nahmen die verschwommenen Erinnerungen Gestalt an. Ich starrte sie an, und dabei sah ich mich selbst: Diese Decke, diese Kette, der nackte Körper - das war ich.
Gleichzeitig fuhr es mir brutal durch den Kopf: "Was habe ich da verlangt! Was habe ich bloß getan?" Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Stattdessen sagte ich: "Hallo ... geht's dir gut?" Sie wirkte wie unter Drogen. Sie fragte: "Wie heißt du?" "Sabine." "Seit wann bist du da?"
Ich schlug die Augen nieder. Ich fürchtete mich, vor ihm die Dauer zu nennen; es konnte mein Todesurteil sein. Wenn er eines Tages der Meinung sein würde, ich sei schon zu lange hier und würde ihm lästig, konnte er sich meiner im Handumdrehen entledigen.
Ganz leise sagte ich: "Seit siebenundsiebzig Tagen ..." Am Montag, dem 12. August, schrieb ich in meinen Kalender: "Freundin". Er hatte sie zu mir in den Keller gebracht.
Die schwere Tür fiel hinter uns zu. Sie aß mit mir einige Kekse, und ich versuchte, sie vor den schmutzigen Machenschaften zu warnen, die sie wahrscheinlich erwarteten, wenn er sie holte. "Schon passiert."
Sie betrachtete mich aufmerksamer. Sie war noch immer schläfrig, anscheinend hatte er sie stärker betäubt als mich am Tag meiner Entführung. "Ich habe dich schon mal gesehen." "Ich habe dich aber noch nie gesehen." "Doch, doch, ich habe dich schon gesehen! Überall hängen Plakate. Deine Eltern suchen dich wie verrückt!" Ich glaubte ihr nicht. Meine Eltern konnten mich nicht suchen, ich hatte ihnen doch geschrieben! Und sie zahlten das Lösegeld nicht!
Laetitia hörte mir träge zu. Dieser erste gemeinsame Tag war enttäuschend für mich. Sie schlief die Hälfte der Zeit. Am nächsten Tag war es kaum besser. Sie erzählte mir, er habe gesagt: "Ein böser Chef will dir etwas antun, ich habe dich gerettet ..." "Zu mir hat er dasselbe gesagt!" Laetitia dämmerte vor sich hin. Ich fragte mich, wie wir zu zweit in diesem Rattenloch Luft bekommen sollten. Kurz dachte ich, wir könnten fliehen. Als ich allein versucht hatte, die Tür zu bewegen, war ich nicht stark genug gewesen. Zu zweit würde es uns vielleicht gelingen. Dann gab ich den Gedanken auf, Laetitia war zwar größer als ich, aber unter dem Einfluss der Medikamente schien sie zu so einer Anstrengung nicht fähig.
Als er in den Keller herunterkam, befahl er mir: "Du bleibst hier!" Als sie zurückkam, sagte sie nichts. Am vierten oder fünften Tag fand ich es allmählich seltsam, dass er uns nicht mehr holte. Der Mann hatte doch "Bedürfnisse", es verging kaum ein Tag, an dem er mich nicht belästigt hatte. Ich sagte es Laetitia. Es war wirklich seltsam.
Seltsam war es für ihn in diesem Moment sicher auch! Am 13. August war er geschnappt worden, und wir wussten davon natürlich nichts. Der Gipfel war, dass an diesem Tag ein Gendarm eine Hausdurchsuchung gemacht hatte, ohne etwas zu bemerken. Wir hatten davon nichts mitbekommen. Laetitia schlief, ich war vielleicht auch eingeschlafen.
Der arme Gendarm musste sich später allerhand anhören. Er war mit den Nerven so fertig, dass er beim Prozess sogar weinte. Ich wette, auch kein anderer hätte die Geheimtür mit diesem angeschraubten Regal erkannt. Ich werfe dem armen Gendarm nichts vor. Man sollte keinen falschen Schuldigen suchen.
80 Tage
Wenn ich mich auf meine Uhr verlassen kann, war es am Nachmittag des 15. August, wir waren dabei, uns zum Schlafen aneinanderzudrücken auf dieser modrigen 90-Zentimeter-Matratze, als ich ein Geräusch hörte. "Hörst du das?" "Ja, was ist das?" "Vielleicht ist er mit dem Chef und seinen Kumpanen gekommen." Dann hörte man Schritte, welche die Treppe zum Versteck herunterkamen.
Verschreckt und zitternd lagen wir unter der Decke. Zuerst hörten wir das Geräusch von Ziegelsteinen, die beiseite geschoben wurden, dann wurden die Flaschen und Kanister auf den Regalen draußen bewegt. Jetzt hatte ich Angst, diese echte Angst, die man nicht unterdrücken kann. Todesangst. Ich flüsterte Laetitia zu: "Es sind viele, ich habe Schiss. Sie räumen die Flaschen weg, bald werden sie hier aufmachen."
Doch dann hörte man seine Stimme, wie immer: "Ich bin's! Ich komme jetzt rein!" Die Tür öffnete sich schwer, gerade so weit, dass wir hindurchpassten, und da ergriff mich Panik. Zwar stand er dort, auf der untersten Stufe, wo er immer gewartet hatte, wenn wir herauskommen sollten, aber hinter ihm und um ihn herum waren eine Menge Leute. Ich hatte Panik, war verrückt vor Angst. Nach einem Moment deutete Laetitia auf jemanden: "Den da kenne ich, ich kenne ihn! Er ist Polizist! Hab keine Angst!"
Rückkehr ins Leben
In den ersten Tagen hatte ich Angst, das Haus zu verlassen und zu Freunden zu gehen. Angst vor den Blicken und den Fragen. Schließlich geschah nichts dergleichen, keine Fragen. Sie waren nicht dumm, auch wenn sie jung waren. Eigentlich haben meine Freunde meine Empfindungen besser verstanden als manche Erwachsenen in meiner Umgebung.
Der Untersuchungsrichter wollte, dass ich einen Psychologen besuche, und so erinnere ich mich vage an seltsame Zeichnungen, auf die ich hätte reagieren sollen. Es war lächerlich, ich hatte dazu nichts zu sagen. Ich habe meine eigene Therapie gemacht.
Ich lebte einfach mein jugendliches Leben. Es musste kommen, dass ich mich eines Tages verliebte. Ich brauchte und befürchtete es gleichzeitig. Es war für uns beide das erste Mal - für mich die Liebe, für ihn die Erfahrung. Ich hatte den Mut, als Erste meine Befürchtungen zu äußern: "Du musst es ja wohl ahnen, dass es für mich ein schwieriger Moment in meinem Leben ist, es wird nicht einfach sein." Seiner Meinung nach kannte er sich mit solchen Dingen gar nicht aus, und ich lachte: "Perfekt, wir werden uns gemeinsam zum Idioten machen."
Und es hat geklappt. Ich hatte es geschafft, die Blockade zu überwinden, die mein Leben als junge Frau langfristig hätte vergiften können. Es gab nur die Liebe, um mir diese Befreiung zu schenken. Es war keine Beziehung, die ewig andauern sollte. Ich habe leider zu Unrecht daran geglaubt und meinen ersten Liebeskummer erlebt. Einen großen Liebeskummer. Es gehörte sich einfach so.
Als er in den Keller herunterkam, befahl er mir: "Du bleibst hier!" Als sie zurückkam, sagte sie nichts. Am vierten oder fünften Tag fand ich es allmählich seltsam, dass er uns nicht mehr holte. Der Mann hatte doch "Bedürfnisse", es verging kaum ein Tag, an dem er mich nicht belästigt hatte. Ich sagte es Laetitia. Es war wirklich seltsam.
Seltsam war es für ihn in diesem Moment sicher auch! Am 13. August war er geschnappt worden, und wir wussten davon natürlich nichts. Der Gipfel war, dass an diesem Tag ein Gendarm eine Hausdurchsuchung gemacht hatte, ohne etwas zu bemerken. Wir hatten davon nichts mitbekommen. Laetitia schlief, ich war vielleicht auch eingeschlafen.
Der arme Gendarm musste sich später allerhand anhören. Er war mit den Nerven so fertig, dass er beim Prozess sogar weinte. Ich wette, auch kein anderer hätte die Geheimtür mit diesem angeschraubten Regal erkannt. Ich werfe dem armen Gendarm nichts vor. Man sollte keinen falschen Schuldigen suchen.
80 Tage
Wenn ich mich auf meine Uhr verlassen kann, war es am Nachmittag des 15. August, wir waren dabei, uns zum Schlafen aneinanderzudrücken auf dieser modrigen 90-Zentimeter-Matratze, als ich ein Geräusch hörte. "Hörst du das?" "Ja, was ist das?" "Vielleicht ist er mit dem Chef und seinen Kumpanen gekommen." Dann hörte man Schritte, welche die Treppe zum Versteck herunterkamen.
Verschreckt und zitternd lagen wir unter der Decke. Zuerst hörten wir das Geräusch von Ziegelsteinen, die beiseite geschoben wurden, dann wurden die Flaschen und Kanister auf den Regalen draußen bewegt. Jetzt hatte ich Angst, diese echte Angst, die man nicht unterdrücken kann. Todesangst. Ich flüsterte Laetitia zu: "Es sind viele, ich habe Schiss. Sie räumen die Flaschen weg, bald werden sie hier aufmachen."
Doch dann hörte man seine Stimme, wie immer: "Ich bin's! Ich komme jetzt rein!" Die Tür öffnete sich schwer, gerade so weit, dass wir hindurchpassten, und da ergriff mich Panik. Zwar stand er dort, auf der untersten Stufe, wo er immer gewartet hatte, wenn wir herauskommen sollten, aber hinter ihm und um ihn herum waren eine Menge Leute. Ich hatte Panik, war verrückt vor Angst. Nach einem Moment deutete Laetitia auf jemanden: "Den da kenne ich, ich kenne ihn! Er ist Polizist! Hab keine Angst!"
Rückkehr ins Leben
In den ersten Tagen hatte ich Angst, das Haus zu verlassen und zu Freunden zu gehen. Angst vor den Blicken und den Fragen. Schließlich geschah nichts dergleichen, keine Fragen. Sie waren nicht dumm, auch wenn sie jung waren. Eigentlich haben meine Freunde meine Empfindungen besser verstanden als manche Erwachsenen in meiner Umgebung.
Der Untersuchungsrichter wollte, dass ich einen Psychologen besuche, und so erinnere ich mich vage an seltsame Zeichnungen, auf die ich hätte reagieren sollen. Es war lächerlich, ich hatte dazu nichts zu sagen. Ich habe meine eigene Therapie gemacht.
Ich lebte einfach mein jugendliches Leben. Es musste kommen, dass ich mich eines Tages verliebte. Ich brauchte und befürchtete es gleichzeitig. Es war für uns beide das erste Mal - für mich die Liebe, für ihn die Erfahrung. Ich hatte den Mut, als Erste meine Befürchtungen zu äußern: "Du musst es ja wohl ahnen, dass es für mich ein schwieriger Moment in meinem Leben ist, es wird nicht einfach sein." Seiner Meinung nach kannte er sich mit solchen Dingen gar nicht aus, und ich lachte: "Perfekt, wir werden uns gemeinsam zum Idioten machen."
Und es hat geklappt. Ich hatte es geschafft, die Blockade zu überwinden, die mein Leben als junge Frau langfristig hätte vergiften können. Es gab nur die Liebe, um mir diese Befreiung zu schenken. Es war keine Beziehung, die ewig andauern sollte. Ich habe leider zu Unrecht daran geglaubt und meinen ersten Liebeskummer erlebt. Einen großen Liebeskummer. Es gehörte sich einfach so.