Somaliland Arm, aber stolz

Bislang hat sie noch kein Land anerkannt. Doch davon unbeirrt lassen die Somaliländer ihre eigene Flagge wehen, stanzen Nummernschilder und drucken ihr eigenes Geld. In dem kleinen Landzipfel am Horn von Afrika lebt es sich besser als im Rest von Somalia.

Das Land sieht aus der Luft aus, als ob dort viele überdimensionale Fußbälle herumlägen. Auf dem Boden stellt sich heraus, dass es menschliche Behausungen sind. Sie sind nach einer Technik gebaut, die Outdoor-Experten für ihre Iglu-Zelte kopiert haben: Ein paar biegsame Stangen bilden ein halbkugeliges Gerüst, das mit Stofffetzen, Plastikplanen und alten Säcken abgedeckt ist. In Somaliland, der abtrünnigen Republik im Norden Somalias, stehen diese Flickenhütten gleich neben den Betonhäusern der Wohlhabenderen und den weißgetünchten Anwesen der internationalen Hilfsorganisationen.

Somaliland ist arm, aber stolz. Vor zwölf Jahren hat sich die frühere britische Kolonie für unabhängig erklärt. Bislang hat sie noch kein Land anerkannt. Davon unbeirrt lassen die Somaliländer ihre eigene Flagge wehen, stanzen eigene Nummernschilder und drucken eigenes Geld. Das ist allerdings so wenig wert, dass nach dem Tausch einer Zehn-Dollar-Note ein normales Portemonnaie schon zu klein ist. Geldhändler in der faktischen Hauptstadt Hargeisa haben kniehohe Stapel aus Geldscheinen um sich herum aufgebaut. Beim Mittagsschlaf geben sie eine gute Stütze für die Füße ab.

"Friedliches und stabiles Land"

"Es ist ein friedliches und stabiles Land. Man kann reisen, ohne von Milizen aufgehalten zu werden", bemerkt Jesper Morch, der Repräsentant des UN-Kinderhilfswerks UNICEF in Somalia. Es sei an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft den politischen Fortschritt der kleinen Republik honoriere. Die International Crisis Group, eine Gruppe unabhängiger politischer Experten, formuliert es noch deutlicher: "Die internationale Anerkennung würde Somaliland als einen der wenigen wirklich demokratischen Staaten in der Region etablieren", heißt es in ihrem Bericht.

Tatsächlich hat Somaliland erst im April eine spannende Präsidentenwahl hinter sich. Der bisherige Präsident Dahir Rayala Kahin wurde wider Erwarten im Amt bestätigt - und das mit einer Mehrheit von 80 Stimmen. Außenministerin Edna Adan, ehemalige Hebamme und Gründerin einer Frauenklinik in Hargeisa, hat die Statur einer resoluten Landesmutter. Auf internationalem Parkett tritt sie charmant und nachdrücklich für ihren Möchtegern-Staat ein, der nach offiziellen Angaben etwa 3,5 Millionen Einwohner hat.

Ohne Hilfe von außen scheint das Land kaum überlebensfähig. Die Einkünfte aus dem Viehhandel gingen nach dem Ausbruch einer Tierkrankheit drastisch zurück. Ein großer Teil ihres Einkommens zergeht den Somaliländern förmlich im Munde: Sie geben täglich umgerechnet bis zu fünf Dollar für die aus Äthiopien und Kenia importierten Khat-Blätter aus. Bei stundenlangem Kauen versetzen sie in einen leichten Rauschzustand.

"Familienplanung findet hier nicht statt"

Nur etwa 17 Prozent der Kinder gehen zur Schule. Mehr als 90 Prozent der Frauen wurden in ihrer Kindheit beschnitten, oft so radikal, dass sie massive gesundheitliche Probleme haben, vor allem bei Geburten. "Familienplanung findet hier nicht statt", sagt Dahir Mohammed Yusuf, Vizedirektor der Edna-Adan-Klinik in Hargeisa.

Trotz allem: In dem kleinen Landzipfel am Horn von Afrika lebt es sich besser als im Rest von Somalia. Das Land, das zu den fünf ärmsten der Welt zählt, hat seit gut zwölf Jahren keine Zentralregierung mehr. Während des Bürgerkriegs hat ein Großteil der Bildungsschicht das Land verlassen. In der Hauptstadt Mogadischu bekämpfen sich verfeindete Clans und entführen Unbeteiligte, um Lösegelder zu erpressen. Ein Mitarbeiter des UN-Sicherheitsdienstes sagt auf seinem letzten Rückflug nach einem gut zweijährigen Einsatz in Mogadischu: "Da ist alle Hoffnung verloren."

DPA
Ulrike Koltermann