Es ist schon seltsam. US-Präsident Donald Trump war während seiner Amtszeit regelmäßig auf allen Titelseiten, in allen Nachrichten und Netzwerken zu bewundern. Von seinem Ex-Kollegen Wladimir Putin in Russland bekommt man nicht so viel mit. Jeden Tag wurden Trumps Lügen gezählt. Putin kommt mit jeder Räuberpistole durch.

Frank Schmiechen
Seit mehr als 30 Jahren ist Frank Schmiechen Journalist. Unter anderem war er stellvertretender Chefredakteur der "Welt" und Chefredakteur von "Gründerszene". Heute arbeitet er als Senior Advisor bei der Kommunikationsberatungsagentur WMP Eurocom. Schmiechen liebt Popmusik und Fußball.
Nach dem Mord im Berliner Tiergarten, der ganz offensichtlich von der russischen Regierung in Auftrag gegeben wurde, rieten viele prominente Stimmen von einer Vorverurteilung Putins ab. Bei Trump war das anders. Er hatte zwar niemanden umgebracht, keine Kriege geführt und auch sein Volk nicht unterdrückt. Aber das Urteil stand blitzartig fest. Undemokratisch, böse, Frauenhasser.
Es ist schon eine besondere Beziehung, die viele Deutsche zu Putin haben. Irgendwie schaut man mit leiser Bewunderung auf diesen Mann. Wer es schafft, sich so lange an der Macht zu halten, muss doch irgendwie ein kluger Kerl sein. Oder?
Längst nicht so interessant wie ein Trump – doch gefährlich
Der Fall Alexej Nawalny hat deutlich gemacht, dass weder Klugheit, noch politischer Instinkt hinter Putins Strategie zum eigenen Machterhalt stecken. Putin erreicht seine Ziele mit purer Gewalt. Wer im falschen Moment auf der falschen Straße steht, wird festgenommen und abtransportiert. Wer öffentlich widerspricht, wie Nawalny, muss sich Sorgen machen, ob er den nächsten Tag noch erlebt.
Nawalnys Mut ist bewundernswert. Er spricht aus, was viele Russen denken. Sie trauen sich aber schon sehr lange nicht mehr, offen zu sprechen. Putin sei ein kleiner, ängstlicher Mann, der sich hinter dicken Mauern vor seinem eigenen Volk verstecke, sagt Nawalny. Das ist natürlich längst nicht so interessant wie ein US-Präsident, der auf Twitter seine Gegner ungebremst niederbrüllt und schamlos sein Halbwissen oder Gar-Nicht-Wissen präsentiert.
Eine kleine Clique von Mächtigen und Superreichen hat das riesige Russland unter sich aufgeteilt. Normale Familien haben es dagegen schwer, ein normales Leben zu führen. Auf einem demokratischen und wirtschaftlichen Niveau, das Europa im 21. Jahrhundert angemessen ist. Wäre das vielleicht mal eine Erzählung, die man mit ähnlicher Wucht präsentieren könnte, wie jeden verrückten Tweet von Donald Trump?
Den Russen wünsche ich, dass sich endlich mehr Menschen in der westlichen Welt dafür interessieren, wie ihr tägliches Leben durch den Despoten und Undemokraten Putin erschwert und belastet wird. Und wie sehr sie sich danach sehnen, ein ganz normales Leben ohne Putin zu leben.