Die Bundesbürger wünschen sich bei politischen Entscheidungen mehr Mitspracherecht. Das ergab eine am Montag veröffentlichte Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Bei der Frage nach den wünschenswerten Beteiligungsverfahren gaben 78 Prozent direkte Verfahren wie Volksentscheide oder Bürgerbegehren an. Jeder zehnte Befragte nahm demnach bereits an solchen direkten Verfahren teil. Nur 21 Prozent zeigten sich an Möglichkeiten der direkten Demokratie nicht interessiert.
Groß ist das Interesse auch an Bürgerbefragungen zu bedeutsamen Infrastrukturmaßnahmen wie etwa Bauprojekten. 68 Prozent der Befragten würden bei derartigen Projekten gern unmittelbar mitentscheiden, nur 29 Prozent waren desinteressiert. Interesse bekundeten die Befragten auch an sogenannten Bürgerhaushalten. Dabei können Bürger über einen Teil der Finanzmittelausgaben ihrer Stadt unmittelbar mitentscheiden. Auch hier sagte fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent), dass sie an solchen Entscheidungen schon einmal mitgewirkt haben oder gern mitwirken würden.
Deutlich weniger Interesse findet offenbar parteipolitisches Engagement. Für fast 70 Prozent der Befragten kommt die Mitgliedschaft in einer Partei oder in einer Bürgerinitiative nicht in Frage. Nur knapp 20 Prozent könnten sich das vorstellen. Das gilt auch für die aktuell in der SPD diskutierte Form der Beteiligung von Nicht-Mitgliedern an wichtigen Personalentscheidungen bis hin zur Kanzlerkandidatur. Die Frage, ob sie sich vorstellen können, in einer Partei mitzuarbeiten, ohne Mitglied zu sein, verneinten 67 Prozent. Nur für 27 Prozent käme das in Frage.
Der Vorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, Gunter Thielen, wertete die Umfrage als klares Signal: "Die Menschen haben sich nicht von der Politik verabschiedet, sondern wünschen sich viel mehr aktive Teilhabe." Die Politik sei deshalb gut beraten, die bestehenden Formen der Beteiligung auszuweiten.
Das Meinungsforschungsinstitut TNS-Emnid befragte im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Anfang Juni 1.005 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger.