Generaldebatte im Bundestag Merz kündigt tiefgreifende Veränderungen an – scharfe Kritik aus der Opposition

Kanzler Friedrich Merz (CDU) in der Generalaussprache über den Haushalt im Bundestag
Kanzler Friedrich Merz in der Generalaussprache über den Haushalt im Bundestag
© Kay Nietfeld/dpa
Der Kanzler hat einen Herbst der Reformen angekündigt. Nach dem Streit von Schwarz-Rot vor der Sommerpause beschwört er im Bundestag den Zusammenhalt der Koalition.

Kanzler Friedrich Merz stellt die Menschen in Deutschland auf tiefgreifende Reformen ein. "Die Entscheidungen, die vor uns liegen, gehen nicht um Details, sondern sie gehen um sehr Grundsätzliches", sagte der CDU-Chef in der Generaldebatte über den Kanzleretat im Bundestag. "Es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um die Zukunft unseres Landes – wie wir leben, wie wir zusammenleben, wie wir arbeiten, wie wir wirtschaften, und ob unsere Werte weiterhin Bestand haben", fügte er hinzu.

Die Freiheit sei bedroht, die Bürger spürten eine wachsende Unsicherheit, das deutsche Wirtschaftsmodell sei durch "einen neuen Protektionismus, der sich gegen Freihandel und offene Märkte richtet" unter Druck, warnte Merz. Zudem werde der Zusammenhalt durch politische Kräfte im In- und Ausland in Frage gestellt, die die Demokratie verächtlich machten, Zwietracht säten und die Gesellschaft und auch die Regierung auseinanderdividieren wollten. 

Die Koalition habe aber "den festen und den gemeinsamen Willen, sich diesen Realitäten zu stellen", unterstrich Merz. "Wir werden unsere Freiheit bewahren, den Wohlstand sichern und neuen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ermöglichen", fügte er hinzu. CDU, CSU und SPD täten das aus Verantwortung für Deutschland, "in Gemeinsamkeit und mit einer ebenso großen Entschlossenheit, den richtigen Pfad eben an dieser Wegmarke unseres Landes einzuschlagen".

Merz will das Rentensystem reformieren

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich für weitgehende Reformen im Rentensystem ausgesprochen. "Wir müssen auch unser Rentensystem neu aufstellen", sagte Merz am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Er begründete dies mit dem demografischen Wandel, junge Menschen dürften nicht zusätzlich belastet werden.

Daher müsse bei der Rente "der Generationenvertrag neu gedacht werden", sagte der Kanzler. Weiterhin müsse jedoch "die ältere Generation für ihre Arbeit, die sie geleistet hat, ihren wohlverdienten Ruhestand in wirtschaftlicher Sicherheit genießen können", sicherte er zu. Konkrete Maßnahmen nannte Merz dafür allerdings nicht.

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hat in der Debatte über die Finanzierung des Sozialstaats eine stärkere Beteiligung großer Vermögen verlangt. "Die großen, breiten Schultern, die großen, großen Vermögen müssen sich stärker beteiligen in diesem Land", sagte Miersch. "Auch das gehört zur Gerechtigkeit mit dazu." Er verwies zudem auf eine anstehende Entscheidung des Verfassungsgerichts, die eine Auseinandersetzung mit der Erbschaftsteuer ohnehin nötig machen könnte. 

Zuletzt hatte auch Unions-Fraktionschef Jens Spahn die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland als Problem bezeichnet. "Wer schon hatte, hat immer mehr", hatte er gesagt. Miersch bekannte sich zugleich zu Änderungen im Sozialstaat: "Ich sage ganz deutlich: Wir stehen zu den Reformen. Wir brauchen Reformen."

Kritik von Grünen Fraktionschefin Dröge

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte die schwarz-rote Bundesregierung indes heftig für ihre Politik. "Sie vergessen immer und immer wieder den deutschen Mittelstand", warf sie Kanzler Friedrich Merz vor. Die Stromsteuer müsse wie versprochen für alle sinken. Darüber hinaus habe Merz durch Druck auf die EU-Kommission einen unvorteilhaften Handelsdeal mit US-Präsident Donald Trump mitzuverantworten. 

Das Geld aus dem milliardenschweren Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz nutze die Bundesregierung nicht sinnvoll, beklagte Dröge. Die Regierung stopfe mit den Mitteln Haushaltslöcher. "Sie haben ja nicht zu wenig Geld, Sie geben es nur den Falschen", sagte Dröge. "Nichts ist teurer in dieser Koalition als die CSU." Es flössen Milliarden für die Wahlversprechen von CSU-Chef Markus Söder. Ob es sich dabei um eine "Stillhalteprämie" für Söder halte, wollte Dröge wissen. 

Weidel wirft Merz mangelnden Reformwillen vor

AfD-Chefin Alice Weidel warf Merz mangelnden Reformwillen und das Brechen von Wahlversprechen vor. "Das Ergebnis der Reformverweigerung und der CDU-Umfallerei in Serie ist ein zusammengeschusterter, verantwortungsloser Haushalt ohne Maß und Ziel, der kein einziges Problem löst", sagte Weidel am Mittwoch in der Generaldebatte im Bundestag. Die Folge seien im Haushalt "noch größere Löcher zum Stopfen", fuhr Weidel fort.

Der von Merz ausgelobte "Herbst der Reformen wird der Herbst der leeren Worte und wird zum Winter der noch höheren Ausgaben führen", fuhr Weidel fort. Merz habe "jedes Wahlversprechen gebrochen", sagte Weidel. Sie nannte etwa die Einhaltung der Schuldenbremse, die Senkung der Stromsteuer, die Rückkehr zur Atomkraft, die Bürgergeldreform und die Abschaffung des Verbrennerverbots. Die AfD Partei- und Fraktionschefin warf der Bundesregierung auch eine unwirksame Migrationspolitik vor. Weidel forderte eine "Bindung von Sozialleistungen an die Mindesteinzahlungsdauer". Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete müsse gestrichen werden.

Linke wirft Merz-Regierung "zynische" Politik und "Armenhass" vor

Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek hat der Regierung vorgeworfen, Politik auf Kosten der Schwächsten in der Gesellschaft zu machen. Der angekündigte "Herbst der Reformen" werde "nichts anderes als ein Herbst der sozialen Grausamkeiten", sagte Reichinnek am Mittwoch bei der Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag. Sie forderte, Vermögende "fair an der Finanzierung des Gemeinwesens" zu beteiligen. Während die Regierung für Aufrüstung und "Steuergeschenke für Großkonzerne" Milliarden bereit stelle, seien Mittel für Bildung, Klimaschutz oder Gesundheit "nicht mehr drin", sagte Reichinnek. Die Union arbeite sich zudem "seit Monaten am Bürgergeld ab" und suche hier offenbar "Sündenböcke statt Lösungen".

Strategie der Regierung sei zu sagen: "Ja, wir sehen, es geht dir schlecht, aber wir sorgen dafür, dass es jemand anderem noch schlechter geht", sagte die Linken-Fraktionschefin. "Was ist das denn für eine zynische, widerliche Politik, die sie da machen?" Was die Regierung als Gerechtigkeit verkaufen wolle, sei "nichts anderes als Armenhass", sagte Reichinnek.

DPA
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