Die CDU-Spitze will das Bürgergeld radikal umbauen. Von der "neuen Grundsicherung" soll nur noch profitieren, wer seinen "Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit oder Vermögen bestreiten" kann. "Das Bürgergeld ist zu sehr ausgeschlagen in Solidarität und zu wenig in Eigenverantwortung", sagte NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann. Das CDU-Konzept sieht härtere Sanktionen für diejenigen vor, die sich einer zumutbaren Arbeit total verweigern. "Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab ("Totalverweigerer"), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist", heißt es darin.
Rechtlich sei das möglich, betonte der frühere Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel. Zwar handele es sich bei den "Totalverweigerern" um eine sehr kleine Gruppe unter den jetzigen Bürgergeld-Empfängern. Es gehe allerdings auch darum, den Menschen das Gefühl zu geben, dass es gerecht zugehe, betonte Laumann.
Ampel-Koalition bei Bürgergeld-Frage uneins
Grüne und SPD kritisierten das Konzept als "Angriff auf den Sozialstaat". Hier werde Panikmache auf dem Rücken der Schwächsten betrieben, sagte die grüne Co-Vorsitzende Ricarda Lang. "Es bleibt inhaltlich falsch." Zuvor hatte sich SPD-Co-Chef Lars Klingbeil kritisch geäußert. Es sei richtig, dass der Staat sich auch daran hält, Menschen ein Existenzminimum zu geben, sie sozial abzusichern. Auch Klingbeil sprach von einem "Angriff auf den Sozialstaat". Die Höhe des Bürgergeldes sei durch einen Verfassungsgerichtsbeschluss festgelegt, sagte er zu der Kritik einer zu starken Steigerung. Der Mechanismus sei mit Zustimmung der Union beschlossen worden und deshalb werde es auch keine Änderungen geben.
Anders der liberale Koalitionspartner: Die FDP hat den CDU-Vorstoß begrüßt. In ihrem Konzept hätten sich die Christdemokraten allerdings an politischen Vorstellungen der FDP bedient, sagte FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer. "Es ist schön zu sehen, dass die CDU der FDP jetzt programmatisch folgt", betonte Meyer.
Sozialverbände loben und kritisieren Reformpläne der CDU
Der Deutsche Caritasverband stimmte den Unions-Vorschlägen teilweise zu. Der Begriff der Grundsicherung sei für den "befähigenden Charakter des Leistungssystems" besser geeignet als das Bürgergeld, teilte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Welskop-Deffaa, mit.
Auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte die Pläne der CDU für eine Reform und Verschärfung des Bürgergelds. "Wir brauchen eine Grundsanierung des Bürgergeld-Systems", sagte Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Als "unsäglich" bezeichnete dagegen die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, die Debatte, da "wieder Vorurteile gegen Menschen im Grundsicherungsbezug geschürt" würden. Statt für bessere Löhne zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass sich Arbeit wirklich lohne, spiele die CDU die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander aus. "So schürt man nur Unfrieden in unserer Gesellschaft und leistet den Feinden der Demokratie Vorschub."
VdK-Präsidentin Verena Bentele warnte vor einer möglichen Umsetzung und bezeichnete Teile der Pläne als verfassungswidrig. "Ich habe den Eindruck, dass hier sehr frühzeitig der Wahlkampf mit populistischen Angriffen gegen das Bürgergeld eingeläutet wird", sagte Bentele den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Dienstagausgaben). Das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum lasse keine politisch gesetzte Begrenzung bei den Regelsätzen zu, betonte Bentele.

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Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Arbeiterwohlfahrt hatten sich ablehnend geäußert. Sie warfen der CDU teils einen Angriff auf den Sozialstaat vor.
Plädoyer für "treffsicheren Sozialstaat"
Arbeitgeberpräsident Dulger sagte: "Wir müssen den Sozialstaat vom Kopf auf die Füße stellen." Nötig sei ein treffsicherer Sozialstaat, der sich auf die Bedürftigen konzentriere und wehrhaft gegen Missbrauch sei. "Daher begrüße ich die Vorschläge der CDU zum Bürgergeld."
Die CDU will Sanktionen schneller, einfacher und unbürokratischer durchsetzen. Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine "ihm zumutbare Arbeit ab ("Totalverweigerer"), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist", heißt es im Parteibeschluss. "Der Name "Bürgergeld" führt in die Irre und ist Ausdruck des politischen Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens."
Dulger sagte: "Wir haben fast vier Millionen Menschen im Bürgergeldsystem, die arbeiten können – das ist zu hoch." Damit Arbeitskräfte in den Betrieben ankommen, müsse der Fokus viel stärker auf der Aktivierung und Vermittlung in Arbeit liegen. Dulger forderte Mitwirkungspflichten, "die auch praktisch eingefordert werden müssen".
Kritik aus den Reihen der Christdemokraten
Kritik an Teilen der CDU-Pläne kommt allerdings auch aus dem eigenen Sozialflügel. Der Vizevorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, sagte dem Südwestrundfunk (SWR), eine vollständige und dauerhafte Streichung der Grundsicherung sei mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. "Wir dürfen in einem Land wie Deutschland niemanden verhungern oder obdachlos werden lassen." Bäumler ist CDA-Landeschef in Baden-Württemberg und widersprach damit auch CDA-Bundeschef Karl-Josef Laumann, der das Konzept als "sehr ausgewogenen Vorschlag" bezeichnet hatte.
Jobcenter können Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate streichen, wenn die Betroffenen eine Arbeitsaufnahme nachhaltig verweigern. Diese Verschärfungen hatte die Ampel-Koalition im Zuge ihrer Sparmaßnahmen beim Bundeshaushalt auf den Weg gebracht.
Experte für "Mittelweg"
Der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg sieht an einigen Punkten des Bürgergeld-Systems Korrekturbedarf, plädiert aber für einen "Mittelweg". "Die Ampel-Koalition hatte die Sanktionsregeln deutlich gelockert, die CDU will sie nun zu stark verschärfen", sagte er der "Welt". "Besser wäre ein Mittelweg, zum Beispiel bei einer Verweigerung der Arbeitsaufnahme schneller und länger die Leistungen zu kürzen, anstatt sie gleich ganz einzustellen."
Das Bürgergeld hatte nach einer Reform der Ampel-Koalition Anfang 2023 die vorherige Grundsicherung Hartz IV (Arbeitslosengeld II) abgelöst. Es soll Menschen den Lebensunterhalt sichern, die arbeiten können, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht. Betroffenen soll mit Beratung, Aus- und Weiterbildung geholfen werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.