Deutschland Motassadeq-Anwälte wollen Verfahrenseinstellung

Hamburg - Die Verteidiger des Marokkaners Mounir el Motassadeq, der ab kommenden Dienstag wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001 erneut vor Gericht steht, vermuten, dass wichtige Zeugenaussagen unter Folter entstanden sind. Sie wollen deshalb die Einstellung des Verfahrens beantragen, berichtet der stern.

Der Hamburger Rechtsanwalt Josef Gräßle-Münscher sprach gegenüber dem stern von einem "System der Folter bei der Behandlung von hochrangigen Al-Qaeda-Gefangenen". Das Gericht müsse sich deshalb mit der Frage beschäftigen, ob etwa die Aussagen des Cheflogistikers der Anschläge, Ramzi Binalshibh, unter Folter entstanden seien. Für einen deutschen Prozess sei solches Material dann nicht verwertbar und ein faires Verfahren in Frage gestellt. Dieser Fall wäre einmalig in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik.

Wie der stern weiter berichtet, blickt man bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe einer möglichen Folterdiskussion gelassen entgegen. "Die Verteidigung müsste dem Gericht schon sehr glaubhaft darlegen, dass Ramzi Binalshibh auch wirklich gefoltert wurde", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter dem stern. Indes wissen die Ankläger selbst noch nicht, ob ihnen aus den USA Aussagen Binalshibhs zur Verfügung gestellt werden. Die Antwort auf ein Rechtshilfeersuchen stehe noch aus. Sollten die USA gar nicht reagieren, so würden auch die Karlsruher Ankläger ein so genanntes Prozessurteil nicht ausschließen. Dies würde die Einstellung des Verfahrens bedeuten.

Der Bundesgerichtshof hatte die 15-jährige Haftstrafe gegen Motassadeq – das weltweit erste Urteil wegen der Terror-Attentate in den USA – im März aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg zurückverwiesen.