Ex-Präsident des Verfassungsgerichts Ernst Benda gestorben

Als das Bundesverfassungsgericht 1977 ablehnte, den entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer gegen inhaftierte RAF-Terroristen auszutauschen, war dies die schwerste Entscheidung, die Ernst Benda zu verantworten hatte. Im Alter von 84 Jahren ist der Ex-Präsident des obersten deutschen Gerichtes nun gestorben.

Es dürfte einer seiner letzten öffentlichen Auftritte gewesen sein: Am 15. Dezember - zum 25. Jahrestag des Volkszählungsurteils von 1983 - präsentierte sich Ernst Benda bei einer Veranstaltung von Datenschützern in Karlsruhe, wie man ihn kannte - gebildet, geistreich, bestens informiert auch über das aktuelle Geschehen. Am Montag ist der einstige Präsident des Bundesverfassungsgerichts im Alter von 84 Jahren gestorben.

Der gebürtige Berliner - bis zuletzt ein gefragter Interview-Partner - war einer der profiliertesten Richter in der bald 60-jährigen Geschichte des höchsten deutschen Gerichts. Als er 1971 sein Amt antrat, war er knapp 47 Jahre alt - und damit der jüngste Präsident in der Geschichte des Gerichts. Erst der derzeitige Vizepräsident Andreas Voßkuhle wird ein paar Monate jünger sein, wenn er im Frühjahr 2010 an die Spitze des Gerichts aufrückt.

Schwerstes Urteil im Fall Schleyer

Seine zwölfjährige Amtszeit war, so nannte es Benda in der Rückschau, "reformerisch bestimmt". Zu den wichtigsten Entscheidungen in dieser Zeit gehören das "Numerus-clausus-Urteil" von 1972 zum Hochschulzugang, die Paragraf-218-Entscheidung von 1975, mit der die Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch zu Fall gebracht worden war, und das Volkszählungsurteil von 1983 - bis heute der Markstein des modernen Datenschutzes.

Seine wohl schwerwiegendste Entscheidung hatte der Spitzenjurist nach einer dramatischen Nachtsitzung am 16. Oktober 1977 zu verkünden. Mit einem Eilantrag wollte Hanns-Eberhard Schleyer, Sohn des von einem Kommando der Roten Armee Fraktion (RAF) entführten Arbeitgeberpräsidenten, die Bundesregierung zur Freilassung von elf Terroristen zwingen. "Allen Mitgliedern des Ersten Senats war bewusst, dass ihre Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod Hanns Martin Schleyers bedeuten würde", erinnerte sich Benda 30 Jahre später. Dennoch lehnte das Gericht den Antrag ab: "Die Entscheidung war menschlich schwer, aber juristisch unausweichlich."

Anderthalb Jahre lang Innenminister

Nach dem Studium - Jura in Berlin, 1949 bis 1959 Journalistik und Politische Wissenschaften in den USA - zog der politisch aktive Benda zunächst ins Berliner Abgeordnetenhaus und 1957 für die CDU in den Bundestag ein. 1967 wurde er zum Parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium ernannt, 1968 schließlich zum Bundesinnenminister, ein Amt, das er anderthalb Jahre bis zur Bildung der sozial-liberalen Koalition innehatte. In jene Zeit fiel die Verabschiedung der Notstandsgesetze - und der jahrelange heftige Protest richtete sich vor allem gegen den maßgeblichen Wegbereiter Benda. Für die Protestierenden "war ich damals so eine Art Symbolfigur", erinnerte er sich vergangenes Jahr.

Von 1984 bis 1993 lehrte der Vater zweier Kinder an der Universität Freiburg Verfassungsrecht, auch an Ehrenämtern wie der Mitgliedschaft im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages herrschte kein Mangel. Bis ins hohe Alter widmete er sich dem Segelsport - einem mitunter hochriskantem Hobby. Bei einer Atlantik-Überquerung im Jahr 1999 hatte Benda sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen; gerade noch rechtzeitig eilte ein auf gleichem Kurs steuerndes Passagierschiff zu Hilfe.

DPA
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