Halberstadt Spurensuche im Flammeninferno

Den Rettungskräften bot sich nach dem Feuerinferno in der Obdachlosenunterkunft in Halberstadt ein Bild des Grauens: Neun Menschen zwischen 35 und 55 Jahren wurden verkohlt bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Sie waren sogar so entstellt, dass die Polizei zunächst ein Bettgestell irrtümlich für ein zehntes Opfer hielt. Die Männer hatten offensichtlich keine Chance, dem Flammentod zu entkommen. Blitzschnell müssen sich Qualm und Feuer am Freitagmorgen in den 20 Blechcontainern ausgebreitet haben. Einige Bewohner, die später gestorben sind, hatten noch versucht, sich ins Freie zu schleppen.

Die Rettungskräfte fanden Leichen in den Betten, im Zimmer oder im Flur liegend. Die Opfer verloren durch den Qualm erst das Bewusstsein und verbrannten dann. Zunächst war völlig offen, wodurch die Brandkatastrophe ausgelöst wurde, bei der zudem fünf weitere Obdachlosen schwere Verletzungen erlitten. "Ein Anschlag von außen kann definitiv ausgeschlossen werden", sagte Halberstadts Polizeipräsidentin Christiane Marschalk. Es gebe keine Hinweise auf Brandbeschleuniger. Es befanden sich keine Fremden im oder am Container.

Wühlen durch Trümmerlandschaften

Ob ein Adventsgesteck Feuer fing, eine brennende Zigarette oder ein technischer Defekt den Brand auslöste, müssen noch die Experten des Landeskriminalamtes (LKA) klären. Die Ermittler müssen sich für ihre grauenhafte Aufklärungsarbeit durch eine Trümmerlandschaft wühlen. Die Blechcontainer sind völlig zerstört. Wo noch Wände stehen, sind diese rußschwarz. Dazwischen liegen einzelne Schuhe, Töpfe, von der Hitze verbogene Bettgestelle und Einrichtungsgegenstände, deren Zweck nicht mehr zu bestimmen ist.

"So etwas habe ich noch nie gesehen"

Ein weißer Leichensack nach dem anderen wird aus den Trümmern zu bereitstehenden Leichenwagen getragen. Sie stehen Stoßstange an Stoßstange am Ort des Grauens. Selbst hartgesottenen Helfern geht die Tragödie an die Nieren. Harald Böer ist seit 33 Jahren bei der Feuerwehr und hat schon viel erlebt - ein Inferno wie dieses ist auch für den 52 Jahre alten Einsatzleiter neu: "So etwas habe ich noch nicht gesehen", sagt er mit stockender Stimme. Angesichts der tragischen Bilder sorgt er sich auch um seine jüngeren Kollegen. "Die stehen jetzt alle noch unter Anspannung. Aber später kommt dann der Punkt, wo man die Eindrücke verarbeiten muss."

Ein Anwohner, der nicht namentlich genannt werden will, schildert die Minuten, in der die neun Menschen ums Leben gekommen sein müssen. "Fünf Menschen rannten aus den Containern raus und schrien, dass da noch Leute drin sind", sagt er. Schockiert ist auch Michael Haase vom Halberstädter Ordnungsamt. Schon seit 1996 bestehe die Unterkunft am Rande der Stadt, die Platz für insgesamt 24 Obdachlose bot. Nie habe es Probleme gegeben. "Hier sah immer alles richtig sauber und gepflegt aus", sagte Haase. Im kommenden Jahr wäre die Genehmigung für den Komplex abgelaufen, dann wäre entweder eine Sanierung oder ein neuer Bau fällig gewesen.

Innenminister Klaus Jeziorsky (CDU) trifft schon am Unglücksort ein, als noch die letzten Qualmwolken über den Containern stehen. "Das ist erschütternd. Wir müssen nun so schnell wie möglich die Ursachen für den Brand aufklären." Am Einsatz und an der Schnelligkeit des Feuerwehr gab es aus seiner Sicht nichts auszusetzen. "Die Hilfe kam schnell, aber leider trotzdem zu spät."

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Thomas Pfaffe/DPA