Arbeitsminister Hubertus Heil – der Minister, der sich das Sparen sparen darf

Hubertus Heil bei einem Holz-Betrieb im Schwarzwald
Hubertus Heil versucht sich bei einem Holz-Betrieb im Schwarzwald an der Arbeit, die inzwischen auch einige Ukrainerinnen übernehmen
© BMAS / J. Konrad Schmidt
Hubertus Heils riesiger Haushalt stand in den vergangenen Wochen extrem im Fokus: Er sollte bei der Rente und beim Bürgergeld sparen. Nun gibt es eine Einigung – und einen auffallend zufriedenen Minister.

Hubertus Heil hatte sich das mit seiner Sommertour wahrscheinlich mal anders vorgestellt. Er konnte bei der Planung ja nicht ahnen, dass sich der Kanzler und die Vizekanzler erst drei Tage vorher auf ein grobes Haushaltskonzept einigen. Also besucht er nun einen Inklusionsbetrieb, trifft einen Obstbauern, der Photovoltaikanlagen über seinen Apfelbäumen montiert hat und lässt sich im sogenannten "Cyber Valley" tischtennisspielende Roboter zeigen. Interessante Orte. Unter normalen Umständen. Aber normal ist in dieser Koalition schon lange nichts mehr. Und deshalb wirkt diese Sommerreise halbwegs absurd.

In den vergangenen Wochen war Hubertus Heil in den Fokus geraten. Der Arbeits- und Sozialminister hat den mit Abstand größten Etat. In Zeiten, in denen es darum geht, Sparpotenziale zu heben, gerät so einer natürlich unter Druck. Viele in der SPD fürchteten, dass eine Einigung mit der FDP unweigerlich zu Kürzungen bei Rente und Bürgergeld führen müsste. Die Wortmeldungen der Liberalen ließen das durchaus vermuten. 

Nun steht fest – zumindest unter Vorbehalt der sicher langen Debatte im Parlament –, dass das Rentenpaket 2 kommen soll, wie ursprünglich (und bereits Anfang März) verkündet. Meint: Das Rentenniveau bleibt stabil bis 2040. Für die Sozialdemokraten eines der wichtigsten Wahlkampfargumente. Hubertus Heil ist zufrieden: "Wir gewährleisten die soziale Sicherheit, die das Land braucht."

Die SPD will wieder die "arbeitende Mitte" erreichen

Beim Bürgergeld hingegen war die Debatte noch aggressiver geführt worden. Auch in der SPD hatte man nach den Europawahlergebnissen das Gefühl, man müsse die Empfänger wieder etwas härter anpacken, wenn man die eigene Kernklientel wieder erreichen möchte. Und so zündelte auch Heil selbst mit. Immer wieder betont er auf seiner Sommerreise, dass er ja schon immer für Sanktionen war – es sei wichtig, dort nachzusteuern. Teil der Einigung von Freitag ist, dass schneller und stärker Leistungen gekürzt werden können. Und man tritt dem Minister nicht zu nahe, wenn man sagt: Auch damit ist Hubertus Heil sehr zufrieden. 

Vor einigen Wochen hatte er vorgeschlagen, das Bürgergeld für Menschen, die bei der Schwarzarbeit erwischt werden, für drei Monate zu streichen. Dabei ist die Aufdeckungsquote bei Schwarzarbeit extrem gering, die höhere Bestrafung dürfte wenig Effekt haben. Symbolpolitik könnte man sagen – auf zwei Ebenen: Es sendet ein Signal an Menschen mit Job, die Bürgergeldempfänger beneiden, und es lässt sich eine luftige Einsparsumme berechnen, die den Eindruck erweckt, man würde auch im Sozialministerium kürzen. 

Heil wird aber nicht nur seine eigenen Vorschläge umsetzen müssen. Manche FDP-Idee ist auch dabei: Bürgergeld-Empfängern soll bei Job-Angeboten ein täglicher Arbeitsweg von drei Stunden zuzumuten sein. Außerdem sollen Totalverweigerer in Ein-Euro-Jobs vermittelt werden. Wieder Signale an die arbeitende Bevölkerung: Wir schauen jetzt genau, dass die Arbeitslosen das gleiche leisten müssen wie Sie. Ob es Wirkung zeigt? Heil wirkt skeptisch. Über die Punkte der Koalitionspartner sagt er: "So ist das in der Demokratie. Wer Fortschritt will, muss auch zu Kompromissen bereit sein."

Deutlicher wird Jan Dieren, Arbeits- und Sozialpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion. "Im Haushalt konnten wir einen Kahlschlag beim Sozialstaat verhindern, das ist die gute Nachricht. Die schlechte. Die soziale Zerstörungswut der FDP wurde in das Wirtschaftspaket umgeleitet."

Dass Bürgergeld-Empfänger künftig einen Arbeitsweg von insgesamt drei Stunden in Kauf nehmen sollen, sei buchstäblich eine Zumutung, sagte Dieren dem stern. "Damit werden Menschen drangsaliert und in unannehmbare Arbeitsbedingungen gedrängt, die es jetzt schon nicht leicht haben." Dadurch steige nicht nur der Druck auf Arbeitssuchende, sondern auch der Verwaltungsaufwand. "Wie so Geld für den Haushalt eingespart werden soll, erschließt sich mir nicht", monierte der SPD-Politiker.

Besonders hochgekocht war die Bürgergelddebatte zuletzt in Bezug auf ukrainische Arbeitslose. Der Arbeitsminister hatte im Herbst vergangenen Jahres einen Job-Turbo angekündigt, um mehr von ihnen in Arbeit zu bringen – mit engerer Betreuung durchs Jobcenter. Er besucht auf seiner Sommerreise deshalb auch ein Säge- und Holzwerk, das inzwischen 15 Ukrainerinnen eingestellt hat. Drei von ihnen sind beim Termin mit Heil dabei. Sie arbeiten in Hilfsjobs, bessern Holzplatten aus, indem sie Astlöcher bearbeiten. 

Hubertus Heil: "Die, die Arbeit haben, werden Chancen und Perspektiven haben in diesem Land"

Sie sind zufrieden in dem Betrieb, wollen sogar bleiben, wenn der Krieg vorbei ist. "Auch wenn das nicht alle Ukrainer gerne hören", sagt eine von ihnen. Sie war früher Choreografin für Volkstänze, kommt aus einer Region nahe der russischen Grenze. Hubertus Heil sagt ihr: "Die, die Arbeit haben, werden Chancen und Perspektiven haben in diesem Land." 

Nach wie vor sind die arbeitenden Ukrainerinnen eine Ausnahme. Von 743.000 ukrainischen Geflüchteten zwischen 15 und 65 Jahren in Deutschland arbeiteten laut Bundesagentur für Arbeit im April 175.000. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte vorgeschlagen, ukrainische Arbeitslose direkt wieder abzuschieben. Heil wirft ihm am Rande seiner Reise vor, "mit dumpfen Gefühlen" Menschen gegeneinander auszuspielen. Aber sogar bei dem Vorbild-Unternehmen im Schwarzwald wird ihm signalisiert, dass es nicht gut läuft.

Der Personalleiter erzählt von den Hindernissen, von unterschiedlichen Zuständigkeiten bei den Behörden und unklaren Angaben, was das Unternehmen zu erfüllen hat. "Es ist, gelinde gesagt, eine Katastrophe", sagt er. Neben dem bürokratischen Aufwand sei vor allem die Wohnungssuche eine Herausforderung. "Ich war zum Teil mehr mit der Suche nach Wohnungen beschäftigt als mit der Akquise von neuen Mitarbeitern." Hubertus Heil nickt, zeigt sich verständnisvoll, sagt später: "Wir müssen weiterarbeiten, damit das besser gelingt."

Nun hat er erstmal wieder Spielraum dafür, der Spar-Kelch scheint im Großen und Ganzen an seinem Ministerium vorbeigegangen zu sein. Die Details stehen erst nächste Woche fest. In der Woche darauf reist er nach Washington und trifft die US-Arbeitsministerin – um den Haushalt wird es dann wohl auch nicht gehen.