Hubertus Heil, für den der Tag gut begonnen hatte, steht vor einem Problem. Wenn er sich falsch entscheidet, könnte es Ärger geben. Und das versucht dieser Mann tunlichst zu vermeiden.
Die Werkhalle von Adidas im mittelfränkischen Scheinfeld. Rund 3000 Fußballschuhe werden hier pro Tag produziert, auch Spezialanfertigungen für Stars wie Lionel Messi. Der Arbeitsminister lässt sich von Mitarbeitern erklären, wie die Noppen an die Schuhe kommen und warum Spitzenspieler oft zwei unterschiedliche Größen brauchen. Heil ist selbst Fußballfan, Eintracht Braunschweig.
So ein Besuch ist ein Toptermin auf der Wohlfühlskala für Spitzenpolitiker. Am Ende bekommt Heil Sportschuhe überreicht, extra für ihn angefertigt, mit seinem Bild auf der Lasche. Aber der Minister zögert: Darf er so ein Geschenk annehmen? "Da muss ich im Kanzleramt nachfragen." Er geht gern auf Nummer sicher. Das hilft ihm auch in der Politik.
Hubertus Heil ist ein Phänomen. 51 Jahre alt, aber politisch schon ein Dinosaurier. Seit 25 Jahren Bundestagsabgeordneter, immer direkt gewählt, zweimal Generalsekretär der SPD, seit 2018 Bundesminister für Arbeit und Soziales. Und trotzdem einer, der oft unter dem Radar läuft.
In quälenden Sitzungen ringt die Ampelspitze in Berlin um einen neuen Haushalt, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Pläne kassiert hat. Heil hat den dicksten Etat von allen Ministern, gestritten wird auch um eines seiner Projekte, das Bürgergeld. Zum 1. Januar soll der Hartz-IV-Nachfolger um zwölf Prozent erhöht werden. Die Opposition tobt, der Koalitionspartner FDP hadert.
Der Unangreifbare
Doch bei allem Ärger: Heil hat noch nie einen so großen Aufruhr erlebt, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ihn fürs Heizungsgesetz ertragen musste. Auch ein monatelanger öffentlicher Streit mit dem Finanzminister, wie ihn Familienministerin Lisa Paus bei der Kindergrundsicherung erlebt hat, ist mit ihm unvorstellbar. Er muss nicht um verlorenes Vertrauen kämpfen wie Bundeskanzler Olaf Scholz. Er ist mittendrin und doch irgendwie nur dabei. Die Leute mögen das.
In einer der letzten Popularitätsumfragen landete er auf Platz acht, als dritter Sozialdemokrat hinter Verteidigungsminister Boris Pistorius (Platz eins) und SPD-Chef Lars Klingbeil (Platz sechs). Der eine ist noch recht neu im Amt, der andere sitzt nicht in der Regierung. Wie gelingt es Heil, sich fast unangreifbar zu machen?