Haben Sie sich auch über den Streik im Öffentlichen Dienst geärgert?
Ich war bisher persönlich kaum betroffen, aber ich habe großes Verständnis für den Unmut der Leute, die zum Beispiel ihre Arbeitsplätze nicht rechtzeitig erreichen können und sich deshalb beschweren.
Was halten Sie von der Forderung nach acht Prozent mehr Lohn?
Das ist eine Forderung der Gewerkschaft, die für den öffentlichen Bereich nicht verkraftbar ist, wenn wir das Ziel erreichen wollen, die Haushalte auf ein solides Fundament zu stellen. Allerdings ist es wie in jeder Tarifverhandlung, dass die Forderungen zunächst höher sind als die Abschlüsse, die hinterher getätigt werden.
Zur Person
Der Diplomvolkswirt Laurenz Meyer ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik kennt er sich aus mit den Finanzproblemen der Städte und Gemeinden. Der 60-jährige war von 2000 bis 2004 Generalsekretär der CDU. Er ist seit sechs Jahren Mitglied des Bundestages.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt, der Aufschwung müsse auch bei den kleinen Leuten ankommen. Werden so nicht solche Forderungen der Gewerkschaften provoziert?
Die Politik sollte sich sinnvollerweise immer aus den Tarifverhandlungen heraushalten und sich nicht anmaßen, die Tarifverhandlungen anstelle von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu führen. Insofern würde ich Ihnen im Prinzip Recht geben. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass die Arbeitnehmer die Erwartung haben, am Aufschwung und dem Erfolg der Wirtschaft in Deutschland beteiligt zu werden. So weit das nicht über Löhne möglich ist, gilt der alte Grundsatz, dass mehr Netto für die Arbeitnehmer übrig bleiben muss. Hier ist die Politik gefragt.
Gibt es in dieser Legislaturperiode noch Spielräume für mehr Netto?
Die Reihenfolge wird sein müssen, dass wir die Staatsverschuldung und die Haushaltssanierung in den Griff bekommen. Dann steht die Frage nach mehr Netto noch konkreter an. Allerdings haben wir in zwei Bereichen erste Erfolge errungen: bei der Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge und bei der Umsteuerung der Finanzierung der Krankenkassen. Die Kinder werden mittelfristig nicht mehr aus Beiträgen finanziert sondern aus Steuern.

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Wird der Wirtschaftsstandort Deutschland lahmgelegt, wenn in der kommenden Woche noch die Lokführer die Arbeit niederlegen?
Ich hoffe, dass die Warnstreiks im Öffentlichen Dienst möglichst schnell beendet werden können ohne große weitere Belastung für die Bevölkerung. Für den Streik bei den Lokführern hat sicher kaum jemand mehr Verständnis. Hier sollte man sich über die noch ausstehenden Einzelheiten schnellstmöglich einigen.
Sie sagen, die Politik sollte sich bei Tarifverhandlungen heraushalten. Im Öffentlichen Dienst ist sie aber auf der Arbeitgeberseite Verhandlungspartner und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee vermittelt bei der Bahn. Was sollen diese Politiker jetzt machen?
Die Tarifverhandlungen müssen von denjenigen geführt werden, die damit beauftragt sind. Es ist eine schwere Aufgabe, die Haushaltssituation in Bund, Ländern und Gemeinden in Übereinstimmung zu bringen mit den Forderungen der Arbeitnehmer, die auch im öffentlichen Bereich an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben wollen. Man muss aber berücksichtigen – und das werden die Arbeitnehmer auch sicher tun – dass die Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst im Vergleich zu anderen Bereichen sehr sicher sind.
Gefährden die Streiks die Stabilität Deutschlands?
Nein. Über die Stabilität mache ich mir eher Sorgen, wenn ich die Einbeziehung der Linken in die Koalitionsüberlegungen in Deutschland denke. Die Konflikte werden ja dadurch auch nicht geringer, wie der Streik der Arbeitnehmer bei den Berliner Verkehrsbetrieben gegen die Positionen des rot-roten Senats in Berlin zur Zeit zeigt.
Lio