Kapitalismusdebatte Nach der Kritik die Konsequenz

Die "Macht des Kapitals" sei eine Gefahr für die Demokratie, hatte Franz Müntefering in den vergangenen Tagen propagiert und damit eine Kapitalismusdebatte ausgelöst. Jetzt will die SPD auf die Worte ihres Chefs auch Taten folgen lassen.

Die Kapitalismuskritik von SPD-Chef Franz Müntefering soll nach dem Willen von Gewerkschaften und führenden Sozialdemokraten konkrete Konsequenzen haben. Müntefering hatte in der vergangenen Woche die rücksichtlose Profitorientierung von Teilen der Wirtschaft angeprangert. In einer Rede zum neuen SPD-Grundsatzprogramm hatte er davon gesprochen, dass die "wachsende Macht des Kapitals" die Demokratie gefährde und dabei vor allem von Gewerkschaft- und Kirchenrepräsentanten Unterstützung bekommen.

Jetzt will die SPD prüfen welche konkreten Gesetzgebungsmöglichkeiten es gibt, die Situation zu ändern, sagte der Vorsitzenden des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses, Rainer Wend (SPD). Ein SPD-Kongress am 13. Juni soll für den Parteitag im Herbst Fragen der Unternehmer-Ethik erörtern.

Manager solle Gehälter offen legen

Als Beispiele für Maßnahmen nannte Wend dem "Handelsblatt" neben dem Entsendegesetz auch die Offenlegung von Managergehältern sowie Initiativen auf europäischer Ebene, "um die Erpressbarkeit durch Unternehmen zu reduzieren". Dabei habe er vergleichbare Steuerbemessungsgrundlagen und "eine gewisse Spannbreite bei den Steuersätzen" im Auge. Auch über das Thema Verlustverrechnung müsse die SPD neu nachdenken.

Unterstützung für ihre Pläne erhält die SPD vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Die stellvertretende DGB-Chefin Ursula Engelen-Kefer forderte in der "Passauer Neuen Presse" eine EU-weite Mindestbesteuerung für Unternehmen, eine Ausweitung des Entsendegesetzes sowie eine Spekulationssteuer.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller mahnte dagegen eine Grundsatzdebatte an. Es gehe nicht darum, die Wirtschaft zu beschimpfen, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Man müsse grundsätzlich fragen, "ob mit den bisherigen Methoden eine soziale Marktwirtschaft überhaupt machbar ist". Die SPD müsse dem Eindruck entgegenwirken, dass sie die Debatte nur aus wahltaktischen Gründen führe.

Diskussion könnte Investoren abschrecken

Als durchaus berechtig hält auch der Direktor des neuen Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, die Kritik des SPD-Vorsitzenden. Müntefering habe eine Wertediskussion angeschoben, die in anderen Ländern längst so geführt werde, sagte Straubhaar. Allerdings könne die Diskussion mittel- und langfristig Investoren abschrecken. Das sah der Präsident der US-Handelskammer in Deutschland, Fred Irwin, anders: "Für mich ist das ein reines Wahlkampfthema, das keine tief greifenden Änderungen in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft hinterlassen wird", sagte er dem Wirtschaftsmagazin "Focus-Money".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Unverständnis bei Henkel

Auf vollkommenes Unverständnis stieß die Kapitlismuskritik bei Hans-Olaf Henkel. Der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) fühlt sich durch die Diskussion an die 30er Jahre, die Zeit der Machtübernahme der Nazis in Deutschland, erinnert. Im ZDF-Morgenmagazin sagt Henkel, dass ihn Münteferings Äußerungen an den Geschichtsunterricht erinnerten. Auch in den 30er Jahren seien ausländische Investoren für die Misere in Deutschland verantwortlich gemacht worden. Der Präsident der Leibniz-Gesellschaft reagierte damit insbesondere auf Münteferings Vergleich ausländischer Investoren mit einer Heuschreckenplage. Dies sei "ziemlich starker Tobak". Zwar gebe es einige schwarze Schafe, deshalb dürfe man aber nicht das gesamte System verunglimpfen.

AP
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