Koalitionsgespräche Mehr und länger arbeiten

Trotz der Verständigung in vielen Bereichen ringen Union und SPD in den Schlüsselfragen der Haushalts- und Gesundheitspolitik weiter um eine Einigung. Sicher ist, dass das Rentenalter angehoben wird und Beamte sich auf längere Arbeitszeiten einstellen müssen.

Die Beschäftigten des Bundes müssen sich auf längere Arbeitszeiten einstellen. Dies haben Union und SPD am späten Montagabend bei einem weiteren Spitzengespräch in Berlin verabredet. Wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nach der dreistündigen Runde in der SPD-Zentrale mitteilte, soll die wöchentliche Arbeitszeit der rund 150.000 Bundesbeamten von derzeit 40 auf 41 Stunden erhöht werden.

Beide Seiten sind nach übereinstimmenden Angaben auch in der bislang umstrittenen Frage der Haushaltssanierung ein "wesentliches Stück vorangekommen". Wie der designierte SPD-Finanzminister Peer Steinbrück und Koch nach dem dreistündigen Treffen ferner erklärten, soll über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer erst in der Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen entschieden werden.

Rente mit 67

Union und SPD vereinbarten, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter allmählich von 65 auf 67 Jahre steigen soll. CDU-Generalsekretär Volker Kauder versicherte, kurzfristige Rentenkürzungen werde es nicht geben. Doch werde die große Koalition die Altersgrenze ab 2010 schrittweise anheben; Schlusspunkt sei das Jahr 2030. Wer jedoch 45 Versicherungsjahre nachweisen kann, solle ohne Abschläge wie bisher mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen können.

Es gebe gute Chancen, im Laufe der Woche eine endgültige Einigung zu erzielen, sagte Steinbrück. Nach seinen Angaben waren sich beide Seiten einig, dass es sowohl Ausgabenkürzungen wie Einsparungen in der Verwaltung geben müsse. Geplant sei auch eine weitere Kürzung des Weihnachtsgeldes für die Bundesbediensteten. Steinbrück und Koch legten Wert auf die Feststellung, dass es bei dem Spitzengespräch nicht nur um Lasten für die Bürger, sondern auch um Einsparungen auf der Ausgabenseite gegangen sei.

Einigung wird bis Freitag erwartet

Zuvor hatten Union und SPD in der großen Koalitionsrunde einen Großteil der bisherigen Hindernisse für ein Bündnis aus dem Weg geräumt. Beide Seiten streben eine Einigung bereits an diesen Freitag und nicht erst am Samstag an. Strittig sind weiterhin die Themen Steuern und Ausgaben, Gesundheit, Pflege sowie Kündigungsschutz - dagegen ist die Einigung bei der jahrelang umstrittenen Föderalismusreform in trockenen Tüchern.

Nach der nur knapp zweistündigen Verhandlungsrunde in großer Besetzung gaben sich die Generalsekretäre Volker Kauder (CDU), Markus Söder (CSU) und der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz, zuversichtlich, dass die Grundlagen für das Bündnis bis Ende der Woche erarbeitet sein werden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Reichensteuer und Mehrwertsteuererhöhung sind weiter unklar

Nach der Föderalismus-Einigung werden die Zuständigkeiten von Bund und Ländern deutlich entflochten. Bindende Vereinbarungen seien ferner für die Bereiche Inneres, Verteidigung, Landwirtschaft und Verkehr getroffen worden. Die geplante Koalition will auch an der Grundstruktur des Bafög festhalten. Im Verkehrsbereich soll es "mindestens eine Transrapidstrecke" in Deutschland geben.

Beim außenpolitischen Streitthema Türkei ist nach Söders Angaben klargestellt worden, dass die seit 3. Oktober laufenden Verhandlungen mit Ankara mit einem "offenen Ausgang" geführt würden und dass es keinen "Automatismus" für eine Aufnahme der Türkei in die EU gebe.

Nach wie vor unklar bleiben die Behandlung der von der SPD gewünschten "Reichensteuer" und das Ausmaß der von der Union favorisierten Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die SPD wartete bei der Sitzung ihrer Spitzengremien mit einer neuen Variante auf: Der scheidende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering schlug im Parteirat vor, den erhöhten Steuersatz schon ab 130.000 Euro für Ledige und ab 260 000 Euro für Verheiratete wirksam werden zu lassen.

Unklar ist die Behandlung beim ALG II

Bislang hatte die SPD vorgesehen, den dreiprozentigen Sonderzuschlag zur Einkommenssteuer für Spitzenverdiener mit einem Jahreseinkommen ab 250.000 Euro und 500.000 Euro (Ledige/Verheiratete) zu erheben. Steinbrück wies Forderungen aus den eigenen Reihen zurück, die "Reichensteuer" zur Bedingung für eine höhere Mehrwertsteuer zu machen.

Unklar ist die Behandlung beim Arbeitslosengeld II (ALG): Diese Unterstützung könnte nach Überlegungen in der Union möglicherweise auf einen Durchschnittswert in West (345 Euro) und Ost (331 Euro) angeglichen werden.

AP · DPA
DPA/AP