Neue Rechtschreibung Strohfeuer im Lager der Reformskeptiker

Es war lediglich ein kurzes Aufflackern in der lange schwelenden Debatte um die neue Rechtschreibreform: Die CDU hatte bei der Ministerkonferenz einen Aufschub der neuen Regelungen geforderte - und war gescheitert.

Es bleibt dabei: Die unstrittigen Teile der Rechtschreibreform werden, wie von den Kultusminister beschlossen, zum 1. August dieses Jahres für Schulen und Behörden verbindlich. Die SPD-Ministerpräsidenten haben einen entsprechenden Vorstoß der Unions-Regierungschefs abgelehnt. Zuvor war es in Berlin zu einem neuem rot-schwarzen Schlagabtausch gekommen. Die unionsgeführten Länder wollten die Einführung der überarbeiteten Regeln komplett um ein Jahr verschieben.

Etappen im Streit um die Rechtschreibreform:

Juli 1996: Nach mehr als zehnjähriger Beratung einer Expertenkommission unterzeichnen deutschsprachige Länder eine Erklärung zur Rechtschreibreform.

Oktober 1996: 100 Schriftsteller und Wissenschaftler die unterschreiben die "Frankfurter Erklärung" für einen Stopp der Reform.

1. August 1998: Die neue Rechtschreibung tritt für alle Schulen und Behörden in Kraft. Die Übergangszeit, in der auch die alte Schreibweise erlaubt ist, endet zum 1. August 2005.

August 2000: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung appelliert an Zeitungen, Verlage, Betriebe und staatliche Stellen, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren.

Februar 2002: Die neue Schreibweise ist laut der Zwischenstaatlichen Kommission weitgehend im Alltag angekommen. 80 Prozent aller im vergangenen Jahr neu erschienenen Bücher seien so verfasst.

Juli 2004: Die Mehrzahl der 16 Ministerpräsidenten plädiert dafür, die neuen Regeln, wie von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen, zum 1. August 2005 verbindlich einzuführen.

17. Dezember 2004: Der Rat für deutsche Rechtschreibung konstituiert sich in Mannheim. Die Expertengruppe soll Empfehlungen zu besonders strittigen Punkten geben.

April 2005: Der Rat plädiert dafür, die Rechtschreibreform teilweise rückgängig zu machen, beispielsweise wieder mehr Verben zusammenzuschreiben.

2. Juni 2005: Die KMK beschließt einstimmig, unstrittige Teile der Reform wie geplant zum 1. August für Schulen und Behörden einzuführen. 15.6.2005: Der Rat will bis zum Sommer 2006 die noch strittigen Reformteile überarbeitet haben. Das kündigte der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair vor dem Bundestags-Kulturausschuss an.

Doch die Rechnung hatte die Union ohne die SPD gemacht. Die SPD-Länder haben den Wunsch der Unions-Ministerpräsidenten nicht akzeptiert. Da ein Aufschub nur einstimmig beschlossen werde kann, bleibt es also bei dem Beschluss der Kultusminister. Die Einführung der Rechtschreibreform wird nicht aufgeschoben, bestätigte auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU).

Strittige und unstrittige Teile

Nach den Vorstellungen der Unionsländer hätte der Aufschub bis 2006 dem Rat für deutsche Rechtschreibung die Möglichkeit gegeben, auch die strittigen Reformteile zu überarbeiten. Die Kultusministerkonferenz hatte bei der Reform zwischen einem strittigen und unstrittigen Teil unterschieden. Verbindlich in Kraft treten sollte die Neuregelungen bei der Laut-Buchstaben-Zuordnung, der Schreibung mit Bindestrich sowie der Groß- und Kleinschreibung. Änderungen sollten dagegen noch in den besonders umstrittenen Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Worttrennung und Interpunktion möglich sein. In den Schulen sollte demnach auch nach dem 1. August bis zu einer endgültigen Klärung die seit 1996 praktizierte Toleranzregel gelten. Diese sieht vor, dass alte Schreibweisen zwar markiert, aber nicht als Fehler gewertet werden.

Jürgen Rüttgers, der neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hatte die Unterteilung in strittige und unstrittige Teile von Anfang an nicht akzeptiert. "Ich frage mich, warum die Kultusministerkonferenz wichtige Entscheidungen um ein Jahr vertagt hat", hatte er kritisiert und gefordert, dass der Rat für Rechtschreibung erneut Vorschläge machen solle, "um die verkorkste Reform zu reparieren". Lehrer und Studenten bräuchten endlich Klarheit über die Rechtschreibung, hatte der CDU-Politiker verlangt.

Ärger ohne Ende

Der Ärger um die neue Rechtschreibung tobt bereits seit ihrer Einführung 1996. Sowohl Deutschland als auch Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und die Länder mit deutschsprachiger Minderheit hatten eine entsprechende Erklärung nach mehr als zehnjähriger Beratung einer Expertenkommission unterschrieben. Doch der Ärger über das neue Regelwerk ließ nicht lange auf sich warten. Schriftsteller und Lehrer wehrten sich genauso dagegen wie mancher Politiker. Auf der Frankfurter Buchmesse unterschrieben ein halbes Jahr nach der Erklärung hundert Schriftsteller und Wissenschaftler die "Frankfurter Erklärung" für einen Stopp der Reform. Eine entsprechende Klage wies das Bundesverfassungsgericht im Juli 1998 als unbegründet ab. Führende Zeitschriften- und Zeitungsverlage gingen sogar soweit, dass sie sich den neuen Regeln komplett verwehrten. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kehrt zur alten Schreibweise zurück. Vier Jahre später folgt der Axel-Springer-Verlag.

Nach erneutem Ärger im vergangenen Sommer setzte die Kulutsministerkonferenz schließlich den Rat für deutsche Rechtschreibung ein. Dieser überprüft seit Ende vergangenen Jahres mögliche Änderungen in den besonders umstrittenen Bereichen. Die Expertengruppe soll Empfehlungen zu besonders strittigen Punkten geben.

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