An diesem Tag ist die gelernte Friseurin Roswitha Beck wieder einmal als Amtsgattin unterwegs. Sie trägt, anders als bei sonstigen Auftritten, Jeans und einen Ringelpullover. Ihre Haare liegen in sanfter Welle auf den Schultern, ihre lang bewimperten Lider schimmern rosé über taubenblauem Rand. Rosi Becks Outfit soll wohl ein niederschwelliges Angebot sein, dem Einsatzort angemessen. Ein strenger Hosenanzug hätte das Publikum an diesem Morgen möglicherweise verschreckt. Sie kennt sich aus mit den Menschen und auch mit dem Schrecken. Gleich wird Frau Beck die Aktionswochen eines Freizeitparks eröffnen, mit Handschlag und Rede. Sie hat das oft schon gemacht. Und doch wirkt Wolfgang Schneider, der Besitzer des "Holiday Parks", der mit seiner Frau, dem Geschäftsführer und einem Pressesprecher den hohen Besuch in Empfang nimmt, ein wenig enttäuscht vom legeren Auftritt der rheinland-pfälzischen First Lady und ihrer überschaubaren Entourage. Jedenfalls überlässt er Rosi Beck schon nach wenigen Minuten dem Gespräch mit seiner Frau. Und der Fahrer, den die Staatskanzlei ihr sicherheitshalber zur Seite gestellt hat, macht sich unsichtbar.
Bei einer Karin Stoiber etwa, um nur mal eine zu nennen, wären früher mindestens eine Referentin fürs Tragen der Handtasche und eine Pressefrau fürs Tragen des Redemanuskripts mitgelaufen, Fahrer und Bodyguards sowieso. Doch Rheinland-Pfalz ist ärmer als Bayern und wohl auch bescheidener. Meist fährt Rosi Beck deshalb selbst in ihrem hellblau-metallicfarbenen Mercedes zu Terminen, die ihr eine Sekretärin aus dem Büro des Ministerpräsidenten aufgelistet hat. Und ihre Ansprachen formuliert sie auch selbst: "Ich sage immer: Wenn es die kostenlosen 'Rosa Wochen' für die Bedürftigen nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden." Es dauert immer ein Weilchen, bis man sich an den Singsang ihres Dialekts gewöhnt hat, daran, dass die letzte Silbe opernhaft in die Höhe geht. Rosi Becks Sprache kann sehr ruppig sein, dann wieder sanft und säuselnd. Ruppig ist sie immer dann, wenn sie mit Journalisten spricht. Aus Angst, nur ein Wort zu viel sagen zu können, klingt jeder Satz dann wie eine Empörung. "Waren Sie im Urlaub, Frau Beck?" - "Ja, in mei’m Gadd'n! Müssen Sie das wissen?" - "Ich frag nur, weil Sie so braun sind ..." - "Isch hab Blume gesetzt! Reicht das?"
Die Unverbogene
Als Rosi Beck einmal bei Frank Elstner in die SWR-Sendung "Menschen der Woche" eingeladen ist, bleibt sie selbst beim Grandseigneur der freundlichen Vernehmung misstrauisch. Frau Beck, Sie haben eine Minute Zeit, sagt Elstner, machen Sie mal Werbung für die Pfalz. "Die Weinfeste", sagt sie auftrumpfend wie eine Quizkandidatin. Dann, als er ihr nicht sagt, dass die Antwort richtig ist, beginnt sie zu raten: "Das gute Essen?" Er nickt. "Die Pälzer Fleeschknepp, der Pälzer Saumagen", zählt sie auf. Elstner findet es großartig, dass die 59-jährige Roswitha Beck noch so "spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist". Er kenne so viele abgehobene Leute, sagt Elstner. Rosi Beck jedoch sei auch an der Seite eines Spitzenpolitikers die unverbogene Frau geblieben, die sie vorher war. Eine Frau, in deren Gesicht die Kamera keinen bösen Gedanken findet und kein falsches Lächeln in den Mundwinkeln. Natürlich aber gilt eine, die in Baden-Baden noch als charakterfest gerühmt wird, im abgehobenen Hauptstadtgesumse der Berliner Republik bereits als Provinzpute. Kann ja nicht anders sein. Schon deshalb, weil auch an Kurt Beck das Etikett des Provinzlers klebt: Nah bei den Menschen, ab vom Schuss. Na und?
Auf eigene Weise ist Rosi Beck bis heute bemüht, irgendwie sexy zu wirken. Sie macht sich gern schön. Sie zieht Sachen mit Spaghetti-Trägern an. Und ein- bis zweimal in der Woche arbeitet sie in einem Frisiersalon in Bad Bergzabern. Strähnchen und Schnitte, so haben sich Kurt Beck und seine Frau das vor langer Zeit geschworen: "Egal, was kommt, jeder macht weiter wie vorher." Wer denn die größten Pfälzer aus ihrer Sicht seien, fragte Moderator Elstner in jener Sendung noch. "Fritz Walter, Ottmar Walter", antwortet die fußballverrückte Frau Beck wie aus der Ecke geschossen. Seit Jahren sitzt sie neben dem Mann, dem Bruder, dem Sohn, neben Nichten und Neffen mit Dauerkarte beim 1. FC Kaiserslautern auf der Tribüne am Betzenberg, egal, in welcher Liga der gerade spielt. "Der Horst Eckel", ergänzt sie ihre Favoritenliste, "und unser Herr Kohl natürlich." Drei Fußballer, ein CDU-Kanzler. Sie hätte auch "mein Mann" sagen können. Aber das Beste fällt ja jedem, der unvermittelt im Fernsehen Leuten gegenübersitzt, die er nur aus dem Fernsehen kennt, immer erst hinterher ein.
"Erzähl mir keiner was von Berlin!"
Rosi Beck hatte nicht darum gebeten, First Lady zu werden. Sie hatte für ihr Leben keinen Ehrgeiz, eine Gattinnen-Karriere à la Doris Schröder-Köpf (Büro im Kanzleramt) oder Christa Müller-Lafontaine ("Blonde Eminenz" hinter Oskar) hinzulegen. Sie will bis heute weder politische Debatten anzetteln noch Bücher schreiben, noch dauernd bei Beckmann sitzen. Nein, nein, ihr reicht es schon, wenn sie unter den Blicken der Fernsehmeute einen Eröffnungstanz in der Rheingoldhalle absolvieren muss. Vor Monaten, als Kurt Beck nach seinem unglücklichen Lavieren in der Frage, ob Andrea Ypsilanti mit der Linken paktieren solle oder nicht, als Beck danach krank zu Hause lag, haben Fotografen das Familienhaus in Steinfeld an der elsässischen Grenze über Wochen belagert. Einmal haben sie sogar beim Schwiegervater angerufen, der 87 ist und von ihr gepflegt wird. "Das war doch nicht mehr normal", findet Frau Beck. Irgendwann einmal haben sie ihr angedichtet, sie meide Berlin, die Stadt sei ihr einfach "eine Spur zu hoch". Nie habe sie so etwas gesagt, schimpft Roswitha Beck, "ich bin dauernd in Berlin. Ich treffe mich mit Experten, mit Jugend- und Kinderpsychologen. Erzähl mir keiner was von Berlin!"
Sie glaubt inzwischen, dass es Blätter gibt, die sie schmähen wollten, um ihn zu treffen. So wurde aus der selbstsicheren Roswitha Beck eine waidwunde Person. Eine, die starr wirkt, wenn sie mit ihm einen Saal betritt. Eine Frau, die sich an der Seite ihres Mannes wie geröntgt fühlt und wie von Stalkern verfolgt. Alles, was mit seiner Welt zu tun hat, erscheint ihr inzwischen fast wie eine Bedrohung. Es ist eine "Déformation professionnelle", eine Berufskrankheit. Nur dass es gar nicht ihr Beruf ist, der ihr dieses Gefühl eingebrockt hat. Roswitha Beck versucht, tapfer zu sein, wenn der Spott in kalten Güssen über ihn kommt, wenn er angegriffen wird, wenn er in Umfragen stürzt. "So was steckt man weg", erklärt sie im Ton einer Soldatenfrau, "wir hatten sehr gute Zeiten und sehr schlechte Zeiten - mal ist man oben, mal nicht." Nicht oben, das scheint, wenn man es mit den blauen Augen der Beck betrachtet, der bessere Zustand zu sein.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Das Fräulein Starck ist ein junges Mädchen aus Knittelsheim, das beim Tanzen den Mann seines Lebens kennenlernt. Roswitha wird schwanger, wird Frau Beck, und als sie 20 ist, kommt Sohn Stefan auf die Welt. Dann will ihr junger Ehemann nach der Bundeswehrzeit zur Abendschule, und sie geht wieder arbeiten. Sie pflegt den Garten und kümmert sich um seine Eltern, die gleich nebenan wohnen. Das Leben ist überschaubar und geregelt. Es gibt beste Freundinnen und lustige Kolleginnen. Es gibt getrennte Urlaube und gemeinsames Radeln an der Mosel. Er sei ihr Traummann, sagt sie und schneidet ihm die "Meerschweinchenhaare" bis heute "kurz und flott". Sie sei seine Traumfrau, sagt er. Als Kurt Beck 1994 erst Ministerpräsident und im Jahr 2006 zum Bundesvorsitzenden der SPD hochkatapultiert wird, da wird auch sie aus einem unbeschwerten Leben am Rand der Republik auf die Bühne geschubst. Nun soll sie sich in einer Welt behaupten, die nicht ihre ist und nie wird, soll sie in Auditorien Reden halten und im Fernsehen Interviews geben.
Sie wird stets unterschätzt
Weil das bei den First Ladys der Bundesländer üblich ist, muss sie sich eine Benefizaufgabe suchen, der sie ihr Engagement als Landesmutter widmen will. Sie lässt sich keines aufdrücken, sie weiß sofort, was sie machen will, und sucht nach Verbündeten aus Politik und Unterhaltung. Sie gründet den "Verein zur Unterstützung gemeindenaher Psychiatrie", dessen Kuratoriumsvorsitzende sie 1995 wird. Seither sammelt Roswitha Beck unermüdlich Spenden. Sie besucht große und kleine Psychiatrien. Sie lernt in Heimen und Wohngruppen die Nöte von magersüchtigen Mädchen und Zappelphilippen, von depressiven Kindern und ihren Eltern genauso intensiv kennen wie die des Pflegepersonals in den Großkliniken ihrer Region. Sie spricht auf Kongressen und Konferenzen, sie erwirbt sich damit Lob und Anerkennung, doch das Lampenfieber bleibt. Im Jahr 2006 zeichnet die "Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie" sie in der TU Berlin mit einem Ehrenpreis aus, weil sie "die Prinzipien des Empowerments, die andere erforscht und beschrieben haben, in Alltagshandeln umsetzt". Sie ermuntere psychisch Kranke, zu ihrer Krankheit zu stehen, soll das heißen. Sie habe sie aus dem Schatten geholt.
Roswitha Beck wird, genau wie ihr Mann, stets unterschätzt. Für alle hätten die Medien Platz, klagte sie dem Fernsehmoderator Dieter Thomas Heck, nur nicht für die vielen psychisch Kranken. Sofort versprach Heck zu helfen. Weil das ZDF ihm gerade die Live-Sendung "Verleihung der Goldenen Stimmgabel" gestrichen hat, fehlen Rosi Beck nun 15.000 Euro pro Jahr, mit denen sie Therapiezentren, Fördervereine und Selbsthilfegruppen unterstützen könnte. Heck hatte ihr immer die Saaleinnahmen seiner Sendung spendiert. Befreundet bleiben die Hecks und die Becks trotzdem. So schlagerbegeistert, wie alle vier sind! "Ich habe Rosi Beck als unglaublich lebensbejahende, temperamentvolle Frau schätzen gelernt", schwärmt DTH mit Hitparadenschmiss. Es klingt, als spräche er von Mary Roos oder von Wencke Myhre. Wenn es je dazu käme: Vielleicht würde Mary Beck in den Damenprogrammen der Staatsgipfel ja sogar mit Sängerin Carla Bruni-Sarkozy bella figura machen. Vielleicht wäre sie gleich eng mit der gesträhnten Swetlana Medwedjewa. Eben wegen ihrer blonden Haare, wegen ihrer Empathie. Wer weiß das schon? "Rosi Beck ist eine Frau, die ihren Mann jederzeit unterstützt", sagt Dieter Thomas Heck noch.
Man sprischt, wie mer sprischt
Auf dem Hamburger SPD-Parteitag im vergangenen Oktober galt "die Frau vom Beck" nach Ansicht Hamburger Damen in jedem Fall als "zu braun" und "zu blond". Und auch als "zu grob" im Ton, wenn sie mit ihrem Mann sprach. In der Welt der Frau Beck will man aber keine Strähnen, die so "natürlich" sind, dass man sie gar nicht erst sieht. Man ist blond oder nicht. Und man sprischt, wie mer sprischt. Und wenn man in die Sonne Andalusiens fährt, dann versucht man eben, so schön braun wie möglich zu werden. Hamburger Sozialdemokratinnen und das SPD-Mitglied Rosi Beck, die passen genauso wenig zusammen wie rote Niedersachsen und der bärtige Vormann. Als Hannelore Kohl sich in den Siebzigern an ihrer Heimorgel fotografieren ließ, war sie fortan "die Barbie aus der Pfalz". Blond, blöd, provinziell. Unter diesem Stigma hat sie lange gelitten. Als junge Frau hat sie sich deshalb gelegentlich vorgestellt, wie ihr Leben ohne seine Politikkarriere wäre. Mathematik wollte sie studieren. Mit zunehmendem Alter jedoch habe sie sich solche Gedanken verboten. Sie halte nichts von "künstlicher Unglücklichmacherei", sagte Hannelore Kohl 1998 dem stern. Da war sie über 60 und in ihrem Leben als Politikergattin endlich angekommen.
Im Nachhinein, so sinniert Roswitha Beck, die erst im Februar 60 wird, "da hätte ich vielleicht gern Psychologie studiert". Aber zu ihrer Zeit gab es nur Schule und Ausbildung, "wie es eben normalerweis' war". Und dann kam ja auch schon Sohn Stefan auf die Welt, der heute als Rechtsanwalt in Landau arbeitet. Es sind an diesem Morgen viele Menschen in den "Holiday Park" nach Haßloch gekommen. Missbrauchsopfer, Kinder mit Downsyndrom, mit spastischen Lähmungen. Ordensschwestern, Zivis, Betreuer. Es sind viele da, die Rosi Beck seit langer Zeit schon kennt. Sie winkt hinauf zur Tribüne, sie lacht, sie ist holidayblond. Sie hat gerade begonnen zu plaudern, da kommt ein Reporter mit Tonband und fragt, welche drei Wünsche sie als Kuratoriumsvorsitzende spontan an die Politik hätte. Politik! Rosi Beck ist umgehend der Tag vermasselt. Sie ist genervt, sie überlegt. "Akzeptanz", antwortet sie schnell, "mehr Ambulanz. Und Fördermittel". Der Reporter bedankt sich.
Kurze Rede, langer Sinn
Dann tritt die Landesmutter ans Mikrofon, um ihre Ansprache zu halten. Sie heißt willkommen, sie überbringt Grüße des Ministerpräsidenten, sie dankt den Veranstaltern, "und nun, kurze Rede, langer Sinn: Die 'Rosa Wochen' sind hiermit eröffnet". Applaus, Jubel, man überreicht der Schirmherrin einen Blumenstrauß. Ihr Teint leuchtet in der Sonne. Gerade noch war sie Amtsgattin. Jetzt ist sie in Sicherheit.