Füssen AfD-Politiker mit "Pisser" beleidigt: Stadtrat muss hohe Geldstrafe zahlen

Eine "FCK-AfD"-Fahne: Das Motto verwendete Stadtrat Thomas Scheibel auch in seinem Facebook-Kommentar
Eine "FCK-AfD"-Fahne: Das Motto verwendete Stadtrat Thomas Scheibel auch in seinem Facebook-Kommentar. Ausschlaggebend für die Geldstrafe war die Wendung "Euch Pissern"
© Michael Bihlmayer / Picture Alliance
Ein Füssener Stadtrat kassierte eine Geldstrafe, nachdem er einen AfD-Politiker beleidigt hatte. Der Fall zeigt: Die AfD nutzt die Paragrafen, die sie selbst anprangert.

Mittlerweile dürfte sich Thomas Scheibel wieder beruhigt haben. Der Stadtrat aus Füssen, Mitglied der Freien Wähler, hat wegen Beleidigung eines AfD-Politikers eine Geldstrafe erhalten. Zu 6000 Euro verdonnerte ihn das Landgericht Kempten, zu zahlen an gemeinnützige Organisationen. Scheibel überwies die Summe je zur Hälfte an einen Hospizverein und an einen Tierschutzverein. Als er den Strafbefehl im Frühjahr erhalten hatte, war er noch ziemlich wütend geworden.

Damit ist die Angelegenheit juristisch ausgestanden. Dennoch bleibt der Eindruck hängen, dass die AfD, wenn sie selbst verbal angegangen wird, genauso empfindlich reagiert, wie sie es in schöner Regelmäßigkeit den politischen Gegnern vorwirft. Die Partei nutzt dann die juristischen Mittel, die sie selbst mithilfe einer rechten Troll-Meute in den sozialen Medien als staatliche Zensurinstrumente anprangert.

AfD ist "Haufen aus Faschisten und Rassisten"

Was war passiert? Der Füssener Stadtrat hatte im September 2024 auf Facebook den Bericht einer Lokalzeitung mit folgenden Worten kommentiert: "Wenn es nicht so ernst wäre, wäre es schon fast witzig, wenn dir ein Haufen aus Faschisten, Rassisten, Corona-Leugnern und Putin-Verstehern die Welt erklären will. Vollen Respekt und Dank an den Hogauer Lehrer, weiter so. FCK AfD, von euch Pissern lassen wir uns nicht mundtot machen. Ich hoffe, das war neutral ausgedrückt."

Mit den "Pissern" war (unter anderem) der Allgäuer AfD-Politiker Wolfgang Dröse gemeint. In dem Artikel ging es um einen Beschwerdebrief Dröses an den Direktor des Gymnasiums Hohenschwangau gewandt: Ein Lehrer habe dort angeblich gegen das Neutralitätsangebot verstoßen, monierte der AfD-Mann, weil er Schüler auf die Demonstration "Füssen ist bunt" hingewiesen habe. 

Druck auf Schulen auszuüben, ist gängige Praxis der AfD bundesweit. Es gehört zum festen Bestandteil ihres Kulturkampfes.

Für Dröse war der Kommentar zu viel der verbalen Freiheit. Er stellte Strafantrag gegen Scheibel und andere Kommentatoren des Artikels. Grundlage ist der Straftatbestand, der  "gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung" ahndet. Er war erst 2021 unter der damaligen Großen Koalition ausgeweitet worden.

Scheibel wollte seine alte Schule unterstützen

Scheibel sagte, ihm sei es ein Anliegen gewesen, sich schützend vor die Schulfamilie des Gymnasiums zu stellen, das er selbst besucht hatte. Er habe Schüler und Lehrer ermutigen wollen, sich nicht von der AfD einschüchtern zu lassen, deshalb sei seine Wortwahl deutlicher ausgefallen. So berichtete es die "Süddeutsche Zeitung".

Verschlimmert wurde die Angelegenheit für den Stadtrat dadurch, dass das Amtsgericht Kempten auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei ihm angeordnet hatte. Im Oktober des vergangenen Jahres standen auf einmal frühmorgens Polizeibeamte vor seiner Haustür und sollten Computer und Handy mitnehmen. Dem Beamten soll es laut Scheibel selbst peinlich gewesen sein. Sie gingen, ohne etwas einzukassieren. Scheibel legte gegen die Hausdurchsuchung Beschwerde ein und bekam vom Landgericht Kempten recht. Die Hausdurchsuchung war rechtswidrig. Immerhin ein kleiner Sieg.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die Berufung Scheibels gegen den Strafbefehl war hingegen nicht erfolgreich. Er musste zahlen, offiziell ist damit das Verfahren gegen ihn beendet. In einer Mitteilung dazu schreibt Scheibel: "Ich habe das gern getan, weil das Geld wenigstens einem guten Zweck zufließt und nicht in der Staatskasse verschwindet. Trotzdem bleibt der bittere Beigeschmack, dass ein demokratisch gewählter Mandatsträger für eine politische Meinung zahlen muss, während der Staat für seine rechtswidrigen Maßnahmen keinerlei Verantwortung übernimmt."

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