Kommentar zur Länderspielabsage Man hätte das Spiel in Hannover nicht so symbolisch aufladen dürfen

Die Absage des Länderspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden in Hannover war richtig. Aber: Die Rückkehr zur Normalität wird nicht so schnell gelingen. Auch nicht durch Weiter-so-Trotz.

Keine Frage: Natürlich war es richtig, das Fußballländerspiel zwischen Deutschland und Holland am Dienstagabend  in Hannover abzusagen. Wie substanziell auch immer die Gefährdungshinweise gewesen sein mögen - nicht auszudenken, welche Katastrophe sich ereignet hätte, wenn sich die Verantwortlichen im Zweifel für die Unsicherheit entschieden hätten.

Dies als Vorspruch für ein vorläufiges bitteres Fazit, vier Tage nach den Terroranschlägen von Paris: Ja, wir sind verwundbar, auch wenn an diesem Abend in Hannover niemand durch Terroristenhand gestorben ist. Und: Nein, die Rückkehr zur Normalität wird so schnell nicht gelingen, schon gar nicht durch symbolisch zur Schau gestellten Weiter-So-Trotz.

Niederlage unserer freien Gesellschaft

Denn dies ist leider auch ein Fazit, das gezogen werden muss: Die Niederlage, die unsere freie Gesellschaft durch die Absage des Länderspiels erlitten hat, ist auch deshalb so bitter, weil die symbolische Aufladung im Vorfeld so hoch war. Sie war sogar zu hoch. Deutschland-Holland, das hatte auf einmal nicht wie gewohnt das Duell zweier Erzrivalen sein sollen - nein, irgendwie sollten da 22 Akteure auf dem Platz 90 Minuten gegen einen imaginären Gegner kicken: den Terror, der ab sofort immer und überall lauern kann.

Das hätte man sich ersparen können - und vielleicht wird das eine der Lehren für die kommenden Wochen und Monate sein müssen: The games must go on, ja! Aber das Gerede darüber, dass die Spiele weitergehen sollen, das sollte tunlichst aufhören. Nur so kehrt man zur Normalität zurück. Mit dem nötigen Quantum, ja, Gelassenheit.  In zwei Tagen beginnt der 13. Bundesliga-Spieltag mit der Begegnung HSV - Borussia Dortmund. Es wäre schön, dies frühzeitig als ganz normales Fußballspiel begreifen zu dürfen.

Ein Beweis der Ohnmacht

Es sahen viele nicht gut aus, an diesem Abend von Hannover. Wer vor dem Fernseher saß und zwischen ARD und ZDF hin und her zappte, der konnte sie förmlich mit Händen greifen - die Verunsicherung, die eine Gesellschaft erfassen kann, wenn die Gründe für gravierende Entscheidungen im Dunkeln bleiben. Die Berichterstattung hatte den bedrohlichen Unterton, als ob jederzeit etwas Furchtbares passieren könnte. Lange noch nachdem ganz offensichtlich war, dass das Stadion hatte evakuiert werden können, wurden immer noch Fragen gestellt, ob wirklich alle in Sicherheit seien. Die TV-Sender mussten Strecke machen, auf Basis einer einzigen, dürren Nachricht: Nämlich, dass das Spiel abgesagt ist. Doch je öfter sich die Unwissenheit der Reporter offenbarte desto stärker verfestigte sich der Eindruck der Unwissenheit.

Das galt auch für den Auftritt von Innenminister Thomas de Maizière, der in der Sache wegen ermittlungstaktischer Gründe nichts Konkretes mitzuteilen hatte und stattdessen um Vertrauensvorschuss bat. Wie aber soll der in solch einer Situation entstehen, wenn alles im Unklaren bleibt? So wirkte auch de Maizieres Auftritt wie ein Beweis für die Ohnmacht freier Gesellschaften, die sich nicht sicher sein können, ob die Terrorhinweise, die sie erreichen, substanziell sind oder nur falscher Alarm.