Zwischenruf Wenn das Brot Millionen kostet

  • von Hans-Ulrich Jörges
Es gibt kein zweites Thema, das die Deutschen so beschäftigt - aber öffentlich gar keine Rolle spielt: eine Währungsreform. Propheten, Scharlatane und Geschäftemacher treiben ihr Spiel mit den Ängsten.

Selbst der Jungbauer denkt schon die Apokalypse. "Wie stehen die Wetten für den Zusammenbruch des Papiergelds in der jetzigen Form bis Ende 2009? Was ist heuer als Landwirt diesbezüglich zu tun?", fragt "Caramba" im "Landtreff", einer Internet- Community des modernen Traktoristen.

"SHierling" weiß Rat: "Ich hab Ferkel, und hier in der Gegend feiert die Tauschwirtschaft schon seit einigen Jahren fröhliche Urstände, mich trifft das nur wenig. Von meinen letzten Milliarden würde ich wohl versuchen, ne kleine Windkraftanlage aufs Grundstück zu setzen …"

"Schakschirak" empfiehlt: "Mehr Handelsdünger streuen, dann hast du das Kapital in Form von Erzeugnissen auf dem Feld." Und "hans g" berichtet: "Die Tage war der Landmaschinenvertreter da und meinte, ich müsse jetzt dringend in Sachwerte investieren - neuen Schlepper. Ich hab gefragt, ob er Aktien als Zahlung akzeptiert …"

Ein Gespenst geht um in Deutschland, das Gespenst der Währungsreform. Die Staaten stopfen Hunderte von Milliarden in die schwarzen Löcher der Finanzkrise, ihre Schulden wachsen darüber ins Galaktische. Hierzulande türmen sich die Staatsschulden inzwischen auf fast 1,6 Billionen Euro - in 100-Euro-Scheinen, vier Stapel nebeneinander, reichte das in 422 Kilometer Höhe, dort oben könnte man dem Space Shuttle die Fenster putzen. Eine Hyperinflation also ist gängige Erwartung und eine Währungsreform in solcher Lage historische Erfahrung. Zweimal schon, 1923 und 1948, wurden Inflation und Schulden in Deutschland mit einem Währungsschnitt gekappt. Warum also nicht wieder?

Panikmache

Für Politik und Banken ist das kein Thema - Spinnerei, Panikmache. Im echten Leben aber wird darüber getuschelt und gestritten. Überall. Auch von Leuten, die eigentlich mit beiden Beinen auf der Erde stehen. Selbst von Experten, die rund um die Uhr mit Geld und Börse zu tun haben. Man kann da echte Überraschungen erleben. Es gibt kein zweites Thema, das so präsent ist - und doch so wenig öffentlich. In Sachwerte gehen, lautet gemeinhin der Rat, bloß kein Bargeld halten, Immobilien kaufen. Oder Gold. Makler bedienen diese Psychologie. Und der Goldpreis nährt sich von ihr - in den vergangenen fünf Jahren hat er sich fast verdreifacht.

"Zweimal schon, 1923 und 1948, wurden Inflation und Schulden mit einem Schnitt gekappt"

Das Internet ist die Couch der (Geld-)Nation, eine zweite Welt, die Welt der Ängste und Albträume. Propheten und Scharlatane halten dort Sprechstunde. Und am Ausgang lungern Geschäftemacher, um die Schweißgebadeten abzukassieren. "Dringende Anlegerwarnung", heißt es da etwa, "Millionen ahnungsloser Anleger laufen schnurstracks in den drohenden Staatsbankrott."

Eigentlich sollte der Schnitt schon längst passiert sein. "Währungsreform am Wochenende?", wurde auf "Goldseiten.de" geunkt, am 19. September 2008, als in Washington eine Konferenz zur Finanzkrise anberaumt war. "Wichtig ist, dass Sie jetzt den Zugriff auf eine kleine Menge an Edelmetallen haben." Ein goldiger Rat.

Und ein kleiner Irrtum. Macht aber nichts, die Frage bleibt aktuell. Etwa auf "gutefrage.net". Ob es bald eine neue Weltwährung gebe, wollte da "congahonga" wissen: "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für eine Währungsreform 2009/ 2010?" Das war das Signal für "HorstHaggert", einen wahren Poeten: "Sie hetzen zum Bäcker. Jüngere überholen Sie. Schneller! Minuten entscheiden jetzt: Der Preis klettert blitzartig. Noch 50 m. Schon wischt der Bäcker die Preistafel ab. Schon quietscht die Kreide auf dem Schiefer. Und keuchend … lesen Sie: Roggenbrot: 3,6 Millionen Euro!"

Die Nerven behalten

Wir wissen nicht, ob "congahonga" darob die Haare zu Berge standen. Wir können nur nachlesen, dass andere durchaus die Nerven behalten haben. "Lynx77" etwa: "Sehe ich eher nicht so … mit dem Euro stehen wir gar nicht soooo schlecht da." Und "Mismid" kalkulierte mathematisch präzise: "Die Wahrscheinlichkeit dafür in den nächsten 5 Jahren liegt bei unter 1 : 19,7 Milliarden."

Genährt wird der Währungsreform-Wahn von echten oder vermeintlichen Experten. Von echten wie Pierre Mirabaud, dem Präsidenten der Schweizerischen Bankiervereinigung, der davon spricht, man müsse "das Finanzsystem ganz neu denken", aber wohl etwas ganz anderes damit meint als den schrecklichen Schnitt. Und vermeintlichen wie dem Börsenguru und Crash-Propheten Roland Leuschel, der die Währungsreform für 2014 voraussagt und Edelmetalle als das "Investment der Stunde" anpreist.

Leider, möchte man entgegnen, liegt die Inflation in Deutschland gerade bei null Prozent. Erstmals seit 22 Jahren. Deflation scheint näher als Inflation. "Was passiert bei einer Währungsreform mit meiner privaten Rentenversicherung?", wollte ein Anonymus auf "Experto.de" wissen. Für diese Frage gebe es noch keine Antworten, schrieb das System zurück. Macht nichts. Hat ja wohl auch noch ein wenig Zeit.

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