Geschichtsvergleich Imperium USAnum

Schon die Gründungsväter Amerikas nehmen Anleihen bei den alten Römern. Erstaunlich, wie viele Parallelen es zwischen dem Weltreich der Antike und der Supermacht der Neuzeit gibt.

Da fährt er auf zu den Wolken, sicher geleitet von zwei Jungfrauen, die Freiheit und Sieg personifizieren, geht ein in die Gemeinschaft der Unsterblichen - wie einst die römischen Kaiser. Doch der Mann auf dem Gemälde ist kein göttlicher Imperator, sondern ein demokratisch gewählter, durch und durch irdischer Staatschef: George Washington, erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Fresko schmückt die Kuppel des Capitols in Washington. Die Architektur des Gebäudes ist dem Pantheon nachempfunden, in dem die alten Römer ihre Götter verehrten. Benannt wurde es nach einem der sieben Hügel der Ewigen Stadt, und zwar jenem, auf dem der antike Senat seinen Sitz hatte. Amerikas Gründungsväter nahmen fleißig Anleihen, um den Anspruch ihres Volkes darzustellen. Die junge Nation sollte ein neues Rom werden.

Unterdrückung und Eroberung

Tatsächlich wiederholt sich in einigen Aspekten die Geschichte des einst so mächtigen Weltreiches in der Politik seiner modernen Nachfolger. Natürlich muss eine Großmacht andere Völker immer unterdrücken und erobern, um überhaupt groß zu werden. Diese Mechanismen haben sich seit Jahrtausenden nicht geändert. Doch auch in anderen Details zeigen sich erstaunliche Parallelen. Zum Beispiel zwischen der Eroberung Hispaniens am Ende des Dritten Jahrhunderts vor Christus und dem jüngsten Krieg in Afghanistan.

Hispanien selbst war kein Reich des Bösen. Aber das Land am Rande der damals bekannten Welt diente den feindlichen Puniern, die dort eine Art Besatzungsmacht waren, als Operationsbasis und Rohstofflager. Edelmetalle, Oliven, Wein, Getreide und Fisch gab es dort im Überfluss. Nachdem sie in den Punischen Kriegen empfindliche Niederlagen erlitten und das reiche Sizilien verloren hatten, machte sich der römische Feldherr Scipio 210 vor Christus nach Hispanien auf, um die Punier zu bekämpfen und die Iberische Halbinsel zu sichern. Die Olivenhaine dort waren so ergiebig, dass sich bei Rom heute noch ein riesiger Hügel aus den Scherben der Amphoren erhebt, in denen das Öl herbeigeschafft wurde. Auch damals ging es um wichtige Rohstoffe, wenn auch nicht um Erdöl.

Dass bei diesem Krieg das Land Hispanien und seine Einwohner zu leiden hatten, kümmerte die Römer nicht, auch wenn ihre Gegner dort nicht zu Hause waren. Ähnlich wie die Amerikaner jetzt in Kauf nehmen, dass ihre Angriffe auf Afghanistan auch die Zivilbevölkerung trafen, obwohl sich die al Qaeda in dem Land nur eingenistet hatte.

Die Eroberung des Südens der Iberischen Halbinsel gelang den Römern schnell. Allerdings änderte sich dadurch erst mal wenig. Die alten Eliten blieben an der Macht, gehorchten jetzt römischen statt punischen Herren. Sollten die afghanischen Warlords die Geschichte Hispaniens studiert haben, könnten sie aus dem Opportunismus lokaler Herrscher sicherlich einiges lernen.

Boten von "Humanitas"

Im Altertum feierten sich die Römer als Boten von "Humanitas" - Menschlichkeit, Zivilisation, Kultur -, die sie den "Barbaren" geschenkt hätten. Wohlwollend verfolgten sie, wie die Hispanier anfingen, sich nach römischer Mode in die Toga zu kleiden. Ähnlich befriedigt nimmt heute die westliche Welt zur Kenntnis, wenn afghanische Frauen die Burka ablegen. Hätten die Römer wenige Tage nach Eroberung Hispaniens auch gleich noch Gladiatorenkämpfe veranstaltet, wäre die Parallele zu den Rambo-Filmen perfekt, die eine Woche nach Einnahme Kabuls in die Kinos kamen.

Als der Süden der Iberischen Halbinsel unter römischer Kontrolle war, hätte die Geschichte eigentlich enden können. Der Rest des Landes, wild und dünn besiedelt, barg keinerlei nennenswerte Rohstoffquellen. Doch es folgte ein fast 200-jähriger blutiger Kampf gegen die hispanischen Stämme, die mit ihrer Guerilla-Taktik den römischen Truppen im unwegsamen Gelände lange Zeit überlegen waren. Der Norden wurde zu einer Art "Schurkenstaat", gegen den man Krieg führen musste, um den Frieden zu sichern. Erst Augustus konnte um die Jahrtausendwende stolz behaupten, ganz Hispanien "befriedet" zu haben. Der ursprüngliche Grund der römischen Einmischung, die Zerschlagung der punischen Herrschaft, war da längst vergessen.

Und Afghanistan? Vielleicht kann in ein oder zwei Jahrhunderten ein Afghane als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt werden, so wie der Hispanier Trajan im Jahr 98 als erster nicht im Mutterland Geborener den Thron des römischen Reiches bestieg. Nie war es größer als zu seiner Regierungszeit.

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Angelika Franz