Ultra-Orthodoxe Dinosaurier sind nicht koscher

Die Macht der Orthodoxen im Alltag wächst. Sie verteufeln Kondome, verbieten den Druck auf den Aufzugknopf und rufen zum Bildersturm gegen T-Rex und Co.

Auf den ersten Blick hat eine moderne Dampfturbine, gut 300 Tonnen schwer, wenig zu tun mit den über 3000 Jahre alten Gesetzen, die der Herr seinem Propheten Moses auf dem Berge Sinai verkündete. Doch wenn der Schwertransport der Bauteile zum Kraftwerk Aschkelon auf einen Sonnabend fällt, weil unter der Woche die Straßen überlastet sind, dann bricht im Heiligen Land ein Proteststurm los: Wütende Ultra-Orthodoxe errichten Blockaden, weil sie die heilige Sabbatruhe sichern wollen.

Strenggläubigen Juden ist es am Tag der Heiligung, der geistigen Erneuerung und Arbeitsruhe verboten zu reisen, etwas zu tragen oder ein Feuer anzuzünden. Sie dürfen also auch kein Licht anknipsen oder den Fahrstuhlknopf drücken. In Krankenhäusern hat deshalb mindestens ein Aufzug eine Sabbatautomatik - der Lift fährt ständig auf und ab und hält in jedem Stockwerk. Auch Autofahren ist tabu. Kinder von religiösen Hardlinern werfen Steine, wenn am Sabbat ein Wagen durch ihr Viertel rollt.

Die Haredim diktieren den rechten Weg

Nach 54 Jahren seines Bestehens leidet das Land Israel noch immer unter einem Geburtsfehler: Es gibt keine Verfassung, die Staat und Religion trennt. Und so diktieren die Haredim, die nur etwa 15 Prozent aller Juden ausmachen, den rechten Weg, streng nach den 613 Geboten der Thora - den fünf Büchern Mose - und dem Talmud - ihrer Interpretation.

Auch beim Thema Sex. Puristischen Sittenwächtern, die aus Züchtigkeit ihren Ehefrauen nur durch ein Laken mit kreisrundem Loch beiwohnen, sind nackte Frauenarme, nabelfreie Tops, Miniröcke und gar Kondomreklame verhasst. Nur Läden und Kibbuzim, die koscher sind und den Sabbat einhalten, haben eine Chance, in die "Gelben Seiten" des Telefonbuchs der Religiösen zu kommen, andere werden boykottiert.

Mit immer neuen Schikanen regieren die Haredim in die Kochtöpfe ihrer Mitbürger hinein, setzen die unzähligen Koscher-Vorschriften als Kampfinstrumente ein, um Säkulare aus der Hotel- und Lebensmittelindustrie zu verdrängen. So verlangte der religiöse Inspektor des Arbeitsministeriums die Kündigung der Chefköchin des Hilton-Hotels in Jerusalem, weil sie den Gästen frische Artischockenherzen in Sahnesauce servieren wollte: Das Gemüse könne unsichtbare Würmer enthalten und damit das oberste Gebot koscherer Küche verletzen, die Trennung von Milch- und Fleischspeisen.

Feldzug gegen Dinosaurier-Bildchen

Koscher, das weiß in Israel jedes Kind, sind außerdem nur Wiederkäuer mit gespaltenen Hufen, zum Beispiel Rind, Schaf und Ziege, aber keine Schweine, Kaninchen oder Kamele. Fische sind nur mit Schuppen und Flosse erlaubt, Hummer nicht. Sogar gegen Dinosaurier-Bildchen auf Kinderschokolade zogen Rabbiner zu Felde, weil die Urtiere unkoscher seien. Doch das wurde selbst den an religiösen Enthusiasmus gewöhnten Israelis zu viel.

Auch die Dampfturbine und andere Teile für das Kraftwerk Aschkelon erreichten ihr Ziel trotz Sabbatruhe. Ein Gericht gab für die Transporte 1999 grünes Licht.

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Swantje Strieder