Die Hansestadt Hamburg will Gesichtsverhüllungen wie Niqabs und Burkas an Schulen verbieten. Laut Schulsenatorin Ksenija Bekeris kommt es in Hamburg vermehrt zu "Einzelfällen von Mädchen, die mit einer kompletten Gesichtsverhüllung in der Schule sind." Dies sagte die 46-jährige SPD-Politikerin im Interview mit dem NDR. Durch Beratung wäre man in den konkreten Fällen nicht weiterkommen. Nun plant man in Hamburg mit einer neuen gesetzlichen Regelung.
Wenn Schülerinnen auch nach einem Beratungsgespräch weiterhin gegen das Verbot verstoßen, könnten sie demnach von der Schulleitung vom Unterricht verwiesen werden. Das Gesetz bietet aber auch Spielraum für Ausnahmen. In Einzelfällen sollten individuelle Regelungen getroffen werden können, heißt es von der Hamburger Schulbehörde.
Der Vorstoß von SPD und Grünen soll am Mittwoch, dem 15. Mai, in der Hamburger Bürgerschaft verabschiedet werden. Aber wie viele Einzelfälle sind es wirklich, die diese Gesetzesänderung rechtfertigen?
Zahl der Burkaträgerinnen in Deutschland verschwindend gering
Laut Hamburger Schulbehörde gibt es aktuell etwa zehn Fälle in der Stadt. Genaue Zahlen darüber, wie viele Frauen in Deutschland eine Niqab oder Burka tragen, gibt es nicht. Burkas sind keine traditionelle islamische Bekleidung und in vielen muslimisch geprägten Ländern verpönt. Die Zahl der Trägerinnen in Deutschland dürfte dementsprechend verschwindend gering sein.
Islamwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler stellen den Sinn von Verschleierungsverboten seit Jahren infrage. Das Tragen einer Burka oder einer Niqab könne zwar eine radikale Auslegung des Islams bedeuten, muss es aber nicht. Zudem würden Verbote rassistische Ressentiments schüren und möglicherweise zu einer Ausgrenzung der Trägerinnen führen.
Hamburger Verbot hat bisher keine rechtliche Grundlage
Eine rechtliche Grundlage für ein Verbot gibt es in Hamburg bisher tatsächlich nicht. Vor vier Jahren hatte eine muslimische Berufsschülerin gerichtlich durchgesetzt, ihr Gesicht in der Schule verhüllen zu dürfen. In Deutschland ist das Tragen eines Gesichtsschleiers in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt und durch die Glaubensfreiheit im Grundgesetz gedeckt. Angehörige der Bundeswehr oder Beamte dürfen allerdings keine Gesichtsverschleierung tragen.
Hamburg wäre mit dem Verbot an Schulen kein Einzelfall. Auch Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg haben bereits Regelungen gegen Gesichtsverhüllungen in Schulen erlassen. Einzelne Hochschulen, wie die Uni Kiel, haben zudem das Tragen von Burka und Niqab in Hörsälen verboten. Viel mehr als um einen konkreten Anstieg an Niqab- und Burkaträgerinnen, ging es im Vorfeld dieser Verbote um eine gesellschaftliche und politische Haltung.
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Auch das Verschleierungsverbot in Hamburg wird nun im unmittelbaren Kontext der islamistischen Demonstrationen des Netzwerks "Muslim Interaktiv" in St. Georg verhandelt, an denen auch vollverschleierte Frauen teilnahmen. Man wolle der Radikalisierung aus bestimmten Gemeinden eine Stirn bieten, so Schulsenatorin Bekeris im NDR.
Die Schura, der Verband der Moschee-Gemeinden in Hamburg, stellt infrage, ob ein Verbot von Gesichtsverhüllungen ein probates Mittel für dieses Vorhaben darstellt. "Da das Neutralitätsgebot dem Staat untersagt, explizit einzelne religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bewerten, zu verbieten oder dagegen anzugehen (...) stellt sich die – nicht zuletzt auch angesichts der äußerst geringen Zahl von Schülerinnen mit Gesichtsverhüllung – Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung", so der Verband gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk.
Quellen: NDR, Tagesschau.de, Mediendienst Integration