Nach den schrittweisen Lockerungen von den Corona-Beschränkungen durften am Samstag in Italien auch die Seilbahnen ihren Betrieb wieder aufnehmen. So auch die Funivia del Mottarone am Lago Maggiore. Nur einen Tag später riss kurz vor der Bergstation ein Seil und eine Kabine stürzte talabwärts.
Noch an der Unfallstelle starben 13 Menschen - Italiener und eine israelische Familie. Zwei schwer verletzte Kinder wurden per Rettungshubschrauber in eine Klinik in Turin geflogen, wobei eines noch am Abend starb. Nur ein kleiner Junge, der bei dem Unglück seine Eltern verlor, überlebte.
Mit Blick auf das Unglück in Norditalien sprachen wir mit Peter Lorenz, dem ersten stellvertretenden Vorstand vom Verband Deutscher Seilbahnen. Er ist auch Geschäftsführer der Brauneck- und Wallbergbahnen GmbH sowie Alpenbahnen Spitzingsee GmbH.
Herr Lorenz, müssen wir bei unserer nächsten Seilbahnfahrt ein mulmiges Gefühl haben?
Nein, Seilbahnen sind in Deutschland sicher. Auch wer Höhenangst, kann sich in einer Seilbahn sicher und geborgen fühlen. Man hat keinen Gegenverkehr, fährt in eine Richtung auf einem Seil, das vierfache Sicherheit hat. Statistisch gesehen ist eine Autofahrt über zehn Kilometer 100 Mal gefährlicher als eine Seilbahnfahrt.
Welchen Sicherheits- und Kontrollvorschriften unterliegen Seilbahnen in Deutschland?
In den Hauptseilbahnländern wie Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland sind die Bestimmungen annähernd gleich. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es vom Europäischen Komitee für Normung genaue Vorschriften, die die Sicherheiten, Kontrollen, Wartungen der Seilbahnen regeln. Auch die Bauteile müssen teilweise zertifiziert sein.
In welchem Rhythmus werden Seilbahnen überprüft?
Wir haben tägliche Kontrollen vor Beginn des Fahrbetriebs wie Schalterpüfungen und Ausfahrtüberwachung. Zunächst gibt es auch eine Probefahrt eines Mitarbeiters, der alle Stützen bei der Bergfahrt in Augenschein nimmt. Bei der Monatskontrolle wird auch das Seil kontrolliert, und die halbjährliche Revision wird vom Personal beziehungsweise vom Betriebsleiter durchgeführt.
Schauen regelmäßig auch externe Prüfer die Seilbahnen an?
Alle sechs Monate Jahr kommt auch ein Sachverständiger, bei uns vom TÜV. In Deutschland gibt es drei Sachverständigenstellen, die dafür zuständig sind. Diese Kontrollen werden dokumentiert und an die Seilbahnaufsicht, in unserem Fall an die Regierung von Oberbayern, zur Kontrolle weitergeleitet. Mitarbeiter diese Behörde sind auch bei den Halbjahresprüfungen mit vor Ort und für die Bestätigung der Betriebsleiter zuständig.
Bremse bewusst deaktiviert
Laut italienischer Ermittler erhärtet sich der Verdacht, dass der Mechanismus an der Gondel, der die Notbremse auslösen sollte, deaktiviert worden war. Es wurde wohl eine Vorrichtung genutzt, mit der die Klemmbacken der Bremse an der Gondel auseinander gehalten wurden. Diese sollten eigentlich das Tragseil blockieren, falls das Antriebsseil reißt. Es habe offensichtlich Unregelmäßigkeiten an dem System gegeben, erklärte die Staatsanwältin Olimpia Bossi. Drei Mitarbeiter des Seilbahnbetreibers, darunter der Manager, sind am Mittwochmorgen festgenommen worden. Die Untersuchungen, weshalb das Seil riss, liefen indes am Mittwoch weiter. Für Donnerstag wurde ein Gutachter erwartet.
Gibt es in diesem Jahr besondere Überprüfungen bei den Bahnen, die nach der Corona-Pause wieder in Betrieb genommen werden?
Zu Beginn des Fahrbetriebes wurde die halbjährliche Hauptprüfung durchgeführt oder die Sachverständigenprüfung vorgezogen. Aber wir haben die meisten Bahnen jede Woche bewegt und ein Probefahrten gemacht. Denn wir mussten imm wieder schauen, ob auch auf den Stationen alles in Ordnung ist.
Hat bei der Bahn am Lago Maggiore das Sicherheitssystem versagt?
Bei der Ferrovie del Mottarone wurde eine Sicherheit manipuliert, das Sicherheitsbremssystem ausgeschaltet. Da kann das System nichts dafür, wenn der Mensch eingreift.
Interview: Till Bartels