Ankunft am Sylt-Shuttle Niebüll, Meter für Meter nähert man sich der Insel mit dem Autozug durch das Watt. Wer sieht als erstes die Munkmarsch? Wer die ersten Kühe? Auf dem Highway Nr. 1 schaukeln wir von Westerland Richtung Süden bis zum Campingplatz Rantum.
"Es ist voll", muffelt der Platzwart. Außer ein paar tiefbraun gebrannten, barfüssigen Kindern auf rostigen Rädern sieht man niemanden, und wir finden mühelos einen Platz. Ein Zehn-Meter Luxus-Mobil ist für die nächsten Wochen unsere Heimat, mit Doppelbett und Fernsehecke, die zum Kinderzimmer umgebaut werden kann. Ein Vorzelt beherbergt die Küche. Direkt davor thront der amtliche Sylter Strandkorb neben dem Profi-Grill.
Klassenloses Zusammentreffen am Haupthahn
Sofort erfasst uns der Sog des Camping-Alltags: Wir brauchen Wasser. Ein mühsamer Akt, der eine Prise Indianer-Romantik in sich birgt. Das Wasser kommt nicht aus der Leitung, sondern muss geschleppt werden. Das klassenlose Zusammentreffen am Haupthahn hat den vertrauten und generationsübergreifenden Charme eines Familienfestes. Hier steht Adolf Wustmann, der Fahrradverleiher des Platzes und fachsimpelt mit den Siebenjährigen über Nagelpilz, Fahrradschläuche und Makrelen, während nebenan Teenager-Mädchen ihre Beauty-Rituale mit Lockenstab und Make-up-Koffer abspulen. Ihre dreifach getuschten Wimpern werden nach einer langen Nacht wohl erst am kommenden Nachmittag aus den windschiefen Iglu-Zelten klimpern.
Wir richten uns häuslich ein. Für alles gibt es einen Platz, wunderbar. Fernseher, Wasserkocher, Steckdosen - wir reduzieren uns auf das Notwendige und haben alles, was wir brauchen. Die frische Nordseeluft wird uns von innen reinigen. Wir brauchen kein Bad, keinen Gameboy, keine internationalen Modezeitschriften - wir haben uns und die Natur.
Sofort-Kur für Körper, Haut und Seele
Die Sonne knallt unbarmherzig in den windgeschützten Strandkorb vor der Wohnmobiltür. Die Jungs rennen in Richtung Strand, gleich hinter den Dünen. Ein norddeutsches Traumpanorama. Der Sand ist fein, weiß und unberührt. Auf dem Hochsitz wacht der Rantumer David Hasselhoff über die Kinder in der Brandung, denn die ist gefährlich. Auf den Sandbänken tummeln sich splitternackte Familien im knöchelhohen Wasser. Der Sprung in die Wellen hat einen Sofort-Kureffekt für Körper, Haut und Seele. Der erste Tag wird mit einem delikaten Abstecher zum Fisch-Imbiss "Fiete" im Rantumer Becken vollendet. Frisch geräucherte Makrele und ein kühles Sylt-Wasser versöhnen uns mit dem Anreise-Stress, der eigentlich keiner war.
Die Landschaft auf Sylt ist ein Energielieferant. So ernüchternd schlicht, so zart und majestätisch - eine echte Lady unter den Nordsee-Inseln. Rotes Heidekraut, wuchernde Gräser, unverschämt üppig blühende Hortensien, Reetdachhäuser und endlose Dünen versprühen konstante Euphorie.
Gemeinsames Spülen vereint
Statt Zimmerservice muss die Campingcrew sich selbst verpflegen. Der Fachmann steht am Grill und kredenzt vor den Augen der angrenzenden Nachbarn Koteletts. Die Kinder erobern den Platz per Fahrrad und schnorren sich unterwegs die eine oder andere Wurst. Soziale Hemmungen werden sofort überwunden, man offenbart Tischmanieren und Stimmungskurven. Lieblingsspiel der Kinder: Welches ist der teuerste Wagen hier? Der Jaguar gegenüber oder Bentley da hinten? Nach den Grillabenden trifft sich die Campinggemeinde an den Spülbecken. Hier sammelt sich die gesellschaftliche Bandbreite auf engstem Raum. Die sich stundenlang kämmende, sechsjährige Prinzessin ebenso wie die von der Sonne gegerbte Rentnerin registrieren jede Geste, jeden Blick der Mitwaschenden. Wir sitzen im gleichen Boot - hier in Rantum an der schmalsten Stelle der Insel, zwischen den Meeren.
Beim morgendlichen verschlafenen Gang zum Waschhaus bekommt man einen hinreißenden Einblick in deutsche Nachtwäsche-Kultur. Die Kinder des Platzes treffen sich beim Brötchenholen am Kiosk. Anschließend werden Strandmuschel und Kühltasche geschultert und los geht es mit dem Rad an einen der Strände zwischen List und Hörnum. Nach sechs Stunden frischer Inselsonne erwarten uns unzählige Restaurants. Keine fünf Minuten Strandlauf entfernt liegt der Promi-Schuppen Nr. 1, die Sansibar. Ein Klassiker für den Sylt-Urlaub. Hier kann der Gast eine der besten Weinkarten des Landes genießen, die hemmungslose Schickeria observieren und für die Kinder gibt es in Rufweite den besten Dünen-Spielplatz der Insel. Nach zwei Stunden ist jegliche Lust auf Jet-Set, Reichtum und Luxus verbraucht und wir radeln zurück ins Camp.
Wenn das Wetter stimmt, ist Camping Luxus. Im Wohnwagen bei Regen, braucht es eine krisenerprobte Beziehung und einen Fernseher, als Ass im Ärmel. Unerschrockene radeln bei jedem Wetter zum Hafen, nach Westerland, zum Polo-Derby, zu den Ausflugsschiffen. Die Fahrrad-Ausrüstung gibt es an jeder Ecke. Unerreicht bei Sturm und Schauern ist die Rantumer Strandsauna, mit Panorama-Scheibe direkt auf die tosende Nordsee. Die sinnlichste aller Wohltaten ist der abschließende Sprung in die Brandung. Ein ziemlich reelles Vergnügen - wie Nordseeurlaub im Wohnwagen auch.
Campen auf Sylt |
Auf der nordfriesischen Insel gibt es mehrere Campingplätze, die von Ostern bis Oktober geöffnet haben. Die Plätze in Morsum und Tinnum sind ganzjährig geöffnet. Wildes Campen ist auf der gesamten Insel verboten. |
Der Platz in Rantum liegt zwischen Hörnum und Westerland, zwischen offener See und ruhigem Wattenmeer. Es ist der größte Platz der Insel. Der nördlichste Campingplatz Deutschlands liegt in Kampen zwischen Dünen und Wald. Am Rande eines Dünengürtels liegt der Wenningstedter Campingplatz. Am Ortsrand von Tinnum liegt der Campingplatz Südhorn. Im östlichsten Inseldorf Morsum erstreckt sich der Campingplatz Mühlenhof zwischen dem Ortskern und dem Deich. In Westerland liegt der Platz |