Von der Elbe her weht eine leichte Brise - selbst an schwülen Sommertagen. Und wo heute noch Kräne und Bagger den Blick auf den Fluss verstellen, sollen bald Menschen leben und arbeiten: Schon im nächsten Jahr sollen in der Hamburger Hafencity, Europas größtem Städtebauprojekt, die ersten Wohnungen bezugsfertig sein - mit freier Sicht auf Containerschiffe und Hafenschlepper.
Rund 15 mal größer als der Potsdamer Platz in Berlin ist die Planungsfläche an der Elbe. Zwischen der historischen Speicherstadt und ausgedienten Kaianlagen soll auf einer Fläche von 155 Hektar bis zum Jahr 2020 ein völlig neuer Stadtteil entstehen - und das nur 800 Meter Luftlinie vom Rathaus entfernt. Der Geschäftsführer der Gesellschaft für Hafen- und Standortentwicklung (GHS), Jürgen Bruns Berentelg, ist sicher, dass die Hamburger Hafencity attraktiver wird als die "Docklands" in London. "Wir planen hier in menschlichen Dimensionen, alles bekommt ein sehr menschliches Maß", sagt er.
Vitales Leben in den Docks
So sollen die Bauten in der Regel höchstens acht Geschosse haben, sollen Freiflächen zu Lande und zu Wasser mit Leben erfüllt werden. Geplant sind Cafés und Kleinkunstbühnen auf Pontons, begrünte Terrassen, eine Gastronomie- und Shoppingmeile, ein maritimes Museum und ein großes Aquarium. Ein Architektenteam aus Spanien ist nach Worten des GHS-Chefs mit der "Freiraum-Planung" beauftragt worden.
Der Software-Riese SAP eröffnete hier im Januar schon ein neues Schulungszentrum. Reeder, Kaufleute und Multimedia-Anbieter sollen Arbeitsplätze für Zehntausende von Menschen schaffen. Mit dem ersten Rammschlag für den Wohnungsbau kommt jetzt Leben in das Zukunftsquartier. 2004 sollen die ersten Gebäude mit Miet- und Eigentumswohnungen fertig sein. "Wer in der Hafencity wohnt, arbeitet oder einfach nur shoppen geht, bekommt eine Prise weite Welt gratis", wirbt die GHS für das gigantische Projekt.
Optimismus in der Hansestadt
Hamburg besinne sich mit dem Bau der Hafencity auf seine Tradition und wende sich zugleich der Zukunft zu, hatte Hamburgs früherer Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) im Juni 2001 bei Baubeginn gesagt. Noch unter Rot-Grün war das Mammut-Projekt an den Start gegangen. Heute ist auch die CDU-geführte Regierung des Stadt- Staates unter Bürgermeister Ole von Beust stolz auf die Hafencity. Für ihn ist sie ein Kernstück seiner Leitlinie von der wachsenden Stadt: "Damit erweitern wir die Innenstadt um 40 Prozent. Die Hafencity liegt eben nicht draußen, vor den Toren, sondern mitten in der Stadt, an der Elbe, wenige Minuten entfernt vom Stadtkern", schwärmt der CDU-Mann.
Auf historischen Hafenflächen, die schon lange kaum noch gewerblich genutzt wurden, wächst derzeit "die Stadt der Zukunft" aus dem Boden. Interesse an der Nutzung haben dabei derzeit weniger Firmen der New Economy und der in schwerem Fahrwasser segelnden Medienbranche - wie einst von den Planern erhofft - sondern eher Branchen des "Hamburger Traditionsgewerbes", wie der GHS-Chef sagt. Dazu gehören aber nicht nur Reeder und Kaufleute, sondern auch die Behörden. Hamburgs Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) möchte seine Behörde gern ganz in die Hafencity verlegen und auch das Bezirksamts-Mitte könnte dort bald zu Hause sein.
Der große Trumpf der Hafencity ist dabei für die Macher ganz klar die große Wassernähe. Auch das eigene Boot vor der Haustür ist denkbar, dazu der Blick auf die Elbe, ihre Schiffe und Docks bei Ebbe und Flut, sowie die Skyline der Stadt mit Michel und Dom. Besucher und Bewohner könnten "am Wasser in schwimmenden Gärten sitzen, sich zwischen Booten, historischen Schiffen, auf Pontons, am Sandtor- und Grasbrookafen sonnen", so die GHS. Wassertaxis sollen gar einen Hauch von Venedig an die Elbe bringen.