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Animateur auf Ibiza Welche Gäste haben die größte Klappe, welche Promis sind Stammgast - erzählen Sie mal!

Animateur auf Ibiza: "Ich bin auf einer ewigen Klassenfahrt"
Job unter Palmen: Sven-Oliver Puch, 51, arbeitet im Cooee Cala Llenya Resort im Nordosten der Mittelmeerinsel
© Patrick Runte
Früher wollte er Priester werden, doch daraus wurde nichts: Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Sven-Oliver Puch als Animateur auf Ibiza. Ein Gespräch über Klischees, das Älterwerden und Handtücher auf Liegen.

Herr Puch ...

Bitte nennt mich Sven.

Warum?

Weil mir Siezen unheimlich schwerfällt, das schafft Distanz. Für mich ist jeder Mensch gleich.

Also gut, Sven, warum sollten wir morgen unsere Jobs kündigen und Animateure werden?

Damit ihr aus dem Büro rauskommt und ein glückliches Leben führt.

Es muss doch nerven, immer gute Laune haben zu müssen.

Auch ich habe schwere Zeiten. Am Anfang der Saison ging meine elfjährige Beziehung in die Brüche. Am Abend musste ich auf der Bühne stehen und "Mamma Mia" singen. Aber wenn du mit vielen Menschen etwas Lustiges machst, bekommst du ruckzuck gute Laune. Es gibt nichts, worüber man nicht lachen kann.

Wie erreichst du jemanden, der schlecht gelaunt ist?

Wir haben es ziemlich leicht: Die Sonne scheint, die Gäste haben Urlaub. Wenn du ihnen dann noch etwas gibst, was Freude bereitet, zum Beispiel ein Piratenfest oder eine Varieté-Show, dann hast du sie.

So einfach ist das?

Meistens schon. Musik und Bewegung funktionieren immer.

Wann hast du deinen Job gut gemacht?

Wenn ich den Gast berühre und er etwas Außergewöhnliches erlebt. Ich bin auf einer ewigen Klassenfahrt. Da ist jeder eingeladen mitzumachen.

Klingt anstrengend auf Dauer.

Ich habe meinen Traumjob gefunden. Aber mich stört, dass ich oft in eine Schublade gesteckt werde: Weiber ohne Ende, nur feiern, saufen, Gäste anquatschen, die ihre Ruhe haben wollen.

Mission Spaß: Puch zeigt einer Urlauberin die richtige Haltung beim Bogenschießen, "dem perfekten Sport für alle, die keine Lust auf Sport haben"
Mission Spaß: Puch zeigt einer Urlauberin die richtige Haltung beim Bogenschießen, "dem perfekten Sport für alle, die keine Lust auf Sport haben"
© Patrick Runte

In vielen Klubs werden die Klischees doch bestätigt.

Ich habe einen anderen Anspruch. Ich bin am glücklichsten, wenn ich als Pirat den Strand angreife, Volleyball spiele, Blues Brothers singe.

Wie ist schlechte Animation?

Übertrieben laut, aufdringlich, langweilig. Sich beim Sport profilieren oder Witze auf Kosten anderer machen. Ein guter Animateur muss sympathisch sein, extreme Empathie haben und Menschen motivieren können. Außerdem sollte er etwas besonders gut können.

Was konntest du besonders gut, als du Mitte der Achtziger Animateur geworden bist?

Schwimmen. Nach dem Abi hatte ich mich in Berlin für Publizistik, Germanistik und Politologie eingeschrieben, ich wäre bestimmt ein guter Taxifahrer geworden. Hier auf Ibiza haben sie einen Sportler gesucht. Damals war ich Bundesliga-Schwimmer, 56:03 Sekunden auf 100 Meter Freistil.

Deine einzige Qualifikation?

Ja, alles andere habe ich mir über die Jahre erarbeitet. Am ersten Tag musste ich einen Aerobic-Kurs geben. Da habe ich die Hose hochgezogen und das Klappmesser gemacht. Hat funktioniert.

Deine zweite Qualifikation war sicher deine Figur.

Okay, die spielt auch eine Rolle, genau wie das Aussehen. Du läufst ja den ganzen Tag in Badehose rum und stehst abends auf der Bühne. Noch wichtiger ist Menschenkenntnis, aber die lernst du im Job, genau wie Menschenführung und Motivation. Deshalb werden Animateure später oft erfolgreiche Manager und Chefs. Wer es schafft, mit 40 kritischen Frauen Gymnastik zu machen, hat keine Probleme, eine Gruppe zu führen.

In Mieder und High Heels: Abends gibt der Animateur seine Lieblingsrolle – den Frank N. Furter aus der "Rocky Horror Picture Show"
In Mieder und High Heels: Abends gibt der Animateur seine Lieblingsrolle – den Frank N. Furter aus der "Rocky Horror Picture Show"
© Patrick Runte

Du arbeitest auch als Coach. Was können Chefs von dir lernen?

Dass man den Menschen genug Freiheit lässt, um Verantwortung zu übernehmen. Die lange Leine führt in einem Unternehmen am besten, nicht Druck oder Kontrolle.

Was suchen die Menschen, wenn sie im Klub Urlaub machen?

Die meisten wollen, dass ihre Kinder unterhalten werden, um mehr Zeit für sich zu haben. Heute musst du sogar schon Kleinkinder betreuen, sie füttern, ihre Windeln wechseln. Dabei arbeiten wir ja nicht pädagogisch. Die Kinder sollen bei uns nur Spaß haben.

Sind Kluburlauber Spießer?

Zumindest mögen sie Strukturen: mein Tisch, meine Liege, mein Animateur. Das ist was anderes, als wenn du mit dem Rucksack durch Asien reist. Kluburlaub ist mit dem Makel behaftet, der Gast sei nicht in der Lage, sich zu organisieren.

Und mit dem Vorurteil, er verbringe den ganzen Urlaub im Klub.

Ja, einige gehen nicht mal an den Strand. Die meisten Klubs sind umzäunt, da spielt es keine Rolle, wo sie stehen. Dabei finde ich es wichtig, dass die Leute den Ort kennenlernen, an dem sie Urlaub machen.

Legen die Gäste noch immer Handtücher auf die Liegen?

In vielen Klubs schon, obwohl das ein Stressfaktor für die Urlauber ist. Deswegen ist jedes Resort gut beraten, mindestens ein Viertel mehr Liegen zu haben als Gäste.

Ein Mann, viele Rollen: Pirat Puch (links) überfällt einen Strand, um Kindern einen Schatz abzujagen – und lässt sich natürlich in die Flucht schlagen
Ein Mann, viele Rollen: Pirat Puch (links) überfällt einen Strand, um Kindern einen Schatz abzujagen – und lässt sich natürlich in die Flucht schlagen
© Patrick Runte

Wie unterscheiden sich die Urlauber?

Der Anteil an coolen Typen und Knalltüten ist eigentlich überall gleich. Bei Engländern brauchst du nur ein Lied zu spielen, und, zack, stehen sie auf den Tischen. Auch die Italiener gehen ab, wenn du ihre Sprache sprichst. Deutsche sind zurückhaltender, vor allem die aus dem Norden.

Rheinländer können doch auch feiern.

Ja, bei denen machst du einmal Schnipp, dann geht die Post ab. Berliner haben eine große Klappe, Bayern ein extrem hohes Sportniveau. Die Kinder aus Süddeutschland sind auch besser erzogen.

Wer trinkt am meisten?

Russen und Polen. Ich habe mal zwei russische Handballer von Tusem Essen kennengelernt. Die waren Weltmeister, Olympiasieger und haben alle Klischees erfüllt: Bären von Typen, Gesichter wie Verbrecher, den ganzen Tag Schach spielen und Wodka saufen. Nachts haben sie die Frauen auf die Tanzfläche getragen, angefangen zu heulen – und ihre Goldmedaillen verschenkt.

Kommen auch Promis in den Klub?

Volker Bouffier, der hessische Ministerpräsident, ist Stammgast. Der Bouffi sitzt dann da mit seiner Pfeife, total entspannt. In Badehose sind ja alle Menschen gleich. Wir haben hier viele Biathletinnen und Rennrodlerinnen. Mit denen machen wir Wettkämpfe. Schorsch Hackl hat mal im Armdrücken gegen meine Bühnenpartnerin verloren. Krass!

Wer in der Familie muss bei Laune gehalten werden?

Die Frauen, weil sie die Stimmung in der Familie machen. Deswegen ist der Fitness-Animateur so wichtig. Männer sind da meist entspannter.

Noch ein Klassiker: Wenn der Animateur als "Naked Cowboy" auftritt, trägt er kaum mehr als Hut und Gitarre
Noch ein Klassiker: Wenn der Animateur als "Naked Cowboy" auftritt, trägt er kaum mehr als Hut und Gitarre
© Patrick Runte

In den Achtzigern hattet ihr es leichter, da habt ihr einen Ghettoblaster und ein paar Lampen an den Strand gestellt, einen Rock angezogen – das war die Show.

Und alle fanden es toll. Früher haben wir auch Poolspiele gemacht, Playback-Shows, Aerobic, Misswahlen. Bis auf Bingo funktioniert das nicht mehr. In den Neunzigern kam das Ende der klassischen Mitmachaktion, bei der man die Leute von den Liegen zerrte. Damals ging auch die Fitnesswelle los, seitdem wird es immer professioneller. Heute muss man etwas Neues bieten, Akrobatik oder Work-Life-Balance-Kurse. Macht zwar kaum jemand mit, aber viele freuen sich über das Angebot.

Wie wird man heute Animateur?

Die großen Ketten bilden ihre Leute aus, in wenigen Wochen. Für mich wäre es ein Traum, wenn Animateur irgendwann mal ein Lehrberuf wird. Weil es wichtig ist, dass du den Job gut machst.

Was verdient man dabei?

Zwischen 750 und 900 Euro im Monat, dazu kommen Kost und Logis, aber nur von März bis Oktober. Dafür arbeitest du sechs Tage die Woche, volle Kanne, von 9 Uhr bis Mitternacht. Wenn dann einer mal ausschert, gibt es richtig Stress.

Von dem Geld kann eigentlich nur leben, wer jung ist. Auch deshalb suchen sich die meisten Animateure nach einigen Jahren einen neuen Job. Du bist geblieben.

Weil ich meine Freiheit liebe. Als Animateur kann ich alles ausleben, was ich mag: Sport treiben, mit Menschen zusammen sein, auf der Bühne stehen. Ich kann meine Arbeit selbst gestalten und die Rollen spielen, die mir Spaß machen, von Obelix bis Frank N. Furter.

Du hast nie lange für die großen Ketten gearbeitet.

Weil ich mehr Regeln unterworfen wäre. Bei Standards wird mir übel. Jemandem vorzuschreiben, beim Essen alle zehn Minuten den Tisch zu wechseln, lehne ich ab. Die Gäste spüren, wenn du etwas machst, weil es auf dem Plan steht und nicht weil du es wirklich willst.

Deine Kollegen könnten deine Kinder sein.

Das ist schon schräg. Ich bin der Papa Schlumpf für alle, mit 51 fühle ich mich wie 25. Oft denke ich, dass das Alter einfach an mir vorbeizieht.

Backstage und ungeschminkt: 30 Jahre lang arbeitete Puch im Club Cala Pada auf Ibiza. Als dieser von einem großen Konzern übernommen wurde, machte der Animateur sich selbstständig und wechselte mit seinem Team ins kleinere Cooee Cala Llenya Resort
Backstage und ungeschminkt: 30 Jahre lang arbeitete Puch im Club Cala Pada auf Ibiza. Als dieser von einem großen Konzern übernommen wurde, machte der Animateur sich selbstständig und wechselte mit seinem Team ins kleinere Cooee Cala Llenya Resort
© Noch ein Klassiker: Wenn der Animateur als „Naked Cowboy“ auftritt, trägt er kaum mehr als Hut und Gitarre

Willst du nicht erwachsen werden?

Ich kann Verantwortung übernehmen. Aber ich wollte immer Spaß haben wie ein Kind, gegen Konventionen verstoßen, nicht so verkopft sein. Durch den Job habe ich mir diesen Spielplatz erkämpft. Und ich kann den Gästen Freude geben. Das macht die Welt auch einen Tick besser. Zumindest nicht schlechter. Früher wollte ich auch mal Priester werden. Eigentlich mache ich nichts anderes: Freude verbreiten. Und die Gäste können im Klub runterkommen und sich besinnen. Wie im Kloster.

Nur ohne Zölibat.

Aber auch wir einigen uns auf einen Verhaltenskodex und haben dieselbe Arbeitsphilosophie: Liebe geben, Menschen stärken. Wir nehmen Entbehrungen im Privatleben hin. Ökonomische Unsicherheit und wenig Zweisamkeit sind der Preis meiner Freiheit. Es ist schwer, eine Beziehung zu führen, weil die meisten Partner nicht akzeptieren, dass du jedem Gast offen gegenübertrittst. Außerdem wollen viele Chefs keine Paare im Team. Wenn sich zwei Animateure verlieben, werden sie an unterschiedliche Orte versetzt.

Viele trösten sich mit Affären.

Gelegenheiten gibt es genug. Du bist der Held in dem Laden, damit musst du erst mal klarkommen. Die Gäste sind in Urlaubsstimmung, trinken, feiern. Manche projizieren ihre Sehnsüchte auf dich.

Wie weit gehen die Frauen?

Du merkst schon, dass sie dich bewundern. Einige stalken dich auch, schreiben Liebesbriefe. Oder sie rufen an und sagen, sie hätten sich von ihrem Mann getrennt und kämen morgen vorbei. Dabei hast du mit den Frauen noch nie geredet.

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Du lebst in einer Blase.

Stimmt, im Klub ist alles geregelt, das kann unselbstständig machen. Aber ich schaue regelmäßig Nachrichten, Nordafrika ist nicht weit weg, auch mit Gästen rede ich über die Krisen der Welt. Wenn jemand Interesse hat, lasse ich kein Thema aus.

Für manche Gäste wirst du zu einer Vertrauensperson?

Das geht schon in die Tiefe. Bei vielen Stammgästen kenne ich die Biografien, die Brüche. Stress im Beruf, Krankheit, Scheidung, Affären. Wir haben auch manchmal Kinder, die zu Hause gemobbt werden. Die können wir hier aufbauen.

Was machst du, um zu entspannen?

Wandern, schwimmen, segeln. Im Januar und Februar reise ich, individuell und meistens in die Ferne. Afrika, Asien, die USA, mit Rucksack oder Geländewagen. Ich will dann nicht unter Menschen sein.

Wie lange willst du noch arbeiten?

Bis ich in den Spiegel schaue und einen alten Sack sehe, einen Clown. Aber das wird dauern. Ich greife wahrscheinlich noch mit 70 als Pirat den Strand an. Dann halt mit einem echten langen Bart.

Das Interview mit Sven-Oliver Puch ist dem aktuellen stern entnommen:

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