Arktis Kreuzfahrten unter dem großen Bären

  • von Marina Kramper
Eisbären, die sich auf Schollen treiben lassen, und Wikinger, die ihre Landsleute mit falschen Versprechen auf unwirtliche Inseln lockten: Die Arktis ist nicht nur das Land des ewigen Eises, es ist auch der Platz, wo alle Kompassnadeln hinzeigen. Der Bildband über "Kreuzfahrten in der Arktis" erzählt ihre Geschichten und gibt Tipps zur Reisevorbereitung.

Der Narwal wird "Einhorn des Nordens" genannt. Ein zweieinhalb Meter langer Zahn wächst ihm aus dem Oberkiefer. Lange schrieb man diesem Zahn wundertätige Kräfte, wie die Erhöhung der Manneskraft, zu. Der Narwal ist wegen dieser angeblichen Wundertätigkeit vom Aussterben bedroht. Inzwischen gilt die Bedrohung auch seiner Heimat, dem Nordpol. Nirgendwo auf der Welt wird der Klimawandel deutlicher, als in der Region, die die Griechen als "Arktos", das Land unter dem Sternbild des großen Bären, bezeichnet haben. In "Kreuzfahrten in der Arktis" schildert Christine Reinke-Kunze die Historie der Region und das Reisen in die Polarregion.

Das Buch beginnt geschichtlich, beschreibt die Besiedelung der Arktis und gibt Einblicke in die Besonderheiten der Orte entlang der grönländischen Küste und anderen Nordmeerinseln. Im Gegensatz zur Antarktis, die aus einer gigantischen Landmasse unter Eis besteht, ist die Arktis ein Meer, das von Land umgeben ist. Grönland, Russland, Kanada und einige Inseln bilden die umgrenzenden Landmassen. Forscher und Entdecker werden in einzelnen Kapiteln abgehandelt, ebenso wie die verschiedenen Stämme der Bewohner und deren Lebensweise. Kritische Worte findet Reinke-Kunze über den Umgang mit Bodenschätzen und den Walen. Jahrelang wurden sie im Übermaß geschlachtet.

Die grüne Insel

Grönland wird von der Autorin salopp als die erste weltweit funktionierende Werbekampagne bezeichnet. Wikinger Erik der Rote landete 986 mit 25 Schiffen im Südwesten der Insel an und gründete die Siedlung Brattahlid. Eriks Behauptung, es handele sich um eine grüne Insel und nicht, wie es der Wirklichkeit entspricht, um eine Landmasse, die zu 85 Prozent aus Eis besteht, lockte viele neue Siedler auf die größte Insel der Welt.

Kreuzfahrten in der Arktis

Christine Reinke-Kunze Verlag Delius Klasing ISBN 978-3-7688-2493-4 EUR 22.90

Heute ist nur die Westküste Grönlands besiedelt, der Osten ist gänzlich unwirtlich. Viele Grönländer leben heute noch traditionell vom Robbenfang und der Rentierjagd. Ein Großteil der Bewohner sind Forscher, die dem Geheimnis des Erdmagnetismus und unseren klimatischen Bedingungen auf die Spur kommen wollen. Sisimut liegt mit 5200 Einwohnern 100 Kilometern nördlich des Polarkreises und markiert die Grenze des so genannten "Hundeäquators". Das heißt, weiter nördlich dürfen keine Schlittenhunde mehr gehalten werden, da es selbst für Huskys zu kalt ist.

Nur schwimmende Hotels

Kalt, aber faszinierend. "Wenn man das Eis einmal gesehen hat, will man es immer wieder sehen", bekannte einst der schwedische Schriftsteller Lars Gustafsson. Da es hoch im Norden kaum Hotels gibt, denn der Polarsommer dauert nur einen Monat, sind Kreuzfahrten die beste Möglichkeit, das Eis und seine Welten kennen zu lernen. Daher hilft Reinke-Kunze Nordmeerkreuzfahrt zu planen. Nach Größe geordnet werden 23 Schiffe, vom Fünfsterne-Liner bis zum Segelschiff, am Ende des Buches aufgelistet. Zwei Kreuzfahrten schildert Reinke-Kunze, allerdings ohne schwärmerische Inneneinsichten. Eingemummelt in schiffseigene Arktisparka können die Passagiere vom Deck aus die glitzernden Eislandschaften stundenlang beobachten. Die Sprache bleibt auch hier sachlich: "Den Schiffsreisenden bieten sich zahlreiche Gelegenheiten für Abstecher in die Buchten und Fjorde des Archipels." Die Schönheiten des ewigen Eises dringen mit Hilfe von Weitwinkelaufnahmen der bizarren Landschaften trotzdem durch.

Wer sich eine Nordmeerfahrt bucht, soviel wird durch die Schilderungen der Autorin deutlich, geht nicht an Bord, um seine Cocktailgarderobe zu präsentieren. Arktiskreuzfahrten sind Fahrten in die Stille, aber beileibe keine ernsthafte Angelegenheit: Zeigt der Kompass exakt "Neunzig Grad Nord", so ertönt ein Signal: Hier liegt der Schnittpunkt aller Längengrade. Von hier aus geht es nur nach Süden. Das muss mitten im Eis gefeiert werden. Ausflüge direkt an die Eisberge werden in kleinen Beibooten, sogenannten Zodiacs, gestartet. Vorausgesetzt, es kommt kein Bär, dann dreht die kleine Flotte wieder ab, mit Eisbären legt sich niemand freiwillig an.

Dennoch sind den Eisbären mehrere Episoden des Buches gewidmet. Das Wappentier der Arktis sei, so die Autorin, auch ein Kreuzfahrer. Auf Eisschollen lassen sich die Petze träge die Küsten entlang treiben. Nanortalik, der Bärenort, gilt als südlichste Siedlung Grönlands. Und weil die Eisbären dort gern mal einen Landgang einlegen, hat Nanortalik drei Bären im Wappen. Trotzdem haben die Einwohner ein Gewehr im Schrank, denn Kreuzfahrten machen auch Bären hungrig.

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