Oslo Mit der U-Bahn ins Ski-Gebiet

Ob große nordeuropäische Kunst oder grandiose Natur, ob Zimmer mit Meerblick oder Snowboarden im schneesicheren Skigebiet - Norwegens Hauptstadt bietet alles auf einem Fleck. Meistens jedenfalls.

Kurz nach dem Frühstück, so gegen 8.30 Uhr, ist das Ziel erreicht: Während die Festmacher am Kai der Colorline-Fährlinie bereits die Trossen festzurren, tutet die MS Kronprins Harald zur Ankunft noch rasch ein paar mal in den Morgenhimmel. Vom eisbeschlagenen Top-Deck der Kiel-Oslo-Fähre, einzige Linien-Schiffsverbindung zwischen Deutschland und Norwegen, präsentiert sich die 500.000-Einwohner-Stadt von ihrer verschlafenen Seite. Aus den Schornsteinen weißgetünchter Vorort-Villen, die rings um das Kon-Tiki-Museum auf den Hügeln thronen, steigt weißer Rauch. Auf den Straßen ist kaum Verkehr. Auch die Sonne hat's nicht eilig: Erst in einer guten Stunde wird sie über die Berghänge blinzeln und für gute vier Stunden eine flache Bahn über den Horizont ziehen. Mehr ist hier oben im hohen Norden beim besten Willen nicht drin. Heute ist sie allerdings ganz gut gelaunt und schickt ein warmes Morgenrot hinauf ins stadtnahe, schneegepuderte Skigebiet am Holmenkollen, wo die Olympia-Schanze über der Stadt thront. Auch das Wetter ist besser als gedacht: Knackige zehn Grad unter Null, der Himmel blau und wolkenlos, die See spiegelglatt - so frisch hab ich mir Oslo vorgestellt. Aber vielleicht nicht ganz so ruhig. In der Innenstadt sind jedenfalls die meisten Restaurants geschlossen und zwar ganztags, die Cafés wünschen in ihren Auslagen auf handgemalten Zetteln ein tolles Jahr 2004 und selbst die Geschäfte in den Hochglanz-Shopping-Malls am Hafen sind großenteils dunkel. Die imposanten Wallanlagen der mittelalterlichen Akershus-Festung sind zwar tagsüber zugänglich, doch das Renaissance-Schloß ist ebenfalls verriegelt.

Spätestens jetzt ist auch dem letzten Oslo-Neuling klar: Wer um den Jahreswechsel echten Trubel oder Party sucht, ist hier absolut fehlbesetzt. Die Beschaulichkeit hat jedoch auch ihr Gutes. Zum Beispiel in den sehenswerten Museen der Stadt. Im Kon-Tiki-Museum etwa hat man unter anderem die RA II, das Papyrusschiff, mit dem Thor Heyerdahl 1970 von Marokko nach Barbados segelte, fast ganz für sich allein. Oder auch die 1000 Jahre alten Drachenkopfschiffe im Wikingerschiff-Museum. Oder auch die Nationalgalerie: In Saal 17 hängt dort "Der Schrei" von Edvard Munch, Norwegens wohl berühmtestes und gleichzeitig eines der bekanntesten Gemälde der Welt. Anders als zu anderen Jahreszeiten gibt's hier zwischen den Jahren kein Rempeln, kein Drängeln, kein Geschiebe, sondern Kunstfreund-freundliches, ungestörtes Betrachten. Voll auf seine Kosten kommt, wer sich in Oslo die Langlauf-Skier unter die Füße schnallen will. Das Skigebiet am Holmenkollen ist beispielsweise nur 30 Minuten vom Stadtzentrum entfernt, zu erreichen mit der U-Bahn-Linie 1, direkt ab Nationalparlament. Wenn am Wochenende auch die Osloer zum Skifahren aufbrechen, kann's in der Bahn schon mal richtig eng werden. Aber es lohnt sich: Snowboarden oder Rodeln und vor allem Langlauf sind hoch über der Stadt bei idealen Bedingungen möglich. Meistens jedenfalls, denn so schneesicher wie in den Werbeprospekten versprochen wird, ist Oslo auch wieder nicht. Ähnlich wie in den Alpen fiel im norwegischen Süden zwischen Weihnachten und Neujahr jedenfalls so wenig Schnee wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Stefan Heijnk

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