Kommt, wir zeigen unser Schloss", sagen die Schwestern, und wir fahren ihnen nach, den Hang hinauf, durch Felder voller Wein, bis wir an einer hohen alten Mauer halten. Ein Holztor öffnet sich – tatsächlich quietschend –, und wir stehen im Park des Schlosses Gandegg, in dieser Form erbaut um 1550 und jahrhundertelang im Besitz eines Adelsgeschlechts. Seit knapp 30 Jahren wohnt nun die Familie Oberrauch hier, kein "von" im Namen, dafür aber mit vollem Geldbeutel, was sich für das Haus durchaus gelohnt hat.
Denn der Schlossherr, Hans Oberrauch, hat die Kammern und Säle mit Kunst gefüllt: mit Bildern, die glänzen wie ein kandierter Apfel; mit einer Wanne voller Porzellanschalen, die klingend aneinanderstoßen; mit hölzernen Orgelpfeifen, durch die dunkle Töne gepustet werden. Alles sehr zeitgenössisch. Und damit im perfekt justierten Kontrast zu den alten Kachelöfen, den Kassettendecken, den rot- weiß-rot bemalten Fensterläden, dem verwitterten Turm, dessen Glocke noch immer schlägt. Bei Nacht ließe sich ein toller Schloss-Grusel veranstalten: mit Pfeifen, Klingeln und Geläut.
Quartier für Künstler und Sportler
Oberrauch ist Industrieller; seine Firma "Finstral" stellt Fenster und Türen her. Seine Töchter Kathrin und Sarah pflegen und erweitern die Sammlung. Die Schwestern haben gerade Künstler aus aller Welt eingeladen, für einige Wochen in die Gemeinde Eppan zu ziehen und dort an ihren Werken zu arbeiten. Der Schlossbesuch soll die kreativen Geister wecken. Es entsteht also ein hübsches Nebeneinander zweier Welten, die sich wahrscheinlich kaum berühren werden. Den Hang hinauf residieren die Künstler; den Hang hinab, im sehr feinen Hotel Weinegg, sind frisch die deutschen Fußballnationalspieler eingetroffen, um sich auf die Weltmeisterschaft in Russland vorzubereiten. Einzelne Suiten haben eine Privatsauna, andere einen eigenen Pool-Zugang.

Das Trainingslager der Deutschen findet erneut in Südtirol statt. Zweimal war der Tross schon in der Gegend südlich von Bozen: 1990 und 2010. Beim ersten Mal wurden sie später Weltmeister, zwanzig Jahre später dann Dritter. 2014 trainierten sie etwas weiter nördlich im Passeiertal. Wieder Weltmeister. Südtirol scheint ein gutes Vorzeichen für den DFB zu sein.
Viele Nationalspieler neigen zum Tunnelblick und zum Abschotten unter melonengroßen Kopfhörern. Ihre Unterkunft ist für die Außenwelt gesperrt, das Trainingsgelände mit hohem Sichtschutz umzäunt. Die Spieler und das Trainerteam werden hinter verdunkelten Scheiben vom Hotel zum Sportplatz chauffiert.
Im Reich von Wein und Burgen
Würde ein Spieler seinen Blick heben, dann sähe er: Wein, Wein, Wein und dazwischen Burgen. Den Wein brachten die Römer vor rund 2000 Jahren mit. Die Burgen kamen später: Vom 13. Jahrhundert an setzte in der Region des heutigen Eppan ein Bauboom ein. Noch heute stehen hier etwa 180 Burgen und Schlösser, die alle viele Hundert Jahre alt sind.
Wir sind hier, um einige der aktuellen Schlossherren und -damen kennenzulernen. Wie Hans Oberrauch und seine Töchter. Oder wie den Herren, der mit seiner roten Vespa auf den Hof von Schloss Boymont knattert, ohne Helm und ohne Socken in den schwarz-rot geflochtenen Lederhalbschuhen. Fritz Dellago begrüßt uns in der Ruine des Kastells, das um 1230 errichtet wurde und das nie als Kriegsschloss gedacht war; die Burggesellschaft sollte sich auf der Südseite sonnen können, wie man an den erhaltenen Terrassen erkennen kann. Streit gab es trotzdem, und so brannte das Gebäude im Jahr 1425 teilweise nieder.
Es ist kurz nach zehn am Morgen, Dellago versorgt uns mit Cappuccino und wählt für sich selbst einen Weißburgunder. "Kommt später in meinen Sektkeller!", sagt er. Wir sollten uns auf etwas gefasst machen. Nach dem Frühschoppen knattert er wieder davon.
Die Sixtinische Kapelle der Alpen
Wir wandern zur nächsten Burg, durch einen tiefen Wald voller Buchen, Akazien und Kastanien, vorbei an Felswänden, in die vor langer Zeit Fluchtwege geschlagen wurden. Irgendwo weit drinnen im Berg soll ein goldenes Kegelspiel versteckt sein, so die Sage. Man könnte eine "Indiana Jones"- Episode hier drehen.

Von der Friedensburg Boymont kommen wir an die Kriegsburg Hocheppan, errichtet um 1130. "Hier wurde immer gekämpft", sagt Baron Carl Philipp von Hohenbühel, der heutige Schlossherr oder besser: der Verwalter, denn Hocheppan befindet sich seit kurzer Zeit im Besitz der Gemeinde. Der Kaufpreis betrug 3,5 Millionen Euro. Dafür erwarb Eppan nicht nur den imposanten fünfeckigen Bergfried, sondern auch einen Schatz: die "Sixtinische Kapelle der Alpen", wie von Hohenbühel sagt.
Im kleinen Gotteshaus der Anlage finden sich Fresken von unschätzbarem Wert. Gefertigt um 1210 zeigen sie die Lebens- und Leidensgeschichte Christi. Kunstgeschichtlich interessant: die erste Darstellung eines Knödels. Eine Frau verspeist ihn nach der Geburt von Jesus. Er erzählt, dass das Innere der Kapelle im 17. Jahrhundert mit Kalk zugedeckt worden sei – das sollte die Ausbreitung der Pest bremsen. Später wurde der Raum lange als Kuhstall genutzt. Erst seit den 60er Jahren sind die Fresken wieder komplett freigelegt.
Von Hohenbühel lächelt fein, als er die Frage hört, ob der DFB eingeladen wurde, Hocheppan zu besuchen. "Die Spieler können gern hochgehen, hieß es, aber runtergehen dürfen sie nicht: Ihre Oberschenkel könnten auf den steilen Wegen Schaden nehmen." Ein WM-Debakel wegen der Knödelesserin? Nicht auszudenken.
Ab in den Sekt-Keller
Nun wollen wir den Sektkeller von Dellago kennenlernen. Er empfängt uns im Schloss Korb, einem alten Klotz, der heute ein schickes Hotel beherbergt. An Dellagos Seite: zwei Deutsche Doggen, sehr groß, aber offenbar sanftmütig. Vor dem Sekt noch ein Abstecher zu den Karpfen: "Ich habe gerade neue Kois bekommen", sagt er. Da der für sie vorgesehene Tümpel noch nicht fertig ist, drehen die Fische ihre Runden nun in einem Betonbecken unter der Erde. "Der teuerste kostete 15.500 Euro", sagt Dellago.
Nun geht es wieder den Weinberg hinauf, zu einer Pforte, die in den Fels führt. Als sie sich öffnet, erklingt Musik, als beträten wir einen Nachtclub. Vor uns ein langer Stollen. "Den haben die Soldaten von Mussolini in den Berg gesprengt", sagt Dellago. "Nach dem Ersten Weltkrieg – als Abschirmung gen Norden."
Er wurde nie gebraucht und hat nun eine neue Verwendung gefunden: als riesiger Kühlschrank, in dem Dellagos Sekt reifen kann, der eine ähnliche Farbe hat wie die geschuppten Flecken der Koi-Karpfen. Der Schlossherr hatte versprochen, uns einmal kosten zu lassen; doch jetzt ist er mit seinen Doggen verschwunden, zack, einfach weg. Sehr geheimnisvoll, dieses Land der Schlösser.
+++ Lesen Sie auch: "Hotel Giardino im Tessin - In diesem Luxushotel bereitet sich die National-Elf auf die EM vor" +++