Es ist der 5. September 1934, als die "Morro Castle" Havanna mit dem Ziel verlässt, New York in nur 58 Stunden zu erreichen. Doch dort sollte der Luxusliner, der zu diesem Zeitpunkt vier lukrative Jahre lang Passagiere von New York nach Havanna und zurück beförderte, nie ankommen.
Schon am Mittag des 6. September 1934 beginnt das Wetter umzuschlagen, die See ist rau und windig. Am nächsten Abend bleiben deshalb bereits einige der Passagiere wegen Seekrankheit in ihren Kabinen und finden sich nicht in der Lounge ein, um den Gala-Abend zu feiern, der traditionell immer am letzten Abend der Reise abgehalten wird.
Kapitän der "Morro Castle" stirbt einen Tag vor dem Brand
Kapitän Robert Renison Willmott nimmt das Abendessen in seiner Kabine ein. Kurz danach klagt er über Magenschmerzen und ruft den Schiffsarzt. Dieser findet den 55-Jährigen tot in seiner Kabine und vermutet einen Herzinfarkt. Die Gala wird abgesagt. Das Kommando des Schiffes übernimmt der Erste Offizier William Ferdinand Warms. Der Sturm nimmt indes immer mehr Fahrt auf. Meterhohe Wellen peitschen gegen die Schiffswand

Es ist 2.50 Uhr, als das Feuer an diesem Samstagmorgen im Schreibsalon der Ersten Klasse auf dem B-Deck ausbricht, das von einem der abgeschlossenen Schränke ausgeht. Da das Schiff sehr anfällig für eine Feuersbrunst ist, da praktisch jede Oberfläche entweder mit Furnierholz oder brennbarer Farbe bedeckt ist, breitet sich das Feuer rasend schnell aus. Die Brandschutztüren sind unwirksam. Das Wassersystem hat nicht genug Druck, um mehr als ein paar Hydranten gleichzeitig zu bedienen. Die Feuermelder sind praktisch unhörbar. Die Entscheidung des stellvertretenden Kapitäns Warms, die Brücke nicht zu verlassen und gegen den Gegenwind weiterzufahren, wird später kritisiert.
Passagiere springen aus panischer Angst ins Wasser
Starke Winde fachen die Flammen durch die verzierten Holzeinbauten an, während die unerfahrene und unorganisierte Besatzung versucht, das Feuer zu löschen und ein SOS-Signal zu senden. Als jedoch klar wird, dass das Feuer nicht eingedämmt werden kann, verlässt ein Großteil der Besatzung das Schiff über die Rettungsboote und überlässt die ungeschulten und in Panik geratenen Passagiere sich selbst. Diese kämpfen sich orientierungslos durch Dunkelheit und dichten Qualm. Ein Durchdringen zu den Rettungsbooten ist für manche unmöglich, weil das Feuer ihnen den Weg versperrt. Nur sechs der zwölf Boote werden zu Wasser gelassen.

Die Hitze und der Rauch sind bald schon unerträglich, und das brennende Deck verursacht Blasen an den Füßen, die sich durch die schmelzenden Schuhsohlen bohren.
Viele Passagiere springen in Panik in die aufgewühlte See, um den Flammen zu entkommen. Einige erleiden Genickbrüche oder werden bewusstlos, als sie auf dem Wasser aufschlagen, weil sie nicht angewiesen worden waren, sich beim Sprung an ihren Rettungswesten festzuhalten.
86 Passagiere und 49 Crewmitglieder sterben
Die Rettungsschiffe in der näheren Umgebung reagieren nur langsam auf den Notruf und haben Mühe, die Überlebenden in der stürmischen See zu erreichen. Das erste Rettungsschiff, das eintrifft, ist die "Andrea S. Lukenbach", ein Frachter. Es folgten die "Monarch of Bermuda", ein britisches Passagierschiff, und die "City of Savannah", ein weiteres Linienschiff. Dutzende von privaten Fischerei- und Sportbooten schließen sich ihnen und den Booten der Küstenwache an und kämpfen gegen die raue See und die hohen Wellen des Sturms an, um sowohl die Lebenden als auch die Toten aus dem Wasser zu ziehen. Bewohner versammeln sich an der Küste von Jersey, um Rettungsboote und Überlebende in Empfang zu nehmen. Ein Ehepaar, das sich durch einen Sprung vom Schiff gerettet hat, treibt sechs Stunden umher, ehe es vor der Küste aufgegriffen wird.

Das leere und brennende Schiff läuft schließlich am Strand von Asbury Park, New Jersey, auf Grund – nur wenige hundert Meter vom Pier der Convention Hall entfernt und vor den Augen zahlreicher Schaulustiger. Ein vorheriger Versuch, es in den New Yorker Hafen zu schleppen, scheiterte, als das Schleppseil riss. Von den 549 Menschen an Bord kommen 86 Passagiere und 49 Crewmitglieder ums Leben.
Brandursache wurde nie geklärt
Aufnahmen des Wochenschau-Produzenten Pathé News machten später sichtbar: Nichts war den wütenden Flammen entkommen. Decks wurden in schwarze Ruinen verwandelt, aus den Bullaugen war Glas geschmolzen, Trennwände waren zu Asche verfallen, Balken, Träger und sogar die Reling durch die Hitze verbogen. Jedes Stückchen Beplankung war verbrannt.

Warum das Feuer an Bord ausbrach wurde nie geklärt. Der leitende Funktechniker, der zum Held avancierte, weil er als eines der wenigen Besatzungsmitglieder an Bord des Schiffes geblieben war, um die Passagiere zu retten, geriet später ins Visier der Ermittler. Bei einem früheren Job war er gefeuert worden, weil er Geräte gestohlen hatte, und er war ein Verdächtiger bei einem mysteriösen Feuer an seinem Arbeitsplatz, bevor er zur "Morro Castle" kam. Nach der Brandkatastrophe eröffnete er eine Radioreparaturwerkstatt, die jedoch scheiterte. Auch sie brannte auf verdächtige Weise nieder. 1954 wurde er des Mordes an einem Freund, der ihm Geld geliehen hatte, und an dessen Tochter für schuldig befunden. Vier Jahre später starb er im Gefängnis. Beweise gegen ihn im Falle der Brandursache auf der "Morro Castle" wurden nie gefunden.
Unabhängig von der Ursache führte das Feuer auf der "Morro Castle" zur Einführung strengerer Sicherheitsnormen für den Seeverkehr, angefangen von der Verwendung feuerhemmender Materialien sowie verbesserter Brandschutztüren und -alarme bis hin zu strengeren Notfallschulungen für Besatzung und Passagiere.
Quellen: British Pathé, Mashable, cruiselinehistory.com