"Insel der Katzen" Auf Zypern gibt es mehr als eine Million Katzen – das Coronavirus könnte die meisten von ihnen töten

Katzen sitzen vor einer Haustür auf Zypern
Wenn sich das feline Coronavirus weiter so verbreitet wie bisher, könnte die "Insel der Katzen" bald fast alle Vierbeiner verlieren
© McPHOTO/Anders / Imago Images
Über eine Million Straßenkatzen leben auf Zypern, doch die Zahl der Tiere sinkt aktuell drastisch. Eine für Katzen tödliche Variante des Coronavirus breitet sich auf der Mittelmeer-Insel aus. 

1,2 Millionen Menschen leben auf Zypern – und mindestens genauso viele Katzen. Manchen Schätzungen zufolge gibt es auf der Mittelmeer-Insel sogar mehr Katzen als Menschen. Doch die Anzahl der Vierbeiner geht aktuell rapide zurück: Eine für Katzen tödliche Variante des Coronavirus breitet sich seit etwa einem halben Jahr auf der Insel aus.

Katzen sollten auf Zypern Schlangen verjagen

Die Geschichte der Katzen-Population auf Zypern beginnt in einem Kloster, das – passend zur historischen Begebenheit – den Namen "St. Nikolaus der Katzen" trägt. Wie der Reiseführer "Lonely Planet" berichtet, wurde das Konvent am Rande einer weitläufigen Halbinsel an der Südspitze Zyperns im Jahr 327 n. Chr. vom ersten byzantinischen Gouverneur des Landes gegründet. Die heilige Helena, Mutter von Konstantin dem Großen, förderte den Bau des Klosters. Allerdings litt die gesamte Insel damals unter einer schweren Dürre und wurde von Giftschlangen heimgesucht. Wie sowohl der Reiseführer als auch die Nachrichtenagentur Reuters schreiben, soll Helena mehrere Schiffsladungen an Katzen von Ägypten nach Zypern importiert haben – in der Hoffnung, die Katzen würden die Schlagen jagen.

Laut dem Portal "Cyprus Tourism" läuteten in dem Kloster daraufhin zwei verschiedene Glocken: Eine, die die Menschen zum Beten rief und eine andere, die den Katzen ihre Mahlzeiten ankündigte. Nach dem Essen sollten die Samtpfoten auf die Jagd gehen. Der Plan ging auf: Die Vierbeiner dämmten die Schlagen-Plage schnell ein – und haben sich selbst im Laufe der Zeit rasant vermehrt. "Heutzutage sind die vielen Katzen, die im Schatten der Kolonnaden des Klosters dösen, weitaus zahlreicher als die Handvoll einsamer Schwestern, die sich jetzt um den Ort kümmern", heißt es im Artikel von "Lonely Planet".

Auch die bisher älteste Hauskatze stammt – anders als bisher angenommen – nicht aus Ägypten, sondern aus Zypern. Das belegte ein Fund aus dem Jahr 2004. Damals kamen laut der "Welt" 9.500 Jahre alte Überreste einer Hauskatze in einem Grab nahe dem zyprischen Dorf Parekklisia zum Vorschein. Dort ist das Tier zusammen mit einem Menschen, vermutlich mit seinem Besitzer, beigesetzt worden. Das legt die Vermutung nahe, dass die Menschen auf Zypern als erstes Volk der Welt wilde Katzen zähmten. Heute sind es vor allem Streunerkatzen, die die Mittelmeerinsel – oft auch "Insel der Katzen" genannt – bevölkern. Die Tiere sind an jeder Ecke anzutreffen und leben zum Teil in großen Kolonien: Am Strand, in Restaurants, in Hotelanlagen, auf Friedhöfen. Die Streuner sind so zahlreich, dass sie für das Land, genau wie einst die Schlangen, zum Problem geworden sind.

Streunerkatzen brauchen die Hilfe der Menschen

"Wir haben es mit einer Wildkatzenpopulation zu tun, die sich einer Million nähert, das ist eine grobe Schätzung", sagte Dino Ayiomamitis, Vorsitzender der Katzenschutzorganisation "Cat PAWS-Gesellschaft" der Nachrichtenagentur Reuters vor zwei Jahren. Der Freiwillige füttert an verschiedenen Standorten rund Nicosica, der Hauptstadt Zyperns, täglich etwa 200 Katzen. Das Lokalblatt "Cyprus Mail" schätzt die Zahl der wild lebenden Katzen mit 1,5 Millionen sogar noch höher. Das größte Problem sei die schiere Anzahl der Tiere, wie David Fender, Betriebsleiter und Vorsitzender der "Malcolm Cat Protection Society" gegenüber Reuters erklärte: "Viele unkastrierte und nicht-sterilisierte Katzen bedeuten jedes Jahr viele Kätzchen." Die hohe Populationsdichte der Tiere, gepaart mit einem Mangel an Beutetieren und Wasser führt dazu, dass die Vierbeiner häufig von einer Versorgung durch den Menschen abhängig sind.

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Neben tierlieben Anwohnern – nahezu jedes Dorf hat seine eigene "Cat Lady" – kümmert sich eine ganze Reihe von Tierschutzorganisationen um die Streuer. Freiwilligen wie Dino Ayiomamitis füttern die Katzen und fangen sie ein, um sie zu kastrieren bzw. zu sterilisieren. Manche werden anschließend vermittelt, andere wieder in die Freiheit entlassen. Das Tierheim der "Malcolm Cat Protection Society" vermittelt etwa 100 Tiere im Jahr, aber die Zahl der Neuankömmlinge übersteige die Zahl der Abgänge bei Weitem, klagte David Fender im Gespräch mit Reuters.

Die Regierung Zyperns unterstützt die Tierschutzorganisationen mit finanziellen Mitteln. 2011 setzte das Land die Hilfen wegen der Wirtschaftskrise aus. Inzwischen stellt der Staat wieder 75.000 Euro pro Jahr für die Katzensterilisationen bereit, laut "Cyprus Mail" waren es vergangenes Jahr sogar 100.000 Euro. Ein Tropfen auf den heißen Stein, finden die Tierschützer. Inzwischen stehen sie vor einem weiteren gravierenden Problem: Seit etwa sechs Monaten breitet sich eine Variante des felinen Coronavirus auf Zypern aus. Für den Menschen besteht keine Gefahr, bei Katzen jedoch löst das Virus die feline infektiöse Peritonitis (FIP) aus, an der nach Schätzungen von Dinos Ayiomamitis bisher mindestens 300.000 Katzen gestorben sind.

90 Prozent der Straßenkatzen könnten an dem Virus sterben

Laut einem Bericht von "t-online" wird das Virus über kleinste Kotpartikel sowie Speichel- und Nasensekret übertragen. Haben Katzen ein intaktes Immunsystem, muss die Krankheit nicht unbedingt ausbrechen. Viele der Tiere auf Zypern leiden jedoch an anderen Infektionen, Unterernährung oder Parasiten, wodurch das Immunsystem dann bei einer Ansteckung so geschwächt ist, dass es zu einer Erkrankung kommt. Der Tierarzt Kostis Larkou sprach im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP von einer natürlichen Auslese. Die schwächsten Katzen werden sterben und nur die stärksten unter ihnen seien in der Lage, Antikörper zu bilden und weiterzuleben. Das sei allerdings ein sehr geringer Anteil – 90 Prozent der Tiere könnten sterben.

Für das Virus gibt es laut einem Bericht des österreichischen Rundfunks zwei Behandlungsmöglichkeiten: Das Anti-Covid-Präparat Molnupiravir oder die antivirale Tablette GS-441524, die chemisch dem Remdesivir ähnlich ist, das zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt wird. Die Tablette ist demnach zur Einfuhr nach Zypern zwar zugelassen, die Behandlung kostet pro Katze jedoch 3.000 bis 7.000 Euro – und ist damit kaum bezahlbar. "Ich hoffe aufrichtig, dass man nicht beabsichtigt, die Seuche sich ausbreiten zu lassen, um die Population streunender Katzen zu reduzieren", sagte Tierschützer Dino Ayiomamitis der AFP. Sonst könnte Zypern bald zur "Insel der toten Katzen" werden.

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