Herrn Chen, Filialleiter eines der 20 Home Inn-Hotels in Peking, dürfte der 1. August als der Beginn eines geschäftlichen Alptraums in Erinnerung bleiben. Diese landesweit vertretene Hotelkette mit Sitz in Schanghai bildet das chinesische Pendant zu Ibis oder Etap. An der kanariengelben Farbe sind ihre Häuser schon von weitem zu erkennen. Wer ein Quartier sucht, das günstig, aber sauber ist, wird hier in der Regel fündig.
Auch ein Vier-Stunden-Hotel
Die Klientel besteht vor allem aus preisbewussten Geschäftsleuten sowie einheimischen Touristen. Alle paar Monate kann Herr Chen auch experimentierfreudige ausländische Gäste begrüßen. Ein rotes Banner über dem Eingang signalisiert, dass das Home Inn auch ein Herz für Verliebte hat: "Vier Stunden nur 120 Yuan!" Eine volle Nacht kostet knapp 300 Yuan, umgerechnet 30 Euro. Während der Olympiade verdreifachte Herr Chen die Preise lediglich - größere Hotels verlangten das Vier- bis Fünffache.
Am 1. August aber eröffnete direkt nebenan ein zweites Hotel, das ebenfalls kleine Geschäftsleute sowie einheimische Touristen beherbergt, das ebenfalls kanariengelb leuchtet, das noch sauberer und günstiger scheint als das Home Inn - und das der Konkurrenz gehört: 7 Days Inn, mit Sitz in Shenzen. Während der Olympischen Spiele verlangte es unschlagbare 400 Yuan, lediglich das Doppelte der üblichen Rate. Als eines der wenigen Hotels der Stadt war dieses 7 Days Inn denn auch komplett ausgebucht, das Home Inn dagegen nach Angaben von Herrn Chen zu rund 70 Prozent - also vermutlich nur zur Hälfte.
Über den Autor
Aus Peking berichtet: Stefan Schomann, geboren 1962, freier Autor und Reporter, lebt in Berlin und Peking. Zuletzt erschien sein Buch "Letzte Zuflucht Schanghai" im Heyne Verlag, eine wahre Geschichte aus den vierziger Jahren, über die Liebe zwischen einem jungen jüdischen Emigranten und einer Chinesin aus gutem Hause.
Mehr über ihn unter www.autoren-reporter.de
Zwei knallgelbe Hotels in einer Allerweltsstraße im Osten Pekings - da kann man seine Schadenfreude kaum verhehlen. Auch chinesische Firmen werden also Opfer von Raubkopierern. Nichts wird so erfolgreich nachgeahmt wie der Erfolg. Schlecht für Herrn Chen, aber gut für die Kunden, denn nun wird wohl auch das Home Inn seine Preise noch etwas senken müssen oder das drei Jahre alte Haus bald modernisieren.
China, nein danke
Die Preispolitik vor den Olympischen Spielen war ein Schulbeispiel für fehlgeschlagene Spekulation; noch ein Grund zur Schadenfreude also. Anfang des Jahres galt als Faustregel, dass man pro Stern 100 Dollar rechnen müsste, also 400 Dollar für ein Vier-Sterne-Hotel, das sonst für 100 zu haben wäre. Auf dem Höhepunkt der vorolympischen Goldgräberstimmung wurde gar 100 Euro pro Stern veranschlagt.
Dann aber kam es zu den Unruhen in Tibet und dem Hickhack um den weltumspannenden Fackellauf. Der Staatsapparat reagierte panisch und instinktlos. Er wollte Macht und Ordnung wahren, aber er verlor sein Gesicht. Parallel wurde die bislang vergleichsweise großzügige und souveräne Visapraxis durch eine rigide, argwöhnische Besuchspolitik abgelöst. Chinas Image hätte kaum gründlicher verdorben werden können. Die Vorfreude auf die Olympischen Spiele wich düsterem Unbehagen. Gleichzeitig sprachen sich die Preisspekulationen natürlich herum. Das Ergebnis all dieser Entwicklungen lautete: China, nein danke.
Stornos statt Reservierungen
Ab April wurde es still in den Reservierungszentralen. Wenn noch Anfragen hereinkamen, betrafen sie Stornos. Vor allem die ausländischen Gäste blieben weg, aber auch viele chinesische Touristen, wenngleich aus anderen Gründen. Zehntausende stornierten ihre Reservierungen, als sie bei der Ticketvergabe leer ausgingen. Die Eintrittskarten verschwanden in dunklen Kanälen oder gingen an Großbetriebe und Massenorganisationen, deren Mitglieder sich dann nichts aus Wasserball oder Bahnradfahren machten. Am Ende verzeichnete die Stadt weniger Besucher als sonst. Die Stadien waren halbvoll, die Hotels halbleer, die Sehenswürdigkeiten flau besucht, die Andenkenläden verwaist und viele Reiseführer arbeitslos.
Durch ihre harte Linie hat die Regierung der Stadt Peking einen Bärendienst erwiesen und Millionenverluste beschert. Zum Schluss kollabierten die Preise, die Hotels unterboten sich mit Sonderangeboten. Doch es half alles nichts - jetzt kam keiner mehr. Die Frühbucher hingegen ärgerten sich schwarz.
Peking kommt wieder in Mode
Soweit der vorläufige olympische Kassensturz. Langfristig werden die Spiele sich freilich auszahlen, das war auch in Athen nicht anders. Mit den Sportsfreunden kam bereits ein anderes Publikum nach Peking als die gewohnten Bildungs- und Geschäftsreisenden. Und Millionen Fernsehzuschauer dürften nachhaltig neugierig geworden sein. Peking ist jetzt in, und das weltweit.
Guosheng Liu, Geschäftsführer von China Tours, einem deutschen Spezialveranstalter für Reisen nach China, bringt die Entwicklung auf die Formel: "Olympia war gut für die Werbung, aber schlecht für die Buchung." Nach Jahren kontinuierlicher Steigerung brachte 2008 auch ihm erstmals einen Rückgang der Gäste- und Umsatzzahlen. Doch fürs nächste Jahr zeichnet sich bereits eine deutlich stärkere Nachfrage ab, vor allem bei Sonderreisen und Incentives.
Lesen Sie auf der nächsten Seite die persönlichen Hoteltipps des Autors:
von solider Mittelklasse bis Designhotel
Die Stadt hat durch Olympia nicht nur neue Sehenswürdigkeiten hinzugewonnen, sondern auch eine ganze Reihe neuer Unterkünfte. Vom 7 Days Inn bis zum himmelhohen Park Hyatt, dem modernsten unter den kaum mehr zu zählenden Luxushotels.
Zu den erfreulichsten Neuzugängen gehört eine kleine Oase im Shi Jia-Hutong am Nordrand des Zentrums. Keine Reklametafel, keine Leuchtschrift weist den Weg ins Labyrinth der alten Hofgassen. Nur eine hölzerne Tafel prangt neben dem schweren Tor aus Mahagoni: Shi Jia House. Doch die chinesische Volksweisheit lehrt: "Wenn ein Lokal duftenden Schnaps ausschenkt, dann mag es noch so verborgen liegen - du findest es schon."
Das Hotel des chinesischen Frauenbundes
Tritt man über die Schwelle, umfangen einen postkoloniale Ästhetik und tropisches Flair. Acht Bungalows scharen sich um einen grünen Innenhof. Viel Rattan, Leinen und Bambus, dazu Buddhastatuen en masse - ein Ambiente, wie man es eher aus Thailand oder Vietnam kennt. Die Zimmer sind mit chinesischen Lackmöbeln, fernöstlichen Accessoires und meditativer Kunst garniert. Und all das auf dem Gelände einer früheren Schuhfabrik! Mit rund 200 Euro pro Suite greift das Shi Jia House für hiesige Verhältnisse freilich preislich sehr hoch.
Auch hier gibt es ganz in der Nähe ein stilistisches Vorbild. Den vermutlich ältesten, dennoch bis heute kaum geläufigen Geheimtipp Pekings: das Hao Yuan Hotel. Ebenfalls ein altes, lauschiges Hofhaus mit nostalgischem Ambiente und nur einem Dutzend Zimmer. In einer derart dichten und betriebsamen Stadt wie Peking sind solche Refugien gar nicht hoch genug zu schätzen. Es gehört dem Chinesischen Frauenbund, der es seit zehn Jahren als Hotel führt. Die Einrichtung besteht aus klassisch-imperialen Chinoiserien, wobei der obligate Flachbildschirm als zeitgenössische Chinoiserie anzusehen wäre. Hier kommt man für 70 bis 90 Euro pro Zimmer unter.
Was es bisher in Peking so gut wie gar nicht gab, waren Designhotels. Doch auch hier haben die Spiele einiges in Bewegung gebracht. Seit dem Frühjahr macht zum Beispiel The Emperor von sich reden. Gar nicht so sehr wegen der coolen Gestaltung, die von einem deutschen Innenarchitekten stammt. Sondern wegen des Ausblicks von der Dachterrasse, der direkt über die Dächer des Kaiserpalastes gen Sonnenuntergang geht. Es gibt keine exquisitere Aussicht in der Stadt - weshalb ein Bier hier auch 70 Yuan kostet. Der kleine Laden zwei Ecken weiter verkauft es für drei Yuan.
Apartment mit Dachgarten und Aussicht
Eine andere, ebenfalls noch neue Variante ist die Umwidmung von Apartmentkomplexen. Das Brown Hotel am Westeingang zum Himmelsaltar ist so ein Fall. Ein solides Mittelklassehaus mit 65 Zimmern, das sich vor allem für Familien und kleine Reisegruppen anbietet. Auch hier war während Olympia, wie Verkaufsleiterin Sun Jiannan erzählt, der Dachgarten besonders beliebt. Preschten doch Radfahrer und Marathonläufer direkt darunter vorbei. Und die Feuerwerker der Eröffnungsfeier ließen hier den ersten von 29 Fußstapfen im Himmel über Peking aufleuchten.
Sun, 23 Jahre jung, kommt frisch von der Hotelschule, geht aber derart unbefangen mit den Gästen aus aller Welt um, wie es wohl nur ein Naturtalent fertig bringt. Üblicherweise halten die meisten Besucher sich nur wenige Tage in Peking auf - während Olympia aber blieben sie zwei, drei Wochen. So dass sich tiefere Beziehungen entsponnen. Wie die zum dreijährigen Philipp aus Reutlingen, den Sun so hold behütete, bis er nach einer Woche Chinesisch verstand und sie ein bisschen Schwäbisch. Wenn das kein Service ist.