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Penang in Malaysia Das Wunder von George Town

Eine Chinesin und eine Inderin haben das historische George Town in einer beispiellosen Rettungsaktion vor dem Verfall bewahrt. Seit 2008 steht die Hafenstadt auf der Liste des Unesco-Welterbes.
Von Michael Lenz

Ein Teil der Touristen reist wegen der Traumstrände nach Asien. Andere suchen eine fremde Kultur und Lebensweise. Letztere werden nach der Ankunft in Bangkok oder Singapur jedoch häufig enttäuscht. In den sterilen Metropolen erinnert nichts mehr an die exotische Welt des fernen Ostens, wie sie von Autoren wie Somerset Maugham oder Joseph Conrad beschrieben worden sind.

Wo scharfe Currys köcheln

Aber die geheimnisvolle Atmosphäre mit all ihren Düften und Traditionen ist noch nicht verschwunden. Die Altstadt von George Town auf der malaysischen Insel Penang an der Straße von Malakka hat sich seit ihrer Gründung vor mehr als 230 Jahren wenig verändert. Chinesische Pagoden, indische Tempel, christliche Kirchen, Moscheen, koloniale Häuser bestimmen das Bild der Stadt. In den engen Gassen des historischen Zentrums geht es geschäftig zu. Kaum ein Haus, in dem nicht kleine Handwerkerbetriebe zu finden sind. In Garküchen werden Dim Sum gedämpft und scharfe Currys auf dem Feuer gekocht.

In den gerade frisch restaurierten Kaufmannshäusern am Hafen war auf seiner einzigen Auslandsreise der Schöpfer von Winnetou zu Gast. Karl May residierte im damals wie heute edlen Eastern & Oriental Hotel und bewunderte das Treiben der Malaien und Inder, Chinesen und Eurasier, Armenier und Japaner, Engländer und Deutschen, Filipinos und Indonesier. Diese ethnische Vielfalt, die George Town so einzigartig macht, führte dazu, dass die Stadt von der Unesco 2008 zum Weltkulturerbe erklärt worden ist. "Es gibt hier auf der Insel eine regionale Identität. Die beruht darauf, dass alle nicht von hier sind, selbst die Malaien nicht. Die ganze Bevölkerung hier stammt von Zuwanderern ab", sagt Teresa Capol, die selbst ein lebendiges Beispiel für die ethnische Buntheit von George Town ist. Die vor 58 Jahren in Kuala Lumpur geborene Tochter indischer Einwanderer ist seit 25 Jahren mit dem Schweizer Urs Capol verheiratet, der in George Town als Designer und Manager für die Niederlassung einer deutschen Schmuckfirma arbeitet.

Heritage Walking Tours mit Teresa

Die Auszeichnung Weltkulturerbe hat George Town zwei Frauen zu verdanken: Koh Salma und Teresa Capol. Die chinesischstämmige Koh Salma, deren Familie seit Generationen in George Town lebt, hatte vor gut 20 Jahren begonnen, die alte Bausubstanz der Altstadt zu fotografieren und die Geschichte des ehemaligen britischen Handelspostens zu dokumentieren. Inspiriert und ermutigt wurde sie dazu von dem Berliner Professor Alex König, der Anfang der 90er Jahre der erste Stadtplaner von George Town war.

Die Spekulanten hätten sich nicht mit ihren Abrissplänen durchsetzen können, erinnert sich König, aber ein Restaurierungsverbot beschleunigte den Zerfall. Wer heute durch das koloniale George Town spaziert, hört viel Vogelgezwitscher. Was es damit auf sich hat, erfährt, wer sich einer der Stadtführungen "Heritage Walking Tours" von Teresa anschließt. "In den leerstehenden Häusern sind Schwalben angesiedelt worden, deren Nester bei den Chinesen als Delikatesse gelten", erklärt sie und fügt kritisch hinzu: "So nutzen die Hausbesitzer die Gebäude auf profitable Weise, während sie sie langsam verfallen lassen."

Die Stadtführungen hat Teresa vor Jahren entwickelt, um Geld für den von allen Seiten angefeindeten "Penang Heritage Trust" (PHT) zu beschaffen und gleichzeitig eine Öffentlichkeit für die "Perle des Orients" zu schaffen, wie George Town früher hieß. Die Botschaft an die Einheimischen lautete: Seht her, Touristen interessieren sich für die Kultur und Geschichte der Stadt. Das ist ein Schatz, den wir bewahren müssen. Es hat funktioniert. Dass Malaysias Regierung zusammen mit der Landesregierung von Penang bei der Unesco den Status des Weltkulturerbes für George Town beantragt hat, daran hat Teresa einen großen Anteil, sagt König. "Die Grundstückseigentümer haben immer gesagt, die Touristen kämen nicht, um alte Häuser anzuschauen. Teresa hat das Gegenteil bewiesen."

Das Wochenendeziel für Asiaten

Der Durchbruch kam vor acht Jahren, als Teresa den Kauf eines alten Hauses in der Armenian Street durchsetzte, die dem Jodie-Foster-Film "Anna und der König" als Kulisse gedient hatte. Die wirkliche Anna Leonowens lebte in George Town und verdingte sich nach dem frühen Tod ihres Gatten, dessen Grab noch auf dem protestantischen Friedhof zu sehen ist, als Englischlehrerin für die Kinder des Königs von Thailand. Zusammen mit ihrem Gatten Urs restaurierte Teresa das Haus - heute ein Restaurant und Museum. "Seitdem arbeiten wir Hand in Hand", sagt Teresa. Das Restaurant trägt den Namen "Edelweiß", eine Referenz an Teresas familiäre Bindungen an die Schweiz.

Unterstützung erfahren die Denkmalschützer um Teresa von dem Italiener Marco Battistotti, Generalmanager eines modernen Hotels in George Town. Das G Hotel liegt am Gurney Drive, eine Straße mit Hochhäusern und Einkaufszentren. "Wir setzen auf die junge, lifestylebewusste und urbane Zielgruppe", sagt Battistotti. Viele dieser Paare fliegen über das Wochenende aus Bangkok, Singapur oder Kuala Lumpur ein, nur um in den Garküchen am Gurney Drive und in der historischen Altstadt zu essen. "George Town hat den Ruf, die beste Küche Asiens zu bieten", sagt der Deutsch-Italiener. "Viele der jungen Leute wollen aber auch ihre Kultur wiederentdecken, die in den anderen Metropolen Südostasiens weitgehend verschwunden ist." Da sind sie in George Town am richtigen Ort.

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