In der Menschentraube vor der digitalen Anzeigetafel in Halle B am Frankfurter Flughafen ist kein Durchkommen mehr. Dutzende Fluggäste starren ungläubig von der Tafel auf ihre Flugunterlagen und wieder zurück. Viele kramen ihr Handy hervor und telefonieren. Andere verfolgen mit ernsten Mienen die Abflughinweise der größten europäischen Fluggesellschaft, der am Mittwoch eine Computerpanne die Flugpläne durcheinanderwirbelt. Leipzig 10.15 Uhr, Nürnberg 10.25 Uhr, Düsseldorf 10.35 Uhr - alle gestrichen. Viele Fluggäste blicken sich hilflos um.
200 Meter lange Warteschlangen
Die routinemäßige Software-Aktualisierung für einen Zentralcomputer hatte über Nacht das Abfertigungssystem der Lufthansa ausfallen lassen. Weltweit mussten Passagiere per Hand mit Stift und Papier eingecheckt werden, berichtet ein Lufthansa-Sprecher. An Deutschlands größtem Luftdrehkreuz Frankfurt sorgt all das für rund zweihundert Meter lange Schlangen vor den Schaltern. "Ich hoffe, meinen Flug noch zu erwischen, aber niemand weiß Genaues", sagt Tamara Schneider. Die 29-Jährige Amerikanerin hatte ihre Tanten in Deutschland besucht und will nun zurück nach Boston. "Mein Flieger soll um 12.50 Uhr gehen, ob das noch klappt - keine Ahnung." Das Service-Personal in den weinroten Westen hat den undankbaren Job, immer wieder aufs Neue zu erklären: "Alles, was wir wissen, ist, dass es Verzögerungen gibt und Flüge ausfallen. Bitte bleiben Sie in der Schlange."
Schwarze Bildschirme am Automaten
Ein Pole will ins schlesische Kattowitz und dort einen Inlandsflug erwischen. Doch seine Maschine ist mit 70 Minuten Verspätung angekündigt. "Mir hilft hier keiner. Was ist, wenn die Verbindung doch noch gestrichen wird? Bucht man mich dann um? Bekomme ich Geld zurück, wenn ich meinen Anschlussflug verpasse?", fragt der 22-Jährige. Die Bildschirme der gut 40 Lufthansa-Automaten für den schnellen Check-In auf eigene Faust zeigen derweil alle dasselbe Bild: Im schwarzen Weltraum über der Erdhalbkugel prangen die weißen Lettern: "Außer Betrieb - Out of Order".
Der Lufthansa-Werbespruch: "There's no better way to fly" - Es gibt keinen besseren Weg zu fliegen - er geht an diesem Tag gründlich an der Realität vorbei. "Wegen technischer Störungen kommt es zu Verspätungen bei den Lufthansa-Verbindungen", leiert eine Stimme in regelmäßigem Abstand aus den Lautsprechern. Die sieben Damen am zentralen Schalter der Lufthansa ackern nach Kräften. Doch bis die Arbeit manuell erledigt ist, dauert es pro Passagier oft länger als zwei Minuten. Zu allem Überfluss muss auch die Gepäcklogistik ohne die Hilfe von Scanner und Computer erledigt werden, da die Sicherheitsvorschriften dies nun einmal so verlangen. "Es ist doch das pure Chaos hier", wettert Dave Austrin. Der Texaner mit Cowboyhut und US-Army-Jacke meint nur: "Irgendwie sieht das hier nicht nach deutscher Effizienz aus." Doch es gibt auch Wartende, die alles gelassener sehen. "Das wird schon alles glattgehen, nur keinen Stress", sagt Luba-Anna Reisler, die eigentlich in 50 Minuten nach Mailand-Malpensa abheben sollte.
Täglich 180.000 Fluggäste
Die Lufthansa - in der Gruppe inzwischen größte Fluggesellschaft Europas - setzte eine dreistellige Zahl zusätzlicher Mitarbeiter ein, um die Wartezeit zu verkürzen. Erschwert wurde die Abfertigung auch, weil das Gepäck am Flugzeug den einzelnen Passagieren nochmals zugeordnet werden musste. Dies sehen die Sicherheitsvorschriften vor, wenn die Zuordnung nicht per Computer erfolgen kann. Das Einchecken übers Internet oder per Handy durch den einzelnen Fluggast lief dagegen problemlos. Bereits im Jahr 2004 hatte ein Ausfall der Check-in-Computer der Lufthansa für endlose Schlagen, verärgerte Passagiere und gestrichene Flüge gesorgt.
Lufthansa zählt im Schnitt jeden Tag etwa 180.000 Gäste und absolviert um die 2000 Flüge. Am Donnerstag ist laut Lufthansa wieder mit einem normalen Verkehr zu rechnen. Bis zum Abend waren jedoch Verspätungen weiter möglich, weil die eingesetzten Flugzeuge bereits später als geplant an den Flughäfen ankamen.
DPA