Wer steckt hinter... ...dem Krisenmanagement der Tui?

Ob Streiks, Seuchen oder Hotelbrände: Wenn es am Urlaubsort Probleme gibt, trommelt Klaus Rütt sein Team zusammen und organisiert Hilfe für die Touristen.

Wenn die Welt in eine Krise stürzt, erfährt er als einer der Ersten davon. Egal, ob Hühner in China einer Pest erliegen, Bomben in Sharm-el-Sheik explodieren oder ein Tsunami anrollt - bei Klaus Rütt klingelt das Handy, lange bevor CNN das Ereignis verkündet. Und dann muss er entscheiden: Betrifft dieses Unglück unsere Kunden?

Rütt, 62, ist Krisenmanager der Tui. Wenn er ein Geschehen in einer Ferienregion als "Krise" einstuft und seinen Stab zusammentrommelt, befinden acht Menschen darüber, was mit den Touristen vor Ort geschehen soll. Wie viele sind betroffen? Müssen wir sie ausfliegen? Bitten wir die Bundeswehr um Hilfe? 30 Minuten lang tagt Rütt mit seinen Kollegen im Krisenraum von Europas größtem Touristikkonzern, dann muss eine Entscheidung gefallen sein. In dieser Zeit bleiben alle Handys ausgeschaltet, "damit ein einheitlicher Informationsstand herrscht", erklärt Rütt.

Gerade ist er aus dem Urlaub heimgekehrt, aus seinem Gesicht strahlt noch die Sonne der Kanaren. Hinter Rütt zerteilen Linien die Weltkarte in Zeitzonen. Ständig laufen Nachrichten des Auswärtigen Amtes und Erdbebenmeldungen der Geologischen Institute ein. Sechs Uhren ticken im gleichen Rhythmus. In Puerto Plata sitzen sie gerade beim Frühstück, in Bangkok bereiten sie das Abendessen zu. Rütt drückt auf einen silberfarbenen Schalter: Mit leisem Brummen hebt sich die Mitte des Tisches an, aus dem Bauch fahren Telefone und Laptops nach oben. Es sieht jetzt ein bisschen so aus, als stünde Rütt in der Kommandozentrale von Raumschiff Enterprise.

Bedrohliche Ereignisse in Feriengebieten bewertet Rütt mit einem vierstufigen Farbschema. Badeunfälle und Pkw-Crashs gehören zum Tagesgeschäft und werden grün markiert. Streiks und Waldbrände sind ärgerlich, werden aber nur mit "gelb" eingestuft. Rütt und sein Stab treten erst bei Alarmstufe "orange" zusammen: gehäufte Erkrankungen, Hurrikane, Hotelbrände. Richtig ernst wird es bei "rot": Terroranschläge, Naturkatastrophen, Epidemien. Vier bis fünf rote Krisen muss Rütt pro Jahr bewältigen - egal, wo er sich gerade aufhält.

Wenn sein Handy klingelt, ist es meistens dienstlich. Mehr als 100 Reiseleiter auf der ganzen Welt haben seine Nummer. Meldet einer von ihnen eine Krise, läuft Rütts Maschinerie an. Als der Tsunami Südostasien überschwemmte, war er gerade mit seiner Frau im marokkanischen Atlasgebirge unterwegs. Der Anruf einer Reiseleiterin von den Malediven riss ihn nachts im Hotelzimmer aus dem Schlaf. Er packte seine Sachen, fuhr ins 80 Kilometer entfernte Agadir und flog von dort in die Zentrale nach Hannover.

"Nach meiner gefühlten Statistik treten die meisten Krisen am Wochenende ein", sagt er. Bis vor kurzem hatten die Rütts ein Theater-Abo, acht Vorstellungen, immer freitags. Nachdem er sieben absagen musste, wurde es der Gattin zu bunt. "Sie hat das Abo gekündigt." Ansonsten reagiere seine Frau verständnisvoll, sagt Rütt.

Seit sieben Jahren leitet er den Krisenstab der Tui. Abschalten ist schwierig in seinem Job. Am besten kann er die Krisen dieser Welt hinter sich lassen, wenn er im Schwimmbad seine Bahnen zieht. Und auf Reisen ist er ein wenig vorsichtiger geworden. "Wenn ich in ein Hotel gehe", sagt er, "kläre ich immer als Erstes, wo die Notausgänge liegen."

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Von Stéphanie Souron

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