
Terceira: Grüße aus der Unterwelt
Atlantis? Manche sagen, es sei hier versunken, auf den Azoren. Terceira ragt aus dem Atlantik, eine Insel aus Feuer und Stein, geformt von der Erde, die nie zur Ruhe kommt. Das Meer hebt und senkt sich, Kontinentalplatten driften, Spalten öffnen und schließen sich. Ich steige hinab in die Algar do Carvão, ins Herz der Insel, durch einen Schlund aus erkalteter Lava. Feuchte Wände tragen Spuren vergangener Eruptionen, Schwefel hängt in der Luft. Am Grund eine stille Lagune – ein Überbleibsel der kochenden Ursuppe, die einst hier tobte. Oben auf dem Santa Bárbara reicht der Blick bis zum Vulkan Pico in der Ferne. An der Küste, in den Lavapools von Biscoitos, lassen sich Einheimische vom Atlantik umspülen, während draußen Wale in der Sonne aufblitzen. Ihre Gäste empfangen die Insulaner mit lässiger Herzlichkeit. Und sie feiern mit ihnen Feste wie die Tourada à corda, bei dem ein Stier durch die Straßen getrieben wird. Angeblich kehrt er am Ende auf die Weide zurück. Junge Männer rennen, weichen aus, wagen sich wieder heran. Manch einer rutscht aus und fällt ins Hafenbecken, klettert wieder raus. Dann ist das Spektakel vorbei, als hätte es nie stattgefunden. Das Meer verschluckt alles (Patrick Slesiona)
© Patrick Slesiona