
Graubünden: Von Rand zu Rand
Die Ränder haben ihren Reiz. Man fühlt sich am Ende und am Anfang von etwas zugleich. Eine Woche verbrachten mein Mann und ich im Val Müstair, dem östlichsten Zipfel der Schweiz, in einem Sommer, der sich wie Herbst anfühlte. Andere Touristen sahen wir fast nur bei der Durchfahrt durch unseren kleinen Ort mit seinen prächtigen Engadinerhäusern. Südtirol ist nah, der bei Motorradfahrern beliebte Ofenpass auch. Schade für alle Durchreisenden, dass sie Santa Maria verpassen. Der Schweizer Schriftsteller Tim Krohn hat hier mit der Chasa Parli einen Rückzugsort für Kreative geschaffen. Ein Haus aus Stein, erbaut 1619. Sechs Ateliers in den Obergeschossen, unsere Ferienwohnung war im Erdgeschoss. Draußen steht das Gras hoch, dennoch meint man, auf beiden Seiten der schweren Holztür Heu und Schnee riechen zu können, so allumfassend ist die Natur hier, und so schön muss sie zu jeder Jahreszeit sein. Wir lesen auf der Wiese, gehen durch den Wald, schauen uns in Müstair das Kloster St. Johann an, Unesco-Welterbe. Einmal machen wir eine vierstündige Wanderung am Ofenpass und werden mit Murmeltieren belohnt, diesen großzügigen birnenförmigen und doch gut getarnten Sonnenanbetern. Ein andermal fahren wir abends die 15 Kilometer hinab nach Glurns, das auf Italienisch Glorenza heißt, und essen sehr gut im "Flurin". Dann geht es zurück vom Rand des einen Landes an den des anderen. Zurück in unser Haus mit Geschichte, in dem in den oberen Stockwerken neue Geschichten entstehen (Katharina Brenner-Meyer)
© Ellen Gromann