
Gorges du Tarn: Fluss jetzt!
Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. So oder so ähnlich heißen Ratgeber übers Älterwerden, Playlists zum Runterkommen und französische Autorenfilme. Der reinste Kitsch. "Ein Boot für dich alleine, echt?", fragt der Verleiher meinen Elfjährigen, während er uns gelbe Plastikkanus aus einem Hänger zieht. Es ist frühmorgens, wir stehen mit vier Kindern am Ufer des Tarn, der südfranzösische Sommer durchdringt alles mit Licht, Wärme und Farben. Der Junge guckt beleidigt. Klar kann er eigenhändig da runterpaddeln, wirst du sehen! Wir wollen die Gorges du Tarn durchqueren, diese spektakuläre Schlucht in Okzitanien. Kein Geheimtipp, aber einer, dem die Massen anderer Kanus nichts anhaben können. Schon das Dorf Sainte-Enimie, unser Startpunkt, ist zum Staunen schön. Wir paddeln los, drehen uns im Kreis, lernen dazu und machen es besser. Der Fluss ist mal flach wie eine Kinderhand und rollt glitzernd über die Kiesel, mal ist er ein weiter, tiefgrüner Strom. Die Jungs wundern sich, wie leicht es gelingt, Fische mit der Schirmmütze zu keschern. Erklärung: "Die sind gechillt, weil: haben halt auch Ferien." Als gegen Abend kräftezehrende Strudel hinter uns liegen und es unterm Boot leise und machtvoll strömt, denke ich: Kann das nicht immer so flüssig laufen mit diesen vier Patchwork-Kindern zwischen 8 und 18 Jahren? Mal kommt der eine längsseits und will ein Mars, mal paddelt die andere heran und sagt: Du, Stiefmama, ich glaub, ich bin verliebt. Stößt sich ab und grinst. Reingefallen! Das Leben ist ein langer Fluss, manchmal sogar ein ruhiger (Helen Bömelburg)
© Damien Butaeye