Das Reservat für alle Deutschland-Fähnchen, die bei der EM ausgedient haben, liegt direkt hinter der mächtigen Tribüne eingangs des Motodroms. Die schwarzrotgoldige Nostalgie reicht – ausgerechnet in der schnelllebigen Formel-1-Welt – noch weiter zurück. Hier gilt nur der als schick, der mindestens eine Michael-Schumacher-Devotionalie sein eigen nennt, besser noch: ein ganzes Arsenal auf dem Zeltplatz ausstellen kann.
Vieles in der Ansiedlung der Hardcore-Fans wirkt so, als ob es den Rücktritt vor 22 Monaten nicht gegeben hätte. Dabei hat sich der Rekord-Weltmeister gerade verliebt in sein neues Leben, wie er dem stern sagte, doch die Leidenschaft der Fans zu ihrem Idol ist noch längst nicht erkaltet. Schumiiiii! Aber der siebenfache Weltmeister kommt zwar nach Hockenheim, aber nur in seiner Rolle als Ferrari-Berater.
Den Fans fehlt es an Alternativen. Das aktuelle deutsche Rennquintett spielt, jedenfalls was fantypische Liebesbeweise angeht, noch keine allzu große Rolle. So viel deutsch wie in diesem Jahr war zwar nie. Aber die Leute wollen am Ende dann doch vor allem Sieger, und sie wollen dazu noch solche, deren Kosenamen sich leicht brüllen und in großen Lettern auf Fahnen, T-Shirts und Autos pinseln lässt. Mit beidem kann die deutsche Rennfahrergemeinde derzeit nur sporadisch dienen. Der, der diesem Anspruch mit drei zweiten Plätzen bisher am nächsten kam, ist BMW-Pilot Nick Heidfeld. Er hat die besten Überholmanöver des Jahres gezeigt, fiel zwischen durch in ein Leistungsloch und fährt sich jetzt gerade aus der sportlich-technischen Krise. Aber ob die Massen wirklich "Heidi" brüllen wollen? Eher schon "Nico" für Herrn Rosberg junior, aber dafür gab es in der ersten Saisonhälfte kaum Grund. Der Williams-Rennwagen wirkt zwar ähnlich gut gestylt wie sein Fahrer, aber Optik allein macht nicht schnell. Sebastian Vettel, der schon Bubi-Schumi, Baby-Schumi und Bonsai-Schumi getauft wurde, möchte sich lieber einen eigenen Namen machen. "Seppi" rufen sie ihn bei Toro Rosso. Timo Glock genügt der Geburtsname, aber die Planung des Toyota-Piloten gilt ohnehin erst der Saison 2010, in der er den Weltmeistertitel angehen will, und dem Planspiel vorsichtshalber anfügt: "Lachen Sie nicht."
Adrian Sutil ist am schwersten fantauglich zu bekommen, aber der Dauerletzte mit dem Force India genügt sich ohnehin meistens selbst.
Für die fünf deutschen Stammpiloten beginnt mit dem Start in die zweite Saisonhälfte auch der Kampf um den Verbleib in der Formel 1. Sebastian Vettel hat seine Beförderung seit Donnerstag schriftlich, der jüngste Pilot im Feld (21) wird damit den ältesten, David Coulthard (37), ersetzen. Nico Rosberg müsste sich im Prinzip auch nicht um seine Papiere kümmern, ihn bindet ein langjähriger Vertrag an Williams - Ausstiegsklausel offenbar inklusive. Rosberg lässt sich überall dort handeln, wo Perspektiven gefragt sind: McLaren-Mercedes, Ferrari, BMW. Sagen will er dazu vorerst nichts mehr.
In der Warteschleife befindet sich auch Nick Heidfeld, der eigentlich bei BMW als gesetzt für 2009 galt. Sein Zwischentief ist nicht der Grund für aufkommende Zweifel. Vielmehr betätigt sich Fernando Alonso einmal mehr als Unruhestifter. Der Spanier, offiziell mit einem Zwei-Jahres-Kontrakt bei Renault ausgestattet, pokert mit den Gerüchten über einen vorzeitigen Wechsel. Wahlweise wird er bei Ferrari, Honda und bei BMW gehandelt. Da mag auch viel Wunschdenken dabei sein, doch Alonso hat es so geschafft, dass alle Teams auf seine Entscheidung warten – und auf die, ob Kimi Räikkönen bei Ferrari wirklich bis Ende 2009 weitermacht.
BMW wollte in alter Tradition im August seine Fahrerpaarung für die kommende Saison bekannt geben, aber auch der Münchner Motorsportdirektor Mario Theissen muss auf die Spielchen in der Branche Rücksicht nehmen. Kein Team will sich zu früh entscheiden. Glock und Sutil betreffen die Wechselspiele scheinbar weniger, da sich keine Alternativen aufdrängen. Die Zukunft des sechsten im Bunde, Williams-Testfahrer Nico Hülkenberg, hängt unmittelbar mit den Wechselspielchen zusammen. Manager Willi Weber versteht es bekanntlich, seine Schützlinge ins Gespräch zu bringen. Einen Spitznamen wird der Schumi-Entdecker vielleicht auch noch parat haben. Wie wäre es mit Hülki?