Statt Rennfieber hat Indianapolis die Terror-Grippe erwischt. Die heimlich Formel-1-Hauptstadt der USA erinnert in den Tagen vor dem Formel-1-Rennen so gar nicht an eine begeisterte Renn-Metropole. Vier Tage vor dem 16. Weltmeisterschaftslauf in der Königsklasse ist in Indianapolis von der gewohnten Motorsport-Euphorie weit und breit nichts zu spüren. Die leidenschaftlichen Fans aus Nah und Fern in ihren kunterbunten Kultkleidungen, die noch im Vorjahr jedem auf Schritt und Tritt ins Auge stachen, werden schmerzlich vermisst. Restauranttüren, die sich in normalen Rennwochen nur nach langfristiger Vorbestellung öffnen, stehen plötzlich sperrangelweit offen. Ein freier Tisch wird sofort zugewiesen..
»Kostenlose« Hotelzimmer
Hotelbetten und Eintrittskarten werden vor dem am Sonntag stattfindenden Grand Prix feilgeboten wie Sauerbier. Da ganze Heerscharen von Sponsoren ihren Übersee-Trip absagten, können Journalisten jetzt deren im Voraus bezahlte Suiten - pro Nacht bis zu 1000 Dollar - kostenlos beziehen. Und auch auf der Rennstrecke scheint das Leben stillzustehen. Von den Formel-1-Piloten ließen sich am Mittwoch nur Jos Verstappen, Giancarlo Fisichella und Jenson Button kurz blicken. Einige zivile Sicherheitskräfte versahen an den verriegelten Eingängen gewissenhaft ihre Aufsichtspflicht, ansonsten war der von der Sonne überflutete »Indianapolis Motor Speedway« verwaist.
Eine völlig andere Zeit
»Wir schreiben nicht nur ein anderes Jahr, wir schreiben auch eine völlig andere Zeit, nichts wird mehr so sein wie vor zwölf Monaten, leider«, sagte Pamela Rubin mit trauriger Stimme. Die adrette Mittvierzigerin ist Besitzern eines nur einen Steinwurf vom Hochgeschwindigkeitskurs entfernt gelegenen Hotels.
50.000 Fans weniger
Dass sie in dieser Woche, wie alle anderen aus ihrer Branche, einen Umsatzeinbruch erleben wird, ist absehbar. Die Wiedergeburt des Großen Preis der USA wollten im Vorjahr über 200.000 Zuschauer sehen. Diesmal werden 50.000 weniger erwartet. »Der Schock nach den Terroranschlägen sitzt einfach noch zu tief. Die meisten Menschen können eben nicht so schnell auf den Alltag umschalten. Ich kann es eigentlich auch nicht«, gestand die gebürtige Kalifornierin.
Viel Verständnis
Nicht nur sie hätte in der gegenwärtigen Situation vollstes Verständnis gehabt, wenn Superstar Michael Schumacher seinen Ferrari in der Garage gelassen hätte. »Das wäre doch eine nachvollziehbare, konsequente Haltung gewesen. Schließlich ist er doch auch nur ein Mensch, der natürlich auch Angst hat«, stellte Norman Miller fest, der ein bekennender Fan des 32-jährigen Deutschen ist.
Bedauern über Schumi-Start
Der Chef eines renommierten Restaurants in Downtown fand es bedauerlich, dass sich der Kerpener »offensichtlich dem Druck der Formel-1-Bosse gebeugt hat. Wenn man ihm dafür den Weltmeistertitel aberkannt hätte, wäre das ein Armutszeugnis für den Internationalen Verband gewesen«, bemerkte Miller. »Für uns wäre Schumi zeitlebens der Champion geblieben. Würde er nicht starten, würde er sich ein spezielles Denkmal setzen und sich für immer unsterblich machen«.
Wirtschaftliche Talfahrt
Nicht nur wegen der Furcht vor neuen Terrorakten und der bereits entschiedenen Weltmeisterschaft seien tausende Reisen kurzfristig storniert worden, sagte Polizeichef Jacki Goss. Viele Amerikaner hielt vor allem der Geldbeutel ab. »Zehntausende verlieren überall ihren Job. Wir befinden uns auf wirtschaftlicher Talfahrt und niemand weiß, wo sie endet«, betonte Goss, der eines jedoch versprach: »Angst braucht auf unserem Speedway niemand zu haben. Die von uns getroffenen Sicherheitsvorkehrungen könnten nicht besser sein«.