Das Interview mit Williams-BMW-Sportchef Mario Theissen führte Andrea Wimmer.
Wie stark ist Williams-BMW vor dem Saisonstart 2004?
Theissen: "Der Herausforderung, einen Formel-1-Motor zu bauen, der gemäß der Reglementänderung nun rund 800 km statt bisher 400 km standhalten muss, haben wir uns in München zeitig gestellt. Bereits Ende 2002 begann ein kleines Team mit den ersten Konzeptionen. Im September 2003 haben wir die ersten Tests im Fahrzeug durchgeführt. Für die doppelte Laufleistung mussten vor allem die thermisch und mechanisch stark belasteten Teile des Motors robuster ausgelegt werden. Entwicklungsziel war, dennoch möglichst wenig an Gewicht zuzulegen und nicht nennenswert an Leistung einzubüßen. Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Maßgabe bis zum Saisonstart gestemmt haben werden."
Hat das Team in diesem Jahr das Zeug zum Titelgewinn?
Theissen: "Unser Zeug im Sinne von Rüstzeug ist gut. Um einen Titel zu gewinnen, muss es allerdings das Beste im gesamten Feld sein. Ob uns dieser Wurf tatsächlich gelungen ist, wird sich erst im direkten Vergleich mit der Konkurrenz unter realen Wettbewerbsbedingungen zeigen. Von daher lässt sich eine fundierte Prognose erst nach den ersten Rennen geben."
Wie sehr ist der Druck gewachsen, nun im fünften Formel-1-Jahr nach der BMW-Rückkehr zumindest einen von zwei WM-Titeln holen zu müssen?
Theissen: "Uns ist bewusst, dass die öffentlichen Erwartungen hoch sind. Man erwartet zu Recht von uns, dass wir mittlerweile über das nötige Maß an Know-how und Routine für den Titelkampf verfügen. Dazu gehört auch, sich selbst nicht unnötig unter Druck zu setzen. Konsequente Arbeit und Übersicht auch in unvorhersehbaren Situationen ist entscheidend. In dieser Disziplin hat es uns beim Saisonende 2003 noch an Reife gefehlt."
Derzeit redet die Branche viel von den angeblichen Stärken des Williams-BMW und des McLaren-Mercedes. Wird Titelverteidiger Ferrari ein wenig unterschätzt?
Theissen: "Ferrari oder einen anderen Konkurrenten zu unterschätzen wäre sicher ein Fehler. Ich rechne 2004 mit extrem hoher Leistungsdichte, was die Saison für die Zuschauer auf jeden Fall noch spannender machen wird."
Welcher Pilot hat am ehesten das Zeug dazu, den sechsmaligen Champion Michael Schumacher vom Thron zu stürzen? Kann es das Jahr des Ralf Schumacher werden?
Theissen: "Ralf kann fraglos nicht nur Grand Prix, sondern auch den Titel gewinnen, wenn wir ihm die Technik dafür bereitstellen. Das gilt genauso für Juan Pablo und einige Konkurrenten. Auch bei den Fahrern ist die Leistungsdichte immens. Die Titelserie von Michael ist mit Sicherheit endlich. Wer sie beenden will, muss neben einer starken fahrerischen Leistung über ein besonders schnelles Auto verfügen. Für mich sind Ralf und auch Juan Pablo aussichtsreiche Kandidaten."
Wie funktioniert in der Vorbereitung die Zusammenarbeit mit Juan Pablo Montoya, der das Team am Saisonende verlässt? Wie belastet ist die Atmosphäre?
Theissen: "Die Tatsache, dass Juan 2005 sein Glück woanders suchen wird, beeinflusst die aktuelle Arbeit in keiner Art und Weise. Der Grund dafür ist simpel: Juan will - genau wie das BMW Williams F1 Team - Weltmeister werden. Diese Chance gibt es in der Karriere eines Rennfahrers nicht jedes Jahr. Wenn er sie 2004 bekommt, wird er alles dafür tun, den Titel zu erringen. Und wir werden ihn - genau wie Ralf - mit aller Kraft dabei unterstützen." Andrea Wimmer, dpa