Start der Formel1 Michael Schumacher

Von seinem Sport redet er gern, von seinem Familienleben so gut wie nie. Doch für den stern machte Michael Schumacher eine Ausnahme. Der Weltmeister über die Zukunftspläne seiner Frau, seine bescheidenen Kochkünste - und warum seine Kinder nur zwei Euro Taschengeld bekommen.

Herr Schumacher, am Sonntag geht die Formel-1-Saison los, und Sie als Weltmeister fahren wieder in einem der besten Autos für das beste Team. Wir finden, Sie sollten zu Minardi wechseln, um zu schauen, wie weit Sie es in einem Pannenwagen schaffen.

Da muss ich Sie enttäuschen, das reizt mich nicht mehr. Für mich ist nicht das Schöne, als einzelner Fahrer das Bestmögliche zu erreichen, sondern im Team. Das war am Anfang bei Ferrari eine große Herausforderung - jetzt ist alles eingespielt, und das will ich nun auch genießen. Außerdem hätte ich im Minardi genauso wenig Chancen wie die Jungs, die da drin sitzen. Ich würde höchstens ein bisschen besser aussehen.

Ach, warum immer so bescheiden?

Das ist Realismus. Und der ist sehr wichtig. Man muss sich selbst vor dem Hype schützen, vor Worten wie "unbesiegbar". Wenn ich mich nur noch selbst feiern würde, dann wäre ich nicht mehr selbstkritisch und auch nicht mehr erfolgreich. Und Erfolg macht mehr Spaß.

Sie waren von Anfang an ziemlich erfolgreich, Ihre Karriere dürfte doch ein einziger Spaß gewesen sein...

Nicht nur, es gab auch andere Zeiten, und nicht nur in den ersten Jahren bei Ferrari. Das vergisst man gerne.

Was quälte Sie denn als Jungstar?

Plötzlich meinte jeder, mich als Mensch beurteilen zu dürfen. Ich bin ein zurückhaltender Typ und kann nicht gleich ein Verhältnis zu jedem aufbauen. So kam es, dass die Journalisten der Meinung waren, ich hätte was gegen sie persönlich. Dann wurde entsprechend negativ über mich geschrieben, was mich wiederum noch kritischer machte und noch zurückhaltender sein ließ. Aber inzwischen hat sich das Verhältnis sehr normalisiert.

Jetzt sind Sie auch Rekordweltmeister, da ist der Respekt entsprechend groß ...

Moment, bei Respekt geht es doch gar nicht um Titel und Erfolge. Das meine ich nicht nur in Bezug auf die Medien: Auch wir Fahrer auf der Strecke sollten vor anderen Respekt haben, egal in welchem Auto die sitzen, egal, welche Leistung sie bringen. Es gibt einen guten Grund dafür, wenn einer es überhaupt so weit geschafft hat. Dieser Respekt ist mir wichtig. Früher musste ich mich selbst noch mit Fahrern der alten Generation herumschlagen, die den Lehrmeister spielten. Die wollten dem jungen Kerl erst mal zeigen, wo der Hase läuft.

Und wo lief der Hase?

Es gab zum Beispiel die schönen Bremstests. Da fährt man in eine Vollgaskurve rein, und plötzlich ist der Vordermann der Meinung, er müsste mal vom Gas gehen und einen eine Runde lang blockieren. Und wenn man das Gleiche tat, vertrugen die Alten das nicht. Jetzt, wo ich selbst ein erfahrener Fahrer bin, würde ich mit den Jungen nie so umspringen.

Die großen öffentlichen Partys meiden Sie immer noch. Zur Ernennung zum "Sportler des Jahres" kamen Sie nicht persönlich. Das nahmen Ihnen viele krumm. Die Kanutin Birgit Fischer sagte: "Er missachtet uns."

Ich tauche schon seit Jahren regelmäßig im Winter ab. 1999 hatte ich zum ersten Mal eine solche Auszeit nach meinem Unfall - zwangsläufig. Aber als ich zurück auf die Rennstrecke kam, habe ich gemerkt, wie frisch ich war. Seither mache ich das ganz bewusst, denn eine Formel-1-Saison kann verdammt lange und anstrengend sein. Daher sage ich all diese Termine ab. Zumal solche Auftritte eher Stress für mich bedeuten und die Sportlerwahl immer sehr kurz vor Weihnachten ist. Und da gehört die Zeit in Norwegen meiner Frau und meinen Kindern.

Es ist Ihnen gelungen, ein intaktes Familienleben zu bewahren. Das ist bei prominenten Sportlern nicht immer so.

Es ist nur schwierig für Prominente, die kritisch von den Medien beobachtet werden und kein intaktes Privatleben führen. Über die anderen schreibt keiner. Ich würde sagen, dass ich ein sehr zurückgezogenes Privatleben führe, was schlichtweg für andere uninteressant ist. Und wissen Sie was: Ich bin froh drüber. Aber man muss natürlich trotzdem darauf achten, was man tut.

Zum Beispiel?

Wenn ich an der Rennstrecke beim belanglosen Small Talk mit irgendeiner Hostess fotografiert würde, stünde womöglich am nächsten Tag in der Zeitung, dass Corinna und ich eine Ehekrise haben. Da kommt mein berühmter Selbstschutz zum Einsatz, dass ich allen möglichen Blicken und Situationen ausweiche und mich gar nicht erst anbiete. Das ist mir bisher ganz gut gelungen. Aber es wird mir leider oft als Arroganz ausgelegt.

Wie bringen Sie Ihrem fünfjährigen Sohn und Ihrer achtjährigen Tochter den Umgang mit Geld bei? Bald werden sie merken, dass ein eigenes Flugzeug nicht zum üblichen Familienfuhrpark gehört.

Auch sie müssen lernen, dass Reichtum nicht selbstverständlich ist. Sie bekommen wie andere Kinder Taschengeld. Zwei Euro in der Woche, die können sie dann sparen oder sich Sachen davon kaufen.

In welchem Wert bekommt Ihr Nachwuchs Geschenke? Haben Sie da eine Grenze?

Wir versuchen sicher, so normal wie möglich zu sein. Aber man kann nicht erwarten, dass die Geschenke so ausfallen wie bei Familien mit Durchschnittseinkommen. Wir verdienen nun mal mehr Geld, und warum sollen wir unseren Kindern nicht eine Freude damit machen?

Was war das letzte Geburtstagsgeschenk?

Mick hat einen Mini-Leatherman bekommen, so ein kleines Taschenmesser mit Werkzeugen.

Und motorisierte Kettcars haben er und seine Schwester auch schon...

Der Opa ist irgendwann vor zwei oder drei Jahren damit angekommen. Seitdem haben beide einen. Sie fahren zwischendurch schon gerne damit rum, doch Mick ist lieber Cowboy, und Gina Maria reitet lieber. Und wir machen noch viele andere Sachen: Skifahren zum Beispiel. Da haben die Kleinen einen Riesenspaß. Und Corinna und ich auch.

Kinder finden doch Snowboards cooler ...

Klar. Mick vor allem. Er ist unser Wildfang. Wir haben ihm erst Skifahren beigebracht. Dann war er scharf aufs Snowboarden. Wir sagten: Okay, probier's, und dachten, nach einem Tag will er eh nicht mehr. Aber von wegen! Schließlich hat er uns so lange genervt, bis wir es auch versucht haben. Er sagte: Ich zeige euch das. Dann kamen wir oben mit dem Lift an, er auf seinem Brett den Berg runter. Der war unten, da waren wir noch nicht mal angezogen. Das war so süß, so witzig.

Und was machen Sie sonst noch?

Vieles. Schlittschuhlaufen, Reiten, Fußball spielen...

...und wie schaut's mit Wachsmalstiften aus, Herr Schumacher?

Uuuh, hören Sie auf, da bin ich ganz schlecht. Basteln, Malen und so, im Künstlerischen ist nur meine Frau gut.

Außer rote Autos malen, gelingt nichts?

(lacht) Ja, so ungefähr. Und Strichmännchen.

Wie viele Tage im Monat sehen Sie Mick und Gina etwa?

In den Wochen, in denen getestet wird, bin ich zwei bis drei Tage unterwegs. Und dann gibt es die Renntage, die im Normalfall - außer bei Übersee-Rennen - von donnerstags bis sonntags dauern. Alle anderen Tage bin ich zu Hause. Ich verbringe viel mehr Zeit bei meiner Familie als viele andere Väter. Ferrari hat das gut hin- bekommen, die Termine einzuschränken.

Motzen die Kleinen, wenn Sie wegmüssen?

Sie verstehen mittlerweile, warum ich immer mal wieder weggehe, auch wenn sie es nicht immer so toll finden. Manchmal geben sie mir sogar einen Glücksbringer mit, wie die berühmte Haarbürste oder ein Stofftier.

Würden Sie den beiden manchmal wünschen, dass sie eine Kindheit haben wie Sie sie hatten?

In gewisser Hinsicht ja. Ich versuche, wo es nur geht, ihnen diese Unbekümmertheit zu ermöglichen, in der ich aufgewachsen bin. Das ist auch der Grund, warum unsere Familie in der Öffentlichkeit gar nicht erscheint. Mick und Gina haben mit meiner Situation nichts zu tun, sie haben das Recht, unbekümmert aufzuwachsen, frei. Deshalb sind wir auch in die Schweiz gezogen.

Das wird Ihnen von einigen vorgeworfen. Sie würden sich vor dem deutschen Fiskus drücken. Als Sie kürzlich eine große Summe für die Opfer der Tsunami-Katastrophe spendeten, schimpfte der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering: "Ich mag das nicht, dass einer 7,5 Millionen gibt, der zwischendurch dann keine Steuern zahlt."

Jeder hat ein Recht auf seine Meinung. Und ich sage gerne zum wiederholten Male, dass ich sehr wohl Steuern in Deutschland zahle. Aber es ist doch toll zu sehen, wie viele Menschen geholfen haben - und nur darum geht es. Die Diskussion über die Art und Weise einzelner Spenden finde ich reichlich unangebracht. Und noch mal: In der Schweiz haben wir einfach - anders als in Deutschland - die Möglichkeit, ein recht unkompliziertes Leben zu führen.

Aber wie andere Kinder mit Papa unbehelligt in den Zoo gehen können Sie wahrscheinlich auch dort nicht?

Das ist weniger das Problem. In der Schweiz können wir auch ohne Rummel in einen Supermarkt zum Einkaufen gehen. Die Schwierigkeiten liegen eher woanders. Ich kann die beiden zum Beispiel nicht mit auf irgendwelche offiziellen Veranstaltungen nehmen, sozusagen mal zu Papa auf die Arbeit. Normalerweise drohe ich gerichtlich, sobald jemand Bilder von meinen Kindern veröffentlicht. Doch dazu hätte ich bei Rennen keine Handhabe, also kann ich sie nicht mitnehmen. Aber da kommen wir an den Punkt: Man kann eben nicht alles haben.

Können Sie befreit Rennen fahren, wenn eines Ihrer Kinder krank ist?

Bis jetzt waren sie nie so krank, dass ich mir Sorgen machen musste.

Wenn eines eine Blinddarmoperation hätte - könnten Sie wie ein Postbeamter aus Erkenbollingen einfach mal zu Hause bleiben?

Ich weiß nicht, ob eine Blinddarmoperation Grund genug wäre. Wenn es aber was wirklich Schwerwiegendes wäre, dann käme die Familie vor allem. Immer.

Nach außen sieht es so aus, dass Sie das Geld verdienen und Corinna zu Hause ist. Klare Rollenverteilung. Gibt es im Hause Schumacher auch Gespräche über Corinnas berufliche Zukunft?

Wir wären nicht 14 Jahre glücklich zusammen, wenn es immer nur um eine Person gegangen wäre. Es gibt genauso Prioritäten für meine Frau. Wenn ich Rennen fahre, hat das Vorrang, und wenn wir zu Hause sind, Corinnas Welt.

Gibt es Pläne Ihrer Frau, bei denen sie noch zurücksteckt, so lange Sie so viel unterwegs sind?

Corinna ist eine tolle Reiterin. Sie liebt Pferde, und vielleicht wird sie später mal eine eigene Zucht aufziehen, wer weiß. Vielleicht tauschen wir später einfach die Rollen, fahren gemeinsam zu ihren Turnieren, mit mir als Truckie.

Aber Corinna muss Sie sicher manchmal runterbringen, wenn Sie zu fokussiert sind auf Ihren Sport?

Nein, runterbringen nicht wirklich. Aber manchmal, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle und eine Situation nicht richtig einschätzen kann, hilft mir die Außensicht, die meine Frau sich behalten hat. Es relativiert vieles, wenn sie sagt: Vielleicht haben die gar nicht so Unrecht, oder: So schlimm ist es doch gar nicht.

Welche Rolle spielen Motoren in Ihrem Privatleben? Schrauben Sie zu Hause noch an Ihren Autos?

Ich habe nur moderne Wagen, da ist nicht viel dran zu schrauben. Leider. Aber an die Gokarts in unserer Garage lege ich selbst Hand an. Das ist das Schönste, die Dinger vorzubereiten und nachher wieder auseinander zu nehmen. An meinen Rennautos schraube ich ja so gut wie nie, dafür gibt es bessere Leute.

Wie war das eigentlich damals, als Sie als Jugendlicher schon Kart fuhren: Waren Sie da der Held bei den Mädels?

Nein, leider nicht. Ich habe mich wie jeder Junge für die Mädchen interessiert, aber die sich nicht so für mich. Der Kartsport und der Motorsport waren nicht salonfähig zu der Zeit. Eigentlich schade.

Jetzt sind Sie verheiratet und haben zwei Kinder. Sie sprachen früher von drei bis vier.

Sprach ich von drei bis vier?

Ja.

Im Moment sind es zwei, das ist richtig. Da hat sich auch nichts dran geändert, um das vorwegzunehmen.

Aber das Thema ist noch in der Diskussion?

Es kann irgendwann vielleicht noch mal zur Diskussion kommen. Möglich. Aber nicht wahrscheinlich.

Als Vater zu Hause: Können Sie kochen?

Sehe ich so aus, als ob nicht?

Nein. Wir hätten getippt, für Pasta reichen Ihre Kochkünste auf jeden Fall, aber für die komplizierten Gerichte - da wären wir uns nicht so sicher gewesen ...

Da liegen sie nicht ganz falsch. Aber es reicht, um die Familie zu ernähren.

Also verraten Sie es uns endlich: Was kann Michael Schumacher kochen?

Die Gemüsepfanne und das Steak krieg ich auch hin. Wenn es aber à la carte ein Menü sein soll, wird es problematisch, dann muss meine Frau ran.

"Formula Ferrari"

"Formula Ferrari", erstes offizielles Buch über den Rennstall aus Maranello, geschrieben von Umberto Zapelloni, fotografiert von Michel Comte (Hoffmann und Campe, 208 Seiten, 38,95 Euro)

Sie selbst beschreiben als Ihre eigenen Stärken die berühmten deutschen Tugenden: Disziplin, Zielstrebigkeit, Präzision. Im Fußball versucht Bundestrainer Jürgen Klinsmann gerade, ein wenig den Fokus von diesen Tugenden wegzulenken, hin zur Kreativität, Offenheit. Ist es auch ein deutsches Problem, dass es vor lauter Disziplin zu Verkrampftheit und Ideenlosigkeit kommt?

Ich denke, dass man für alle Wege und Denkweisen offen sein muss, um selbstkritisch genug zu sein, um diszipliniert genug zu sein. Deshalb glaube ich nicht, dass es so undeutsch ist, was Klinsmann jetzt macht. Normalerweise ist gerade Kreativität eine deutsche Tugend, wenn es nämlich darum geht, Sachen im Detail zu verbessern. Allerdings hat man diese Eigenschaft in den vergangenen goldenen Jahren ein bisschen vernachlässigt.

Ihr Bruder Ralf hatte in der vergangenen Saison einen schweren Crash. Sie hatten selbst einige schwere Unfälle, sind da aber meist gelassen rausgegangen. Wie ist es, wenn man das Unglück beim Bruder miterlebt?

Das war hart für mich. Man kommt vorbei und sieht seinen Bruder im Auto sitzen und kann nicht einschätzen, wie schlimm es ist. Ich habe den Punkt gesehen, wo er reingeknallt ist, habe das Auto gesehen. Ich war ganz knapp davor, anzuhalten und rauszuspringen. Aber die Leute von BMW haben uns auf dem Laufenden gehalten. Und in dem Moment, als Ralf sich bewegte, war mir klar, dass das nichts Kritisches ist. Da sind wir dann einfach auch routiniert genug.

Sie sagen selbst, dass es eh eine Frage des Schicksals ist, ob einem etwas passiert oder nicht. Aber wenn dem Bruder etwas passiert, ist es nicht ganz so leicht, das Schicksal zu akzeptieren?

Ja. Doch das relativiert jetzt nicht unbedingt die Einschätzung für mich persönlich. Ich werde deswegen diese Saison auch nicht ängstlicher fahren.

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Anette Lache und Bernd Volland

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