Es ist zwar keine Sandkasten-Freundschaft, die Michael Schumacher und mich verbindet, aber immerhin kennen wir uns aus einer Kiesgrube. Seiner Kiesgrube. Als ich Anfang der Achtziger den Sprung in die europäische Kart-Meisterschaft schaffte, fuhren wir auch in einem Ort namens Kerpen bei Köln. Seither hat mich der Name Schumacher begleitet, und ziemlich schnell konnte ich ihm ein Gesicht und eine bestimmte Fahrweise zuordnen. Wir sind in den gleichen Rennserien erwachsen geworden und haben im selben Jahr, 1991, den Sprung in die Formel 1 geschafft. Eigentlich waren wir damit beide schon am Ziel. Aber in Wirklichkeit ging es damit erst richtig los.
Formel-1-Fahren ist wie Abitur machen, aber mit eingebautem Turbo. Dem Tempo muss man sich anpassen, man verändert sich bei all dem, was auf einen einstürmt und was von einem verlangt wird, als Mensch und als Fahrer. Wie du das verkraftest, kommt auf deinen Kopf an. Michael und ich wollten alles wissen, und wir haben viel gelernt. Vielleicht hat uns die Formel 1 erst richtig zum Mann gemacht. Aber als wir dann in der besten Rennserie der Welt aufeinander trafen, hatte sich eines nicht verändert: Wir sind auf die gleiche Art Rennen gegeneinander gefahren wie als Teenies: Mit aller Härte, und am Ende wurde es immer ziemlich eng.
Häufig Rad an Rad
Wir sind unsere Wege auf verschiedene Art gegangen, aber wir haben uns beide bis zum jeweils möglichen Maximum entwickelt. Ich würde nicht sagen, dass Michael typisch deutsch ist und nur Disziplin und Zielstrebigkeit im Kopf hat. Er ist eher typisch Schumacher. Das Ziel meines Lebens als Rennfahrer war erreicht, als ich 1998 den Weltmeistertitel für McLaren-Mercedes geholt habe und Michael im Finale von Suzuka am Start stehen blieb. Im Jahr darauf haben mein Team und ich den Erfolg verdoppelt. Damit hatten wir beide zwei Titel, und ich war glücklich damit. Für Michael aber fing alles neu an, sein Ziel war es, mehr und mehr Meisterschaften zu gewinnen. Die Formel 1 hat uns beiden alles gegeben, aber wir haben auch eine Menge dafür gegeben. Deshalb kann ich seinen Entschluss gut verstehen, jetzt aufzuhören.
Wer der bessere Fahrer von uns war? Darüber könnte man in der Sauna stundenlang diskutieren. Aber wir werden es nie erfahren, denn wir sind nie im selben Auto gefahren. Ich bin mir aber sicher, dass wir in einem gleich gut waren: Erst in allerletzter Sekunde, dann aber mit aller Kraft, in die Eisen zu steigen. Zwischen uns beiden war es ein Match mit allerhöchstem Einsatz. Der Wettstreit darum, dass am Ende einer das Gaspedal einen Tick früher lupfen musste. Das konnte man natürlich nicht absprechen vorher, aber es hat immer funktioniert. Wir waren ziemlich häufig Rad an Rad, wir mögen uns auch berührt haben, aber ich glaube wir sind nie richtig kollidiert. Irgendwie müssen wir es im Gefühl gehabt haben, denn wir waren uns beide sicher, dass das nicht passieren konnte. In der DTM, in der ich heute fahre, kann ich mir da leider nicht bei allen Gegnern so sicher sein… aber das liegt sicher auch daran, dass unsere Tourenwagen mehr "drumherum" haben als ein Formel-1-Auto mit seinen freistehenden Rädern.
Stolz über den gegenseitigen Umgang
Beim Großen Preis von Belgien im Jahr 2000 wollten wir im Kampf um die Spitze beide zur gleichen Zeit Ricardo Zonta im Honda überrunden. Wir waren alle über 300 km/h schnell, und diesmal steckte keiner zurück. Es ging schließlich auch um die WM-Führung. Michael ist links vorbei gegangen, ich rechts. Zonta ist Gott sei dank geradeaus gefahren Es war eine gewagtes Manöver, wir mussten beide schnell entschieden, und wir haben beide das richtige getan. Aber ich war vorn. Ich denke, das zeigt, dass wir immer Respekt voreinander hatten, und der hat zugenommen. Was ich an ihm geschätzt habe, war der enorme Wille. Michael würde nie aufgeben, dass wusste ich. Gerade in den schwierigen Zeiten nicht, wie es sich im letzten und in diesem Jahr auch wieder gezeigt hat. Und er hat auch bei Ferrari immer Druck gemacht, dass es weiter nach vorn geht.
Eine Menge Kollegen sind mit Michael aneinander geraten, auf und neben der Strecke. Sorry, wenn das hier keine Abrechnung wird. Aber ganz ehrlich: Ich hatte zwar harte Auseinandersetzungen mit ihm, aber es war auch die beste Zeit meines Rennfahrerlebens. Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Nicht dass wir dicke Kumpels waren, das geht gar nicht, wenn man so sehr exakt um das kämpft, was auch der andere will. Das wäre wohl ziemlich komisch rübergekommen, wenn wir unsere Freizeit miteinander verbracht hätten. Aber wir haben unsere Auseinandersetzungen immer auf Augenhöhe ausgetragen, und wir konnten uns danach auch noch in die Augen gucken. Ich würde sagen: Wir waren ziemlich professionell, und wir sind so miteinander umgegangen, wie es gute Geschäftsleute tun. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich, dass wir ziemlich stolz darauf sein können, wie wir miteinander umgegangen sind.
Michael ist immer ein harter Arbeiter gewesen, aber er hat auch Gefühle gezeigt. Als er in Monza 2000 in Tränen ausbrach, nachdem er Ayrton Sennas Rekord an Pole-Positionen eingestellt hatte, saß ich neben ihm. Und ich konnte ihn gut verstehen. Er hatte plötzlich begriffen, was er da erreicht hatte, welche Last mit diesem Erfolg auch vom Team und von ihm selbst plötzlich abgefallen ist. Ich habe ihm den Arm um die Schulter gelegt, und damit zum Ausdruck gebracht: Kopf hoch, Junge, konzentrier' Dich. Vielleicht war ich der einzige damals im Raum, der das verstehen konnte. Diese Situation beschreibt unseren Umgang miteinander vielleicht am besten. Aber wir haben nie wieder drüber gesprochen. Als Rennfahrer lernt man, nicht zu viele Emotionen zu zeigen.
Nutze die Zeit mit deiner Familie
Klar ist das jetzt ein großer Verlust für die Formel 1, wenn Michael zurücktritt, auch für die Leute, die sich neue Kappen kaufen müssen. Aber es kommen andere Piloten nach, das Fell wird neu aufgeteilt. Als Rennfahrer empfinde ich solche Situationen immer als viel interessanter als die fest gefügten Machtkämpfe. Und die Fans werden das ziemlich schnell auch so sehen. Die Formel 1 verändert sich rasend, das ist Fakt, und sie vergisst schnell. Damit muss man sich auseinandersetzen, auch wenn es harte Fakten sind.
In Rente zu gehen, wird schwierig werden für ihn. Rennfahren liegt in seinem Blut so sehr wie in meinem; Das ist das, was uns immer am meisten Spaß machen wird im Leben, was wir am besten können. Deshalb habe ich wieder angefangen, und wenn er das auch will, sollte er es nur auf professioneller Ebene tun, am besten wie ich in der DTM.
Aber ich kann Michael noch einen viel wichtigeren Tipp für die Rente geben: Nutze jetzt die Zeit mit deiner Familie, die ist viel wichtiger als alles andere. Sie verfliegt auch noch schneller als jede Rundenzeit. Mein Sohn Hugo ist jetzt auch schon sechs, seiner ist sieben. Wer weiß, vielleicht fahren die beiden irgendwann mal gegeneinander Rennen. Dann geht alles wieder von vorn los.