Mit Hängen und Würgen hat sich der VfL Wolfsburg in der Bundesliga halten und den Abstieg verhindern können. In der Endphase übernahm Felix Magath erneut das Ruder und hauchte seinen Wölfen wieder das Selbstvertrauen ein, das sie zu Meisterehren geführt hatte. Wie es weitergeht, erfahren Sie im nächsten Teil des Bundesliga-Checks.
Nach der Meistersaison 2008/09 ging es für die Wolfsburger stetig bergab. Ob die Trainer nun Armin Veh, Steve McClaren oder Pierre Littbarski hießen, keiner konnte dem VfL diese Siegermentalität geben, die Felix Magath seiner Truppe eingeimpft hatte. Verkäufe, Neuzugänge, ein anderes System und nachlassender Biss - die Gründe waren vielfältig. Nun steht der Leitwolf wieder am Ruder und will zurück in die Erfolgsspur finden.
Gute Sommerzeit
Magath ist als Quälix bekannt. Als ein Mann, der die Grenzen des menschlichen Körpers als völlig überschätzt einordnet und sich dabei nicht zu schade ist, die Trainingsintensität vorzuleben. Aus dieser Perspektive stand es für die Spieler nicht zur Debatte, ob es überhaupt gute Sommerzeiten geben würde. Zumindest nicht in der Vorbereitung.
Doch es gibt auch die weiche, fast liebevolle Seite des Meistermachers, der das Trainingslager im österreichischen Bad Kleinkirchheim ob der guten Einstellung seiner Zöglinge gar um einen Tag verkürzte - trotz einer Niederlage im abschließenden Testspiel. "Ich bin der Meinung, wir haben alles getan, die Truppe hat wirklich sehr gut gearbeitet", so der Coach auf kicker.de, nachdem er sie die Stufen einer Skisprungschanze erklimmen ließ.
Man mag es kaum glauben und wer auch den strengen Magath kennt, kann sich vorstellen, wie gut die Spieler mitgezogen haben müssen. Ein Indikator sind natürlich die Resultate in den sieben Testspielen, in denen die Wölfe stolze 57 Treffer erzielten. Dies ist vielleicht nicht unbedingt ein Grund dafür, die Meisterschale schon vorzeitig in der Wolfsburger Sparkasse zu deponieren. Doch im Umkehrschluss bedeutet es auch nicht, dass diese Ergebnisse zu unterschätzen sind (z.B. das 5:1 gegen den HSV).
Die Niederlage im bisher letzten Test gegen Triglav Kranj war laut Magath dann den zuvor harten Einheiten geschuldet, wie er im Interview auf waz-online.de erklärte: "Im Test in Slowenien gab's zwei Kritikpunkte: Das mangelnde Durchsetzungsvermögen und die Konzentration. Beides sehe ich dem körperlichen Zustand geschuldet. Daher bekommen die Spieler nun zwei Tage frei und in der kommenden Woche einige Nachmittage ohne Training."
Trainer und Spieler sind zufrieden, die Ergebnisse stimmen auch und der Kader ist ohne Teilnahme am internationalen Geschäft fast schon zu gut besetzt. Lediglich Sascha Riether (1. FC Köln) und Grafite (Al-Ahli Dubai) galt es zu ersetzen, mit Spielern wie Patrick Ochs (Eintracht Frankfurt), Srdjan Lakic (1. FC Kaiserslautern), Hasan Salihamidzic (Juventus Turin), Christian Träsch (VfB Stuttgart) oder Marco Russ (Frankfurt) sollte dies durchaus gelingen. "Ich habe das Gefühl: Die Spieler, die da sind, passen zusammen", bestätigte Magath auf rp-online.de.
Schlechte Sommerzeit
Perfektion ist jedoch Utopie und selbst der maßgeschneidertste Schuh drückt immer zu Beginn. Der umgangssprachliche Treter ist in diesem Fall Diego, der mit dem Synonym auch nur die Wortbedeutung gemein hat. "Ich habe selten einen Spieler erlebt, der solche technischen Fähigkeiten hat. Und Diego geht mit seiner Situation vorbildlich um", erklärte Patrick Ochs auf weser-kurier.de und verwies damit auf die technische Perfektion des Brasilianers.
Doch Diego hat kaum eine Zukunft in Wolfsburg und Magath würdigt den Spielmacher keines Blickes. Einzig seine Mitspieler wissen, diese Fähigkeiten könnte man ob eines fehlenden Spielgestalters durchaus gebrauchen. Und so zieht der Ex-Bremer die Vorbereitung ohne Murren durch, in der Hoffnung, entweder einen Vertrag zu bekommen oder von König Felix begnadigt zu werden. Letzteres geht dann schon wieder in die Richtung Utopie.
"Wir können ihn auch behalten, ohne dass er spielt, ja. Dieses Szenario ist länger klar", machte Magath die Situation gegenüber waz-online.de deutlich. Gerade wenn der Auftakt misslingen sollte, kann die Situation zu einem richtigen Ärgernis heranreifen. Momentan gibt es nur ein zaghaftes Bedauern, bedingt durch das Ignorieren der vorhandenen Klasse des Spielers durch Magath.
Ebenfalls gebraucht würde Arne Friedrich. Doch nach seiner Operation an der Bandscheibe hat der Nationalspieler immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Auf seiner Homepage erklärte er nun: "Aufgrund erneuter Probleme an meiner vor einem Jahr operierten Bandscheibe bin ich für die nächsten sechs Wochen krank geschrieben." Magath ergänzte im Kicker: "Ich gehe davon aus, dass er zurückkommt. Kein Mensch weiß, wie es sich entwickelt. Es kann leider bis zum Karrierende gehen."
Wer darf sich nicht verletzen?
Gerade ob der Situation um Arne Friedrich musste man in Wolfsburg handeln und hat Russ aus Frankfurt geholt. Die Abteilung Innenverteidigung braucht allerdings keine Angst zu haben, wegen Überfüllung geschlossen zu werden, zumal es auch noch Gerüchte um einen Wechsel von Simon Kjaer gibt. Bliebe Alexander Madlung, doch danach ist der Schmalhans auch in Wolfsburg Küchenchef. Zwar könnte Magath auch noch auf die Nachwuchskräfte Robin Knoche und Bjarne Thoelke zurückgreifen, doch fehlt es bei den 19-Jährigen noch an Erfahrung, um direkt als Verstärkung angesehen zu werden.
Frage an den Fachmann
Wir wollten wissen, ob und warum nur Felix Magath den VfL Wolfsburg trainieren kann und wie es mit der Situation um Diego genau aussieht. Dafür konnten wir Andreas Pohlmann von der WAZ gewinnen. Also Herr Pohlmann, kann nur Felix Magath das Rudel anführen und warum wird nun alles besser?
"Alleine schon deshalb, weil es nach dem Verlauf der letzten beiden Spielzeiten kaum noch tiefer in den Keller gehen kann. Wenn man sich die vergangenen zehn Jahre so ansieht, dann bekommt man schon den Eindruck, dass nur Felix Magath den VfL trainieren kann. Auf der anderen Seite passen Magath und Wolfsburg auch sehr gut zusammen, da der VfL ein sehr junger Verein ist, in dem die Tradition noch nicht so tiefe Wurzeln geschlagen hat. Im Vergleich zum FC Schalke findet er also hier gute Bedingungen vor, viele Sachen zu erneuern - denn die Widerstände dagegen sind nicht so extrem.
Felix Magath baut gerne das komplette Haus neu, statt zu renovieren - und das ist oft ja auch besser so. Hier stehen nicht so viele alte Fundamente unter Denkmalschutz wie etwa auf Schalke. Positiv ausgedrückt: In Wolfsburg ist man eben flexibler. Ob es für die Meisterschaft reicht, dafür muss viel zusammenkommen. In erster Linie müssten dafür die Bayern schwächeln.
Zum Thema Diego: Probleme gibt es im Vorfeld nicht, da sich beide Seiten schon allein aus arbeitsrechtlichen Gründen kein Fehlverhalten leisten wollen. Der Verein gibt Diego die Möglichkeit, mit der Mannschaft zu trainieren; und der Spieler hängt sich dementsprechend auch rein. Sinnvoll wäre es nun, die Geschichte vor dem ersten Saisonspiel aufzulösen. Verliert Wolfsburg das erste oder die ersten beiden Spiele, würde schnell die Diskussion hochkochen, ob man Diego nicht begnadigen sollte."
Prognose
Der Kader der Wölfe ist gut aufgestellt und Felix Magath kennt den Verein mit seinen Strukturen. In den vergangenen Spielzeiten, gerade nach der gewonnenen Meisterschaft, fehlte einfach der Biss, zudem agierte das Team weit unter seinen Möglichkeiten. Dank der Neuzugänge kann der Coach sein favorisiertes 4-4-2 spielen, hält sich aber auch die Option offen, variabel auf 4-2-3-1 umzustellen.
Einzig die Position des Spielmachers ist noch zu besetzen und für Klich kommt diese Aufgabe noch zu früh, wie auch Magath bestätigte. Dennoch war schon zum Ende der abgelaufenen Saison eine Art Aufbruchstimmung zu verspüren. Der alte Meistermacher wird zwar keine Neuauflage zum Beste geben, sein Rudel dennoch mit Platz fünf zurück in den internationalen Wettbewerb führen.
Gunnar Beuth