Viel bleibt nicht, was Hertha BSC Mut machen könnte, den siebten Abstieg aus der Bundesliga zu vermeiden. Beim 0:1 im Relegationshinspiel gegen Zweitligist Hamburger SV lief nicht viel zusammen. Danach waren die Spieler geschockt und konsterniert, die Stimmung allgemein am Boden und selbst der Coach wirkte gleichgültig. Doch eines blieb Trainerfuchs Felix Magath noch, um sein angeschlagenes Team stark zu reden: Psychospielchen! Und so überraschte er einen Tag vor dem Rückspiel beim HSV an diesem Montag (20.30 Uhr/Sky, Sat.1 und im stern-Liveticker) mit der Aussage: "Jetzt ist der Druck beim HSV."
Das wirkt angesichts der zuletzt schwachen Vorstellungen der Hertha eher wie das Pfeifen im Walde. Doch Magath – früher Spieler, Trainer und Manager beim Verein – kennt "seinen" HSV und hat sicher verfolgt, wie die Hamburger in den vergangenen Spielzeiten stets auf den letzten Drücker den so sehr ersehnten Wiederaustieg in die Bundesliga doch noch verspielten. "Die Situation ist jetzt umgekehrt im Vergleich zum Donnerstag. Jetzt ist der HSV derjenige, der etwas zu verlieren hat", versuchte Magath in diese Kerbe zu schlagen. "Wir können nur noch gewinnen", münzte der 68-Jährige die Hinspiel-Niederlage kurzerhand in einen Vorteil um.
HSV: Werden Fans und Stadt glücklich machen
HSV-Trainer Tim Walter versuchte, der Psycho-Attacke Magaths den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Druck ist ein Privileg", gab er dem Berliner Coach zurück. Vor allem aber weiß Walter, dass sein Team – anders als in den Vorjahren – mit einer Siegesserie in das Auf- und Abstiegsduell mit dem Hauptstadtclub gegangen ist, und dank des 1:0 im Berliner Olympiastadion zudem mächtig Rückenwind hat: "Wir werden alles reinhauen, um alle Fans und die Stadt glücklich zu machen." Das Volksparkstadion ist ausverkauft; die Unterstützung des Fans dürfte wie schon in Berlin enorm sein.
Die härtesten Relegations-Schlachten der vergangenen Jahre

Während HSV-Coach Walter also viel von Glück, (Vor-)Freude, Begeisterung und Euphorie spricht, ist bei der "Alten Dame" vor allem von Wut die Rede. "Ich habe die Überzeugung, dass die Jungs auch mit einer gewissen Wut reingehen in dieses Spiel", sagte Herthas Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic. Leidenschaft könnten seine Profis gewinnen, wenn "sie ein bisschen wütend auf sich selbst sind", so Bobic. "Ich habe gespürt, dass sich wieder was entwickelt in unserer Truppe", fasste Magath seine Eindrücke der vergangenen Tage zusammen. Während der Saison habe die Mannschaft stets eine Reaktion auf Rückschläge gezeigt. "Ich bin überzeugt, dass wir auch diesen Rückschlag wegstecken."
Felix Magath: Kevin-Prince Boateng als Joker
Euphorie gegen Wut – das soll also am Abend im Hamburger Volkspark das Duell sein. Welche Grundstimmung sich durchsetzt, wird sich zeigen. Klar ist aber, dass Magaths Erzählung, dass Hertha BSC nichts zu verlieren habe, nicht zutrifft. Mit dem Abstieg wäre das wie ein Monstranz vor sich hergetragene Ziel, ein "Big-City-Club" im Stile anderer europäischer Hauptstadtclubs zu werden, endgültig krachend gescheitert. Viele Millionen, die Unternehmer Lars Windhorst schon in die Hertha gesteckt hat, sind ohnehin bereits jetzt verpufft. Selbst in Berlin ist man nicht mehr die Nummer 1, nachdem Lokalrivale Union schon das zweite Mal in Folge im Europapokal spielen wird. Und auch Bobic konnte das Ruder nicht herumreißen. Jedenfalls hat er das Siegergen in seiner letzten Station Frankfurt gelassen; die Eintracht gewann bekanntlich vergangene Woche die Europa League.
Was der Hertha noch bleibt, um den Absturz zu vermeiden, sind daher Magaths Psychotricks und ein Joker für das entscheidende Spiel. Offenbar hofft der Coach auf die Erfahrung und Führungsstärke von Altmeister Kevin-Prince Boateng, 35. Magath: "Der Prince ist ein Finalspieler." Der Hertha bleibt eben nicht viel, was ihr Mut machen könnte.
Quellen: "Kicker"; Nachrichteagentur DPA