Schiedrichter zu sein, ist im Fußball immer eine schwere Aufgabe. In Brasilien ist es scheinbar noch viel schwerer. Dort muss man wirklich mit allem rechnen. Und darf nicht auf die Hilfe des Staats hoffen.
Kein Beruf für Sensibelchen
Ein Gericht in Brasilien hat im September 2003 die Fußball- Schiedsrichter offiziell zum "Freiwild" erklärt. Nach einem damals veröffentlichten Urteil sollen die "Unparteiischen" auch bei übelsten Beschimpfungen durch Trainer, Spieler oder Fans von gerichtlichen Schritten Abstand nehmen. "Allzu sensible Menschen sollten einfach einen anderen Beruf ergreifen. Welcher Schiedsrichter wurde bei uns nicht schon einmal beschimpft?", rechtfertigte Richter Laerson Mauro von der 9. Zivilkammer des ordentlichen Gerichts in Rio de Janeiro seine Entscheidung.
Über die "Kultur unseres Volkes"
Mauro hatte eine Klage von Carlos Elias Pimentel zurückgewiesen. Der FIFA-Schiedsrichter hatte auf Schadenersatz gegen Renato Gaucho geklagt, nachdem der Ex-Nationalspieler ihn 1997 nach dem Rio-Derby zwischen Botafogo und Fluminense vor Journalisten und laufenden TV- Kameras als "schamlosen Dieb" beschimpft hatte. Der damalige Stürmer, der heute als Trainer tätig ist, beleidigte auch die Mutter von Pimentel und sagte außerdem: "Wenn ich ein Killer wäre, würde ich den Kerl erschießen".
Nach Ansicht von Richter Mauro gehören Beschimpfungen "zur Natur des Sports, zur Kultur unseres Volkes". Eine 20-tägige Sperre als Disziplinarstrafe reiche da völlig aus. "Ungewöhnlich wäre bei uns ein Fußballspiel oder eine andere Sportveranstaltung ohne Beschimpfungen. Daran nehmen alle teil: Spieler, Trainer, Fans, Vereinsfunktionäre, und sogar die Schiedsrichter", meinte er.