Meinung Warum stiehlt ausgerechnet Friedrich Merz dem Klimagipfel die Show?

Bundeskanzler Friedrich Merz beim Klimagipfel in Brasilien
Bundeskanzler Friedrich Merz beim Klimagipfel in Brasilien
© Oswaldo Forte / Imago Images
In Brasilien laufen entscheidende Stunden: Es geht um Geld, das Ende der fossilen Brennstoffe, die Wälder. Es interessiert nur niemanden. Aber dann darf sich auch keiner wundern.

Zwei Wochen Klimagipfel in Brasilien sind so gut wie um. Frage an Sie: Was ist Ihnen von dem Megaevent im Gedächtnis geblieben? Was werden Sie Ihren Kindern und Enkelkindern erzählen, wenn sie Sie eines Tages für den Geschichtsunterricht fragen, wie Sie den Jubiläumsgipfel erlebt haben?

Vielleicht von Friedrich Merz, der Brasilien gegen sich aufbrachte, als er betonte, wie froh er sei, wieder in Deutschland zu sein und dass Berlin weit mehr zu bieten habe als Belém. Für diese Aussage hagelte es Schlagzeilen und Klicks ohne Ende. In Deutschland, so schien es, gab es tagelang nichts anderes über die COP zu berichten, außer dass Merz sich despektierlich über die Lateinamerikaner geäußert hatte. Die Grünen echauffierten sich. In Brasilien brodelte es. Allein Präsident Luiz Ignacio Lula da Silva schenkte der Merz-Aussage nicht mehr als einen schmunzelnden Reisetipp.

Vielleicht erzählen Sie auch von Gavin Newsom. Kaliforniens demokratischer Gouverneur brachte einen Hauch von US-Wahlkampf nach Belém, als er sich dort als klimafreundliche Alternative zu Donald Trump inszenierte. Ansonsten wären da noch die Proteste indigener Aktivisten, die die drögen Verhandlungen mit ihrer bunten Kleidung und ihren leidenschaftlichen Aktionen aufmischten. Das Feuer kurz vor Ende der Verhandlungen. Oder die verkorkste Logistik des Gastgebers mit fehlenden Betten und teils fragwürdigen Unterkünften für die COP-Teilnehmer.

Ach ja, diese Klimakonferenz bot so viele Belanglosigkeiten, um den Sinn dieser Veranstaltung wieder einmal anzuzweifeln.

Viel (falscher) Gesprächsstoff aus Brasilien

Und genau das ist unser Problem. Wenn dieser Klimagipfel wieder in den Sand gesetzt wird, dann liegt es nicht nur an den Politikern, die sich nicht einigen können, oder an den Lobbyisten für fossile Energien vor Ort. Das Versagen beginnt nicht am Veranstaltungsort einer Klimakonferenz, sondern zu Hause. Bei Ihnen. Bei uns. Bei Journalisten, die Randphänomene der COP zu Schlagzeilen machen.

Wer sich nur für Belanglosigkeiten interessiert, der verdrängt die Themen, um die es wirklich geht. Dabei gäbe es so viel Positives und Wichtiges von der COP30 zu berichten und zu diskutieren: Zum Beispiel, dass kein Gastgeber der vergangenen drei Jahre so ambitioniert aufgetreten ist wie Brasilien. Selten hat eine Präsidentschaft drei Tage vor dem Ende der Verhandlungen schon eine erste Version für einen Beschlusstext vorgelegt. Niemals war die Welt so nah dran, einen Fahrplan für den Weg raus aus den fossilen Energien zu beschließen, wie jetzt. Lange haben Teilnehmer nicht mehr von einer solch konstruktiven Gesprächsatmosphäre geschwärmt wie dieses Jahr. Deutschland hat mehrere Milliarden für den Schutz der Tropenwälder und die Anpassung an den Klimawandel zugesagt und kämpft in diesen Stunden noch für das Ende der Fossilen.

Darüber soll und muss man berichten, lesen und reden! Wer sich stattdessen mit Banalitäten beschäftigt, die uns lediglich die Zeit stehlen, uns den so dringend nötigen Lösungen aber keinen Schritt näher bringen, sendet ein fatales Signal an die Verhandler bei den Klimagipfeln: Unser Interesse zu Hause zeigt, ob wir an einer Lösung der Klimakrise interessiert sind oder nicht. Wer will, dass die COP ein Erfolg wird, muss den Entscheidern auf die Finger schauen und darf sich nicht ablenken lassen. Ansonsten wird an unser aller Bedürfnisse vorbei regiert, vorbei entschieden. Nur wer sich zum wichtigsten Thema unserer Zeit positioniert – und ja, Klicks sind ein Indiz dafür – der darf auch von einer COP erwarten, dass dort wegweisende Entscheidungen gefällt werden.

Desinteresse hallt bis in die Konferenzsäle. Ein Politiker, der sieht, dass er mit markigen Sprüchen über den Gastgeber mehr Aufmerksamkeit bekommt, als mit wirksamen Klimaschutzmaßnahmen, der wird das Ende von Öl und Gas ganz gewiss nicht zu seiner Priorität machen.

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