Typisch Bayern. Nach seiner verbüßten Haftstrafe als Steuersünder möchte Uli Hoeneß wieder fürs Präsidentenamt des FC Bayern München kandidieren, auch die Führung im Aufsichtsrat der AG strebt er abermals an. Viele Mitglieder und Fans des Vereins würden die Rückkehr des Patrons begrüßen, Karl-Heinz Rummenigge sagt im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": "Uli hat nun einmal diesen Stellenwert bei den Fans und Mitgliedern, er war immer sehr beliebt, und das auch zu Recht."
Rummenigge nehme aber durchaus auch wahr, "dass im Münchner und bayerischen Raum sehr viel Beifall geklatscht und in anderen Teilen der Republik auch der Finger gehoben wird". Nicht ohne Grund, möchte man hinzufügen - aber Kritik an ihrer Unternehmenskultur begegnen die Bayern traditionell, und erst recht in dieser Angelegenheit, mit einem gepfefferten: Mia san mia. Zu Deutsch: Uns doch egal.
Und genau hier deutet sich das Dilemma an, dass Hoeneß' Rückkehr für den FC Bayern München bei aller Wertschätzung in den eigenen Reihen bedeuten könnte.

Ganz gleich, dass die Kritiklosigkeit, mit der die Bayern-Basis den Steuersünder wieder bereitwillig als ihren Anführer akzeptieren wird, bisweilen absurd anmutet: Aus sportlicher Sicht macht das Comeback für Uli Hoeneß Sinn. Es ist ihm zu Recht ein Anliegen, noch einmal zu ernten, was er selbst vor Jahren gesät hat. Die Frage, ob es sich angesichts des aktuellen Zustands des Vereins noch um "seinen" Verein handelt, stellt sich bei genauer Betrachtung nicht: Selbstverständlich sind es Hoeneß' Bayern.
Hoeneß hat seinerzeit die Verpflichtung von Pep Guardiola höchstpersönlich vorangetrieben, hat die katalanische Trainer-Diva während ihres Sabbatjahres in New York besucht und ihr die Vorzüge des bajuwarischen Vorzeige-Klubs schmackhaft gemacht - und damit die Weichen auf Gegenwart und Zukunft gestellt.
Und auch Stimmen, die nach der auf den internationalen Markt ausgerichteten Teampräsentation vor ein paar Tagen polterten, dass es "so eine Scheiße unter Uli Hoeneß nicht gegeben hätte", machen sich etwas vor: Mit Uli Hoeneß hätte es das genau so gegeben, denn dem war die internationale Vermarktung "seiner" Bayern immer Vision und Herzensangelegenheit. Schon Anfang der Achtziger träumte er, so hat er einmal erzählt, nach dem Besuch eines Football-Spiels in San Francisco davon, dass der FC Bayern in Marketing und Merchandise irgendwann ähnlich mächtig aufgestellt sein wird wie die ortsansässigen 49ers.
In jeder Hinsicht hat sich der Verein in den letzten Jahren genau so entwickelt, wie Hoeneß es sich immer gewünscht hat: weltoffen, dominant fast bis zur Unschlagbarkeit, mit starker internationaler Strahlkraft. Allein: Er durfte nicht am Spielfeldrand oder auf der Tribüne am Rausch teilhaben. Er musste die glorreiche Entwicklung aus seiner Gefängniszelle heraus beobachten. Emotional ist es nur verständlich, dass er sich die verlorene Zeit jetzt zurückholen möchte.
Uli Hoeneß wie einst der "Bestimmer" über alle Bereiche
Schwieriger ist Hoeneß' Comeback aus Sicht der Fußballfirma und Aktiengesellschaft FCB. Klar: Er hat seine Strafe verbüßt, eine zweite Chance verdient - im Münchner Umfeld, das der Tradition sehr verpflichtet ist, gerät seine Wiederwahl als Präsident da zur Formsache. Aber wenn Hoeneß wie einst als "Bestimmer" über alle Bereiche auch wieder dem Aufsichtsrat vorsitzt, würde die Mia-san-Mia-Führungskultur neue, alte Dimensionen der Distanzlosigkeit und Intransparenz annehmen - gilt der Bayern-Aufsichtsrat doch ohnehin bloß als Abnickverein, dem unter anderem Herbert Hainer (Chef von Ausrüster Adidas) und EX-VW-Chef Martin Winterkorn angehören. Hoeneß würde herrschen wie zu mächtigsten Zeiten.
So ergibt sich ein spannender Zwiespalt: Die Bayern als Fußballverein dürfen sich auf eine polarisierende Gallionsfigur freuen, die Jahre der Läuterung hinter sich hat und nun die Ernte seiner visionären Arbeit einfahren will. Die Bayern als florierender Weltkonzern mit 500 Millionen Euro Umsatz hinterfragen mit dieser Personalie aber eher unfreiwillig ihre provinzielle Unternehmenskultur. Mia san mia? Könnte auf dem Parkett, auf dem sich die Bayern inzwischen bewegen, als Rechtfertigung irgendwann nicht mehr ausreichen.