Champions-League-Finale Ballacks Tränen und die große ManU-Party

Es war eine der bittersten Stunden in Michael Ballacks Fußballer-Leben. Nur ein Elfmeter fehlte, um seinen großen Titel-Traum wahr werden zu lassen. Am Ende weinte er Tränen der Enttäuschung und war schnell von der Bildfläche verschwunden. ManU dagegen konnte das Glück kaum fassen.

Wenn die Spieler des Champions-League-Finales gestern Nacht das Moskauer Luschniki-Stadion verlassen wollten, gab es eigentlich nur einen Weg: Raus aus den Umkleiden, die verwinkelten Gänge, der 1956 erbauten und noch wie tiefste Sowjetunion anmutenden Arena entlang, um direkt am Ausgang in ein schmales Zelt zu gelangen, wo die Journalisten warteten.

Jeder musste da durch. Der traurige Chelsea-Torwart Petr Cech, der von allen britischen Reportern aufmunterndes Schulterklopfen bekam, ebenso wie Manchesters Superstürmer Cristiano Ronaldo, der sonst selten ein Wort mit der Presse wechselt, aber gestern in Plauderlaune war. Nur einer hatte entweder den Notausgang benutzt oder war irgendwo über ein Absperrgitter geklettert: Michael Ballack ließ sich nach der Chelsea-Niederlage nicht mehr blicken.

Mehr Chelsea-Anhänger

Manche gar wollen gesehen haben, wie er auf dem Spielfeld geweint hat, als Manchesters Schlussmann den letzten Elfmeter gehalten hatte und Ballacks Gesicht auf der Großleinwand gezeigt wurde. Aber das ist schwer zu sagen, denn es regnete bereits in Strömen. Die Mehrheit im Stadion teilte Ballacks Enttäuschung und trottete schon vor der Siegerehrung niedergeschlagen zum Ausgang.

Denn das Fanverhältnis war keineswegs ausgeglichen. Neben den rund 20.000 aus England angereisten Chelsea-Fans fieberten auch die 30.000 russischen Zuschauer mit der Truppe von Roman Abramowitsch, als wäre Chelsea ein Heimatverein. Immerhin hat der Oligarch seine Spieler mit russischem Geld bezahlt.

Trauriger Grant

Sogar die Sicherheitskräfte im Stadion schlugen sich nach dem Schlusspfiff fassungslos die Hände vor den Kopf. Ein Wachmann rief quer über die Pressetribüne zu einem Kollegen: "Den Schiedsrichter hätte Roman wenigstens auch noch kaufen können." Der Oligarch verschwand nach dem Spiel ebenso unbemerkt wie Ballack aus dem Stadion. Auf den letzten Bildern, die die Kameras von ihm zeigten, sah man wie Abramowitsch so tief in seinen Sitz auf der Ehrentribüne gerutscht war, dass er beinahe mit dem Hintern auf dem Boden landete.

"Tja so ist Fußball eben", kommentierte Chelseas Trainer Avram Grant mit leiser Stimme auf der anschließenden Pressekonferenz. Eigentlich habe er ja mit Roman heute Nacht einen trinken wollen. "Aber ohne Sieg keinen Wodka."

Alle schnell weg

Derweil wurde der größte Teil der angereisten Fans in über 900 Bussen schon wieder zu den Moskauer Flughäfen bugsiert. Die Chelsea-Fraktion nach Scheremetjewo im Norden und die Manchesters-Anhänger nach Domodedowo im Süden der Stadt. So sollten Konflikte vermieden werden. Alles war perfekt organisiert. Überhaupt versuchte Moskau, vom Reader’s Digest zur unfreundlichsten Stadt Europas gekürt, ein guter Gastgeber zu sein.

Die 40.000 angereisten Gäste brauchten nicht mal ein Visa. Wer an der Passkontrolle eine Eintrittskarte vorzeigen konnte, durfte sich 72 Stunden in der Stadt aufhalten. Sogar die knapp 15.000 Milizionäre rund ums Stadion zeigten sich von ihrer besten Seite. Außer den Spezialeinheiten trugen alle Paradeuniform mit weißem Hemd und Schlips, wie sonst nur an Feiertagen.

Wenig Unterkünfte

Es blieb ein friedliches Fußballfest. Dafür sorgte vor allem das zwei Tage geltende Verbot, an Kiosken und in Supermärkten Alkohol zu verkaufen; nichtmal Bier gab es. Dafür waren viele Bars und Restaurants schon vor dem Spiel förmlich leergesoffen, weil der Durst der britischen Fans das Vorstellungsvermögen der Wirte überstieg.

Größtes Manko war die chronische Knappheit an Unterkünften. 70.000 Fremdenzimmer gibt es in Moskau, weniger als das Luschniki-Stadion Plätze hat, selbst gewöhnliche Hotels waren schon auf Monate hinaus ausgebucht - zu Preisen von bis zu 1000 Euro für ein Bett.

Trauer auf dem Dach

Die teuerste Herberge der Stadt, das Ritz Carlton, hatte Roman Abramowitsch für seine Jungs angemietet. In der Hoffnung auf ein rauschendes Fest. Doch der Ritz-Eingang wurde in der Nacht nur von einem unglücklichen Häuflein Chelsea-Fans belagert.

Einige der Spieler verzogen sich in die Bar auf dem Dach, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Kreml hat. Vor dessen Mauern feierten die Fans von Manchester. Sie sangen die United-Hymne und schwenkten ihre roten Trikots. Viele beteuerten, sie hätten den Sieg vorhergesehen. "Denn in einer Stadt mit einem roten Platz", so die einhellige Meinung, "da können nur die Reds gewinnen."

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