Chaos beim 1. FC Köln Fans jagen Pezzoni aus dem Verein

  • von Björn Erichsen
Sportlich am Abgrund und einige Dummköpfe auf den Rängen: Anhänger des 1. FC Köln haben den eigenen Abwehrspieler Kevin Pezzoni offen bedroht. Der 23-Jährige flieht nun aus dem Verein.

Beim 1. FC Köln zeigt der Fußball derzeit sein hässlichstes Gesicht. Da ist zum einen die sportliche Misere: Abstieg aus der 1. Liga, Abgang des Lokalhelden Lukas Podolski, und auch in der 2. Bundesliga setzt sich die Talfahrt fort. Am Freitagabend wurde das Heimspiel gegen Energie Cottbus verloren, der Traditionsklub dümpelt mit nur einem Punkt nach vier Partien im Tabellenkeller. Manche Fans treibt der Misserfolg offenbar an den Rand des Wahnsinns: Denn eine Gruppe von FC-Anhängern hat Kevin Pezzoni, bisher Verteidiger bei den Geißböcken, bedroht – und damit letztendlich in die Flucht geschlagen.

Der Vertrag sei im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst worden, so heißt es zunächst in der offiziellen Verlautbarung des FC. Konkreter wird erst Trainer Holger Stanislawski im Anschluss an das Samstagstraining: "Eine Gruppe von Menschen hat Pezzoni in dieser Woche vor dessen Privatwohnung aufgelauert, ihn angepöbelt und ihn massiv bedroht“, so der Fußballlehrer. "Sie haben Zettel an sein Auto geklebt und ihm klar gemacht, dass sie ihm wehtun wollen. Damit haben diese Leute eine Grenze überschritten."

Eskalation nach schwacher Leistung

Die Vertragsauflösung mit Pezzoni sei, so Stanislawski, nun zum Schutz des Spielers vorgenommen worden, der seit 2008 für die Kölner aktiv war und 80 Bundesligaeinsätze für den Verein bestritt. Hochgekocht war der Zorn der Fans nach dem verlorenen Auswärtsspiel in Aue am vergangenen Montag, in dem Pezzoni eine schwache Leistung ablieferte. Im Laufe der Woche gab es auf Facebook einen Aufruf, den 23-Jährigen beim Donnerstagstraining zu belästigen. Der inzwischen gelöschten Gruppe folgten innerhalb kurzer Zeit 445 User.

Den jungen Pezzoni trifft die Wut der Fans bereits zum wiederholten Mal. Im Februar war der hochgewachsene Profi während des Karnevals tätlich angegriffen worden und erlitt bei der Attacke einen Nasenbeinbruch. Damals biss der Profi auf die Zähne: Pezzoni musste zwar operiert werden, kehrte aber schon kurz darauf wieder ins Mannschaftstraining zurück. Den Abstieg aus der Bundesliga konnte aber auch sein Einsatz nicht verhindern.

Für Pezzoni war die Zeit in Köln seither extrem belastend. "Bei jedem Ball, das hat er mir berichtet, ging es ihm nur noch darum, keine Fehlpass zu spielen", so Stanislawski. Ob die aktuelle Konfrontation aber tatsächlich allein sportliche Gründe hat ist unklar. Stanislwaski sprach von einer Situation, "die sich schon lange aufgestaut habe."

Mannschaft schreibt offenen Brief

Auch unabhängig von der Personalie Pezzoni sorgen die Kölner Anhänger immer wieder für Negativschlagzeilen. Im Frühjahr diesen Jahres etwa wurden von sogenannten Fans der Geißböcke zweimal innerhalb kurzer Zeit Fan-Busse des verhassten Lokalrivalen Borussia Mönchengladbach angegriffen. Einmal warfen die Chaoten Pflastersteine auf das Fahrzeug, beim zweiten Mal schmissen Vermummte Steine und Bengalos auf die Windschutzscheibe des Busses.

Inzwischen hat sich die Mannschaft des 1. FC Köln in einem offenem Brief geäußert. "Wir alle kennen unsere Rolle und unsere Verantwortung. Doch wir lassen als Mannschaft nicht zu, dass einzelne Spieler von einzelnen Chaoten gedemütigt und persönlich angegangen werden. Wir erwarten Fairness und Respekt im Umgang mit jedem einzelnen Spieler", hieß es in dem Schreiben.

Für Pezzoni ist die Leidenszeit mit diesen Anhängern seit Freitagabend vorüber. Der Vater des Spielers soll für seinen Sohn eine ordentliche Abfindung ausgehandelt haben. Seine Zukunft ist aber noch ungewiss: Ein Angebot aus Holland hat der Profi angeblich abgelehnt, ihm sollen aber auch Anfragen aus England und Spanien vorliegen. Ob es dem 1. FC Köln angesichts des chaotischen Umfeldes allerdings gelingt, seine Talfahrt zu beenden, ist mehr als fraglich. Denn welcher Spieler kann schon in einer Atmosphäre der Angst sportliche Höchstleistungen abrufen?

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